Nachhaltiger Konsum

Soll man Bioprodukte aus dem globalen Süden vermeiden?

09:08 Minuten
Eine Person hält eine Avocado. Im Hintergrund, in der Unschärfe ein Supermarkt.
Kaufen oder nicht? Avocado-Anbau ist sehr wasserintensiv. © EyeEm / Santiago Manqueo
Johanna Fincke im Gespräch mit Ellen Häring · 31.07.2019
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Bio, nachhaltig, fair - viele Verbraucher wollen beim Kauf von Obst und Gemüse gern alles richtig machen. Doch das ist im Dschungel der Fair-Trade- und Biosiegel gar nicht so einfach. Johanna Fincke von "CI Romero" erklärt, worauf man achten sollte.
Ist man schon auf der "besseren" Seite, wenn man Produkte mit Bio-Siegel kauft?
Nein. Denn es gehe nicht nur darum, dass ein Produkt gut für die Käufer sei, sagt Johanna Fincke, Geschäftsführerin der "Christlichen Initiative Romero", die sich für gerechten Welthandel und faire Handelsbeziehungen einsetzt.
Sondern es müsse auch einbezogen werden, welche Auswirkungen die Herstellung des Produkts für die Menschen und die Umwelt vor Ort habe: Werden die Hersteller fair entlohnt? Werden durch den Anbau zum Beispiel Gemeinden vertrieben? Oder wird die Umwelt zerstört?
"Es gibt ja auch Gebiete, in denen es eine extreme Wasserknappheit gibt, wo zum Beispiel Avocados hergestellt werden oder andere sehr wasserintensive Produkte, da ist es auch so, dass auch ein Bioprodukt natürlich Einfluss auf die Umwelt hat, der nicht nur positiv ist", erklärt die Cir-Geschäftsführerin. In solchen Fällen sei es manchmal sogar besser, auf ein Bioprodukt ganz zu verzichten.
Bioland, Naturland, Demeter - warum gibt es eigentlich so viele Bio-Siegel? Wäre ein einheitliches staatliches Siegel nicht besser?
Die verschiedenen Bio-Siegel genügten unterschiedlichen strengen Anforderungen, erklärt Fincke. Das Biosiegel der EU enspreche lediglich einem Mindeststandard für biologisch hergestellte Produkte. "Und demeter oder Naturland gehen weit darüber hinaus in ihren Kriterien." Naturland zum Beispiel zertifiziert nur, wenn die Hersteller auch sozialen Standards genügen.
Von der Forderung nach einem einheitlichen Bio-Siegel hält die Cir-Geschäftsführerin nichts, weil ein solches Siegel ganz niedrige Standards haben würde. "Denn alles andere ist, glaube ich, politisch gar nicht durchsetzbar".
Porträtaufnahme von Johanna Fincke, Geschäftsführerin der Christlichen Initiative Romero
Johanna Fincke ist Geschäftsführerin der Christlichen Initiative Romero© Maren Kuiter
Insofern bleibe Verbrauchern derzeit nur, sich mithilfe von Siegelratgebern über die jeweiligen Standards zu informieren. Perspektivisch solle die Verantwortung aber von den Verbraucherinnen und Verbrauchern auf die Unternehmen übergehen, fordert Fincke.
"Es muss eben staatliche Pflichten für Unternehmen geben, auch in Deutschland, die überhaupt Produkte aus dem globalen Süden oder umweltrelevante Produkte verkaufen, die sich einfach zwingend an Dinge halten müssen."
Wie kann ich sicherstellen, dass das Produkt nicht mit Kinderarbeit hergestellt wurde?
Hier mahnt Fincke zu einem differenzierten Blick. Ein generelles Verbot von Kinderarbeit helfe nicht weiter, betont sie. Denn etwa in Lateinamerika seien mithelfende Kinder in der Landwirtschaft einfach eine gesellschaftliche Realität.
"Es ist eigentlich wichtiger zu schulen und zu prüfen, dass die Rahmenbedingungen für die Kinder auch gut sind. Sie müssen zur Schule gehen dürfen, sie dürfen keine schwere körperliche Arbeit machen dürfen, die sie gesundheitlich beeinträchtigt. Sie dürfen also nicht ausgebeutet werden."
Ein komplettes Verbot würde die Kinder nur in die Illegalität drängen, was die Wahrscheinlichkeit von massiver Ausbeutung erhöhe.
Soll ich im Sinne des Klimaschutzes ganz auf Bio-Produkte aus dem globalen Süden verzichten und nur noch regional kaufen?
Nein, meint Johanna Fincke. Es komme immer auf das konkrete Produkt und dessen Herstellungsbedingungen an, und regional ist nicht immer besser fürs Klima. "Ein regionaler Apfel, den wir im Mai kaufen, und der kommt vom Bauern nebenan, der ein halbes Jahr im Kühlhaus lagerte, weil er im Oktober geerntet wurde, der ist klimaschädlicher als ein weitgereister, aber frisch gepflückter Apfel aus Argentinien."
Wer das Klima wirklich schützen wolle, solle sich für ein Ende fossiler Energieträger einsetzen. "Und insgesamt weniger konsumieren."
(uko)

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