Nach Trumps Abgang

Die Gefahr einer Mythenbildung

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Die Schachfigur Weißer König liegt auf einem Schachbrett.
Der weiße König ist gestürzt. Aber Donald Trump als Verlierer abzustempeln, sei zu kurz gegriffen, sagt der Schriftsteller Ingo Schulze. © imago-images / Schöning
Ingo Schulze im Gespräch mit Andrea Gerk · 22.01.2021
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Wird Donald Trump als schlechter Verlierer in die Geschichte eingehen? Der Schriftsteller Ingo Schulze ist da vorsichtig und sieht in Trumps Verweigerung, die Niederlage einzugestehen, eine mögliche Saat für die Entstehung eines Mythos.
Donald Trump habe zwar die Präsidentschaftswahl in den USA verloren, aber ihn deswegen pauschal als Verlierer abstempeln, möchte der Schriftsteller Ingo Schulze nicht. "Was die Wahl betrifft, ist er ganz eindeutig der Verlierer, auch ein furchtbar schlechter Verlierer." Aber Trumps Verweigerung, den Sieg von Biden anzuerkennen, könnte einem neuen Anlauf Vorschub leisten und einen neuen Mythos begründen.
Grundsätzlich handle es sich bei dem Urteil, wer ein Verlierer sei, um eine Zuschreibung. "Trump und seine Anhänger werden es natürlich von sich weisen, Verlierer zu sein und sich vielleicht als die letzten Aufrechten sehen." Nach Ansicht von Schulze sind solche Begriffe wie "Verlierer" oft wenig hilfreich zur Beschreibung der Wirklichkeit.

Erschreckende Machtfülle

Das eigentlich Erschreckende bei Trump sei gewesen, dass man einer Person mit dieser psychischen Konstitution eine solche Machtfülle gegeben habe, sagt Schulze. "Der hat dann eben die Möglichkeit, auf so einen Knopf zu drücken. Plötzlich wurde das sehr real, und das sind, glaube ich, die eigentlichen Dinge, über die man da sprechen muss."

Trump und seine Anhänger

Die entscheidende Frage sei, warum Trump immer noch so viele Anhänger habe. Das eigentlich Tragische sei, dass der Milliardär Trump oft als Mann der kleinen Leute begriffen werde. "Ich war sehr überrascht, als ich vor wenigen Tagen so einen Artikel las, in dem gesagt wurde, dass Trump der sogenannten Unterschicht enorme Zuwächse beschert hat, im Vergleich zu dem, was vorher war, auch den Schwarzen." Das sei für ihn neu gewesen. "Das habe ich nicht für möglich gehalten."
Auch wenn man über Rechtspopulisten in Polen oder Ungarn rede, müsse man sich ansehen, was für eine Sozialpolitik, diese machen. "Da müssen wir sehr genau hingucken, und da gibt es überhaupt keinen Grund zur Selbstzufriedenheit."
(rja)
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