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Deutsch-österreichische Grenze
Keine Flüchtlinge in Sicht

Trotz zahlreicher Kritik wurde das Asylpaket II verabschiedet. Jetzt scheint es, als brauche Deutschland die verschärften Bestimmungen gar nicht mehr. Denn seit zwei Tagen wurde nicht ein einziger Flüchtling von Österreich nach Deutschland geschickt. Zeigen die Maßnahmen der EU erste Auswirkungen oder ist es nur die Ruhe vor dem Sturm?

Von Susanne Lettenbauer | 26.02.2016
    Ein Polizist steht an einer Autobahn und schaut durch ein Fernglas.
    Kein Flüchtling in Sicht: An der deutsch-österreichischen Grenze sind die Flüchtlingszahlen abrupt zurückgegangen. (imago/stock&people/Roland Mühlager)
    Die Scheinwerfer der Grenzkontrollstation Kiefersfelden leuchten schon von Weitem. Ein Polizeibus mit Blaulicht leitet den Verkehr einspurig Richtung Grenzbeamte. Fernbusse werden zur Kontrolle herausgewunken, Anwohner der umliegenden Ortschaften fahren langsam durch. Die LKW mit italienischem, slowenischem oder polnischem Kennzeichen können ebenfalls weiterfahren. Normale Grenzkontrolle, so scheint es.
    Die Nacht ist ruhig, Schleuser und eventuelle illegale Passagiere wurden bislang nicht entdeckt. Noch nicht. Die Beamten der Grenzkontrollen in Piding, Kiefersfelden und auch Passau sind seit zwei Tagen in erhöhter Alarmbereitschaft. Seit Österreich keine Kontingentflüchtlinge mehr schickt, befürchtet die Bundespolizei einen Anstieg an Schleusungen. Statt jetzt die angehäuften Überstunden abzufeiern, bleibt die Bundespolizei im Dauereinsatz. Die Beamten selbst dürfen sich an diesem Abend nicht äußern, die Sprecher der Dienststelle Rosenheim sind bereits im Feierabend. Dass seit zwei Tagen keine Migranten mehr die bayerisch-österreichische Grenze bei Salzburg und Kufstein passiert haben, irritiert jedoch.
    Niemand kommt an Spielfeld vorbei
    Auch am Bahnhof Kufstein herrscht gähnende Leere. In den vergangenen Monaten bestiegen hier jede Stunde 50 Flüchtlinge aus dem nahegelegenen Grenzcamp den Zug nach Rosenheim. An diesem Abend - keiner. Gegen 20 Uhr hätten einige Migranten die Bahn genommen. Genaueres wollen die Sicherheitsleute vom Bahnhof Kufstein nicht sagen.
    Es käme niemand mehr an Spielfeld vorbei, Österreich deckele die Asylanträge und Zuwanderungszahlen, wer soll da noch kommen, meinen sie. Außerdem würden immer mehr Migranten ihren Asylantrag in Österreich stellen oder in die Heimat zurückkehren. Der Grund: Deutschland hat allein im Januar, laut Bundesinnenministerium, 7.000 Flüchtlinge direkt an der Grenze abgewiesen, darunter 1200 Afghanen, 700 Marokkaner, 500 Iraker.
    Während Griechenlands Außenminister Nikos Kotzias den griechischen Botschafter aus Wien abzieht und sein Land als "Libanon Europas" mit bevorstehendem Flüchtlingskollaps sieht, bleiben die Aufnahmecamps von Freilassing und Rosenheim nahezu leer.
    An seinen Beamten läge es nicht, betont der Sprecher der Landespolizei Salzburg Michael Rausch. Das Flüchtlingscamp auf dem Salzburger Asfinag-Gelände sei fast leer, es seien fast keine neuen Migranten von Wien angekündigt:
    "Letzten Sonntag und letzten Montag waren es noch je 200 Personen, die vom Süden Österreichs nach Salzburg gebracht wurden und in den letzten Tagen waren es nur acht bis zehn oder gar keine Flüchtlinge."
    Man erwarte keine Transitflüchtlinge mehr in den kommenden Tagen.
    Bundespolizei registriert wieder auf eigene Faust
    Wie sich die österreichische Situation danach weiter entwickelt, weiß Rauscher nicht. Die offene Kritik von Bundesinnenminister Thomas de Maizière an der Ankündigung Wiens, täglich 3.200 Flüchtlinge nach Deutschland durchzuleiten, sie scheint zu wirken.
    "Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Tagen keine Transitflüchtige nach Salzburg kommen, das kann sich aber wieder ändern, längerfristig gehen wir schon davon aus, dass wieder welche ankommen werden."
    Die Bundespolizei Rosenheim hat in den vergangenen Tagen statt die mit Österreich vereinbarten Kontingentflüchtlinge wieder vermehrt auf eigene Faust reisende Migranten registriert. Entweder auf der Autobahn oder in Zügen. Diesen Trend bestätigt auch die Salzburger Landespolizei.