Nach Seehofers Rückzieher

GdP-Landesverband bleibt bei Anzeige gegen taz

05:19 Minuten
Bundesinnenminister Horst Seehofer während seines Besuches in Stuttgart, hinter ihm stehen Polizisten.
Zumindest in diesem Bild hat sich Bundesinnenminister Horst Seehofer klar vor die Polizistinnen und Polizisten gestellt. © dpa / Marijan Murat
Benjamin Jendro im Gespräch mit Axel Rahmlow · 25.06.2020
Audio herunterladen
Der oberste Dienstherr mag zurückrudern, der Berliner Landesverband der Gewerkschaft der Polizei will trotzdem juristisch gegen die "taz" vorgehen. Es gebe für Journalisten keinen Freifahrtsschein, "gegen eine Gruppe von Menschen zu hetzen", meint Sprecher Benjamin Jendro.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wollte eigentlich Strafanzeige stellen, wegen der umstrittenen "taz"-Kolumne "Abschaffung der Polizei – All cops are berufsunfähig". Nach viel Kritik verzichtet er nun jedoch darauf. Stattdessen möchte er mit der Chefredaktion sprechen.

"Menschenverachtende Textzeilen"

Der Berliner Landesverband der Gewerkschaft der Polizei (GdP) allerdings bleibt dabei: Er hat die "taz" und die Autorin angezeigt. "Und jetzt werden wir mal sehen, was dabei rumkommt", sagt Sprecher Benjamin Jendro:
"Wir finden es ein bisschen vermessen, wenn man uns jetzt vorwirft, dass wir die Pressefreiheit einschränken wollen, weil es doch alles Satire war oder eine Glosse. Wenn man Menschen wirklich auf der Müllhalde entsorgen möchte, mal unabhängig von dem Nazivergleich, der am Anfang kam, dann ist das eine Herabwürdigung, dann ist das menschenverachtend. Und dann ist es auch für uns als Gewerkschaft der Polizei im Rechtsstaat zum Glück möglich, das juristisch überprüfen zu lassen."
Natürlich sei die Presse- und Meinungsfreiheit ein hohes Gut. "Aber hier hat aus unserer Sicht eine Autorin wirklich die Grenze überschritten. Da geht es um menschenverachtende Textzeilen." Es gebe auch für Journalisten keinen Freifahrtsschein, "gegen eine Gruppe von Menschen zu hetzen", so Jendro.

"Seehofer hat sich deutlich geäußert"

Vom Bundesinnenminister fühle man sich nicht im Stich gelassen: "Er hat sehr, sehr deutlich geäußert, was er von der Kolumne hält." Ob Seehofer Strafanzeige stellt oder nicht, "spielt für uns erst einmal keine Rolle. Das war sicher etwas, was man nach den Bildern von Stuttgart auch politisch ganz gut verkaufen kann, wenn man sich so äußert. Aber das ist für uns irrelevant." Letztendlich müsse diese Entscheidung "der Bundesinnenminister für sich verantworten. Ich glaube, es gibt auch andere Wege, sich klar vor die Kolleginnen und Kollegen zu stellen."
Die Kritik der Kolumne bezüglich Rassismus in der Polizei weist Jendro weitgehend zurück: Es sei zwar wichtig, dass über Rassismus gesprochen werde. "Das ist ein Problem, das nach wie vor in unserer Gesellschaft verankert ist. Den Vorwurf allein auf die Institution Polizei zu beziehen, finden wir auch vermessen." Strukturelle Probleme in Bezug auf Rassismus in der Polizei sehe er nicht.
(lkn)
Mehr zum Thema