Nach neuen Recherchen in Causa Wedel

"Wir brauchen eine überbetriebliche Beschwerdestelle"

Dieter Wedel, Intendant der Bad Hersfelder Festspiele, sitzt am 06.11.2015 während einer Pressekonferenz in Bad Hersfeld (Hessen) vor der Scheinwerfern.
Der Regisseur Dieter Wedel © dpa / picture alliance / Uwe Zucchi
Von Christiane Habermalz · 25.01.2018
Warum bekam der Regisseur Dieter Wedel, trotz dokumentierter Vergewaltigungs-Vorwürfe, immer neue Regieaufträge und wurde nicht zur Rechenschaft gezogen? Und wie kann die Filmbranche solche Verfehlungen zukünftig verhindern? Brancheninsider geben Antworten.
Heinrich Schafmeister hat keinerlei Verständnis für sexuellen Missbrauch am Filmset. Der Schauspieler sitzt im Vorstand des Bundesverbandes Schauspiel, kurz BFFS. Leider sei das Thema dennoch in gewisser Weise branchentypisch. Denn in kaum einem anderen Wirtschaftszweig sind Abhängigkeit und Machtgefälle so ausgeprägt wie hier. Beim Film komme noch dazu, sagt er, dass es immer um die großen Emotionen gehe, der Umgang miteinander sei viel physischer, das könne leicht ausgenutzt werden.

Kunst als dumme Ausrede

"Was wir als Verband immer ganz schrecklich finden, diese Ammenmärchen, was man immer so mit Kunst verbindet. Ah, wir sind ja ne Ausnahmesituation, wir sind ja Künstler, da gibt’s keine Grenzen, da gibt’s keine Regeln. Das ist Unsinn. Und immer schon Unsinn gewesen. Gute Kunst ist gute Kunst, aber man kann mit guter Kunst nicht so ein Fehlverhalten entschuldigen."
Auf Initiative des BFFS wurde bereits vor einiger Zeit ein Runder Tisch zum Thema sexuelle Übergriffe gegründet – beteiligt ist die gesamte Branche, vom Schauspielverband bis zu den Produzenten, Film- und Fernsehakademien, Schauspielagenturen und der Vereinigung "Pro Quote Regie". Jetzt hat man sich unter dem Eindruck der Vorwürfe gegen den Regisseur Dieter Wedel zu konkreten Maßnahmen entschlossen. Eine überbetriebliche Beschwerdestelle soll eingerichtet werden, an die sich Betroffene wenden können.
"Weil wir als Beschäftigte oder Selbständige von einem Arbeitgeber zum anderen wandern, also es ist immer ein ständiges Kommen und Gehen. Da macht also eine Beschwerdestelle, die an einem Betriebe andockt, wenig Sinn. Was wir brauchen ist eine überbetriebliche Beschwerdestelle."

Es fehlen Verhaltensregeln

Dazu will man sogenannte "Complianceregeln" zur Prävention ausarbeiten, ein klarer Verhaltenskodex für die Branche. Etwa, dass Besetzungsgespräche grundsätzlich nicht mehr nur unter vier Augen stattfinden sollten. Oder dass von Frauen bei Castings nicht verlangt werden darf, sich auszuziehen.
"Wir müssten das wirklich sauber ausarbeiten, wir wollen ja jetzt nicht einen bürokratischen Ballast jetzt uns anhängen. Aber es sind ganz einfache Regeln. Natürlich gibt es in Filmen Nacktszenen. Aber muss man beim Casting unbedingt Nacktszenen sehen? Wir meinen Nein."
Doch reicht das aus? Kaum, sagt Barbara Rohm, Vorstandsmitglied der Vereinigung Pro Quote Regie, die sich für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Filmbranche einsetzt. Wirkliche Veränderung können letztlich nur über einen Kulturwandel herbeigeführt werden.

"Das ist ganz wichtig, dass wir auf die Strukturen schauen, die den Missbrauch von Macht ermöglichen und teilweise auch befördern. Das sind natürlich die unausgewogenen Geschlechterverhältnisse, der größte Teil von Führungspositionen ist von Männern besetzt, und auch vor allem in den kreativen Schlüsselpositionen, und wir haben immer noch die Vorstellung vom Genie, das alles darf und der Frau wird die Rolle als Muse zugewiesen."

Sender wollen Versäumnisse aufarbeiten

Unterdessen will auch der Saarländische Rundfunk seine Rolle im Fall Dieter Wedel kritisch hinterfragen. Nach den Recherchen der ZEIT war der Sender während der Dreharbeiten zu "Bretter, die die Welt bedeuten" im Jahr 1980 über den Angriff des Regisseurs auf eine junge Schauspielerin informiert worden - sorgte sich jedoch nur um die Kosten durch den Ausfall der verletzten Frau. Der Intendant des Senders Thomas Kleist, hat nun angekündigt, die damals beteiligten Personen zu befragen.
Thomas Kleist, Intendant des Saarländischen Rundfunks
Thomas Kleist, Intendant des Saarländischen Rundfunks© dpa / Oliver Dietz
"Vielleicht können wir mit denen reden, dass wir erfahren, wie war das damals, warum hat man das nicht zur Anzeige gebracht. Ich hätte nur eine einzige halbwegs plausible Entschuldigung. Wenn die Frauen explizit gesagt hätten, das ist unserer Privatsache, wir möchten nicht, dass das an die Öffentlichkeit kommt."

Die Politik muss handeln

Doch warum Wedel trotz der dokumentierten Vorwürfe über Jahre immer weiter Regieaufträge bekam und nicht zur Rechenschaft gezogen wurde, das ist damit noch lange nicht erklärt. Barbara Rohm sieht auch die Politik in der Pflicht – insbesondere Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Immerhin hat sie im vergangenen Jahr selbst einen Runden Tisch ins Leben gerufen, zum Thema Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien, der allerdings außer vielen schönen Absichtserklärungen wenig Ergebnisse gebracht hatte. Nach Auskunft ihres Sprechers will Grütters die von der Branche geplante Beschwerdestelle finanziell unterstützen.
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