Streit um Abschiebung von Sami A.

Werbung für den Glaubenskrieg in Bochum

Blick von der Universität Bochum auf die Innenstadt mit Exzenterturm, Gerichtsgebäude und Europahaus
Der vor Kurzem abgeschobene Sami A. soll in einem Bochumer Park für den Dshihad geworben haben, sagt der Journalist David Schraven. © imago/Hans Blossey
David Schraven im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 16.07.2018
Sami A. soll in Bochum selbst erzählt haben, dass er Osama bin Ladens Leibwächter gewesen sei, sagte unser Studiogast, der Journalist David Schraven. Inhaltlich rechtfertige das eine Abschiebung, aber beim Verfahren gebe es noch ungeklärte Fragen.
Der mutmaßliche Gefährder Sami A. wurde abgeschoben, obwohl ein Gericht zuvor entschieden hatte, dass das nicht rechtens ist. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet verteidigt nun seine Regierung. Sie habe nach Recht und Gesetz entschieden. Der Anwalt des Tunesiers bestreitet die Vorwürfe und wehrt sich gegen die Abschiebung. Unser Studiogast, der Journalist David Schraven, hält die Abschiebung von Sami A. grundsätzlich für richtig.
David Schraven mit Bart und Brille im Büro des Recherchekollektivs "Correctiv".
Der "Correctiv"-Geschäftsführer David Schraven © dpa / Britta Pedersen
Als er bei der Westdeutschen Zeitung (WAZ) tätig war, habe die Redaktion den Fall recherchiert, sagte der heutige Geschäftsführer des Recherchebüros "Correctiv". "Wir hatten das aufgebracht, dass es Sami A. gab", sagte Schraven im Deutschlandfunk Kultur. "Wenn die sagen, es gibt keinen Beleg dafür, dass Sami A. Leibwächter von Osama bin Laden war oder nicht – er hat es zumindest selber erzählt." Sami A. habe damals damit Werbung gemacht. "Er hat sich damit in den Stadtpark gesetzt, in den Westpark in Bochum, und hat junge Leute angeregt, doch auch in diesen Glaubenskrieg einzutreten und hat denen mit seinem Beispiel ein leuchtendes Bild gegeben." Das rechtfertige eine Abschiebung.

Unklarheiten beim Verfahren

Was das Verfahren angehe, müsse es natürlich rechtsstaatlich laufen, sagte Schraven. Es gebe derzeit noch sehr viele "Wenn und Aber". Schließlich habe das Gericht zwischendurch gefragt, wann denn abgeschoben werden solle. "Das kann natürlich das Innenministerium auch nicht sagen." Das Gericht müsse außerdem unabhängig entscheiden. Es gebe bei diesem Fall sehr viele Probleme im Detail.

Probleme bei der Abstimmung

Die Gerichtsbarkeit, das Verwaltungsgericht, müsse der Exekutive auf die Finger schauen. "Dass es da zu Abstimmungsschwierigkeiten kommt, halte ich für durchaus normal." Das seien nicht nur zwei verschiedene Häuser einer Anstalt, sondern sie hätten eben nicht so viel miteinander zu tun. "Die einen spielen Fußball, die anderen Feldhockey", wählte Schraven einen Sportvergleich.
Ob das ein Skandal sei oder nicht, werde sich am Ende daran zeigen. Die Frage sei, ob es tatsächlich eine bewusste Entscheidung war, das Gerichtsurteil zu missachten. "Das wäre ein großer Skandal."
(gem)

David Schraven leitet das Recherchezentrum "correctiv.org" als inhaltlicher Geschäftsführer. Nach Stationen bei der "taz" und der "Süddeutschen Zeitung" war er zunächst als freier Journalist für die "Welt"-Gruppe im Wirtschaftsressort und im Ressort NRW tätig. Als Gastjournalist des "Time"-Magazins erlebte Schraven den 11. September in New York. Er war zudem einer der Gründer des politischen Blogs "Ruhrbarone". Von 2010 bis 2014 verantwortete er das Ressort "Recherche" am Content Desk der Funke-Mediengruppe. Anfang 2017 gründete er mit dem Journalisten Cordt Schnibben die Online-Journalistenschule Reporterfabrik.

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