Nach den Wahlen in der Türkei

Berlin feiert die HDP

Der Ko-Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtas, bei der Stimmabgabe am 07.06.2015
Der Ko-Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtas, bei der Stimmabgabe: Sein Sieg wird auch in Berlin gefeiert. © picture-alliance / dpa / Deniz Toprak
Von Kemal Hür · 08.06.2015
Bei den Parlamentswahlen in der Türkei hat erstmals die prokurdische Partei HDP die Zehn-Prozent-Hürde überwunden. Das feierten nicht nur ihre Anhänger in der Türkei, sondern auch in Berlin-Kreuzberg. Ihre Wähler wollten vor allem die Alleinherrschaft der AKP stoppen.
In einem Café in Berlin Kreuzberg verfolgen Hunderte Menschen eine Wahlparty. Es sind die Anhänger der linken und prokurdischen Partei HDP, der Demokratischen Partei der Völker. Als der Co-Vorsitzende und Spitzenkandidat auf der Leinwand erscheint, jubeln die Berliner HDP-Wähler ihm zu. Die Partei hat ihr Ziel erreicht. Sie übersprang die weltweit höchste Wahlhürde von zehn Prozent.
Die Berliner HDP-Sprecherin Mehtap Erol sagt, sie habe diesen Erfolg erwartet, aber so richtig glauben könne sie es noch nicht:
"Es ist Wahnsinn, vor allem die Leute, die jetzt hier sind: Kurden, Türken, Araber, Deutsche, Politiker, Schriftsteller. Alle sind hier anwesend, und die teilen unsere Freude mit uns. Es ist kaum zu beschreiben. Auch ich habe Probleme, das zu beschreiben."
Die HDP zieht erstmals als Partei ins türkische Parlament ein. Mit gut 13 Prozent der Stimmen bildet sie damit die viertgrößte Fraktion. In Deutschland kommt sie mit knapp 18 Prozent auf den zweiten Platz. Mit ihrem Einzug ins Parlament verliert die seit zwölf Jahren regierende islamische AKP ihre absolute Mehrheit.
Das war ein Ziel von vielen Gegnern des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Er machte verfassungswidrig Wahlkampf für die AKP und visierte für sie eine Dreiviertel-Mehrheit an. Damit wollte er in der Türkei ein Präsidialsystem errichten und seine Alleinherrschaft ausbauen. Mit einem Stimmeinbruch der AKP auf 40 Prozent und dem Einzug der HDP ins Parlament ist Erdoğans Vorhaben gescheitert. Zur Freude auch der Berliner HDP-Wähler:
"Ich bin keine Kurdin, aber ich hab die HDP gewählt, weil ich kann mir gut vorstellen, dass sie Minderheiten in der Türkei ganz gut präsentieren können, dass sie auch für die Freiheit und Demokratie sind."
"In erster Linie, weil ich für die Freundschaft der Völker bin, dass wir Frieden haben, dass wir keine Toten mehr zu beklagen haben, deswegen habe ich HDP gewählt."
Deutschland-Türken durften zum ersten Mal abstimmen
Die AKP bleibt die stärkste Partei. Sie ist aber von knapp 50 auf 40 Prozent gefallen. In Deutschland schnitt sie viel stärker ab als in der Türkei. Hier erhielt sie 53 Prozent. Der Berliner Vorsitzende der AKP-Lobby-Organisation, UETD, Sinan Kaplan, schaute sich die Wahlsendung des staatlichen türkischen Fernsehens in einem Hotel mit dem türkischen Botschafter und dem Berliner Generalkonsul an. Kaplan hatte für die AKP kandidiert, scheiterte aber auf seinem Listenplatz. Nach der Enttäuschung wollte er das Wahlergebnis nicht kommentieren.
Die Wahlbeteiligung in Deutschland lag bei 34 Prozent. Der Berliner Generalkonsul leitete in der Hauptstadt die Wahlkommission. Ahmet Başar Şen vermutet, dass die Deutschland-Türken sich erst an die Stimmabgabe hier gewöhnen müssen:
"Ich schätze, dass wir langsam diese Tradition auch unter unsere Staatsbürger hier in Berlin oder in Deutschland bringen werden und dass die Proportionen immer größer werden, die bei unseren Wahlen ihre Stimmen abgeben."
Die Wahlparty der HDP besuchten auch Vertreter der Grünen und der Linken. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, die HDP habe sich von einer Kurden- zu einer Türkeipartei entwickelt, die alle Ethnien und Religionen in sich vereine.
Die Kreuzberger Feier mit kurdischen und türkischen Reigentänzen dauerte bis in die frühen Morgenstunden.
Mehr zum Thema