Nach dem Terror von Paris

USA ringen um Anti-IS-Strategie

US-Außenminister John Kerry vor der in den französischen Nationalfarben angestrahlten US-Botschaft
US-Außenminister Kerry vor der US-Botschaft in Paris © Dominique Faget/Pool/AFP
Von Marcus Pindur · 17.11.2015
Eigentlich will die Obama-Regierung bis Ende 2016 10.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge ins Land lassen. Nach den Anschlägen von Paris jedoch wächst der Widerstand bei vielen US-Gouverneuren: Sie warnen vor damit verbundenen Sicherheitsrisiken. Und auch die Frage, wie eine adäquate Strategie zur Bekämpfung des IS aussehen muss, wird immer lauter gestellt.
Es sei höchstwahrscheinlich, dass der sogenannte Islamische Staat (IS) den Versuch unternehmen werde, weitere Anschläge wie die in Paris auszuführen, erklärte CIA-Chef John Brennan in Washington. Es sei jedoch seiner Ansicht nach keineswegs unausweichlich, dass die Terrormiliz damit Erfolg haben werde.
"Das ist nicht in wenigen Tagen geplant worden, sondern über mehrere Monate. Sie brauchten die Täter, die Waffen und die Selbstmordwesten. Ich nehme an, dass sie noch weitere Anschlagsplanungen in der Pipeline haben."
Ein Grund für den IS, vermehrt Anschläge außerhalb seines unmittelbaren Einflussgebietes auszuführen, liege darin, dass es gelungen sei, das militärische Momentum der Terrormiliz aufzuhalten. Auch Präsident Obama beharrte darauf, dass die Anti-IS-Strategie erste Erfolge zeige.
"Wir schalten ihre Kommandeure aus, das sind Mörder. Wir haben gesehen, dass es mit einer funktionierenden Truppe am Boden und amerikanischer Luftunterstützung gelingen kann, den IS zu besiegen. Das ist jüngst erst geschehen in Sindschar. Und ein großer Teil der türkischen Grenzregion zu Syrien ist ebenso von der IS-Miliz befreit."
Erfolge brauchen Zeit
Reporter stellten dem Präsidenten nach dem G20-Gipfel immer wieder die gleiche Frage: Ob Obama glaube, dass seine bisherige Strategie richtig sei. Obamas Antwort: Es werde keine amerikanischen Bodentruppen in größerem Ausmaße geben.
"Wir werden unsere bisherige Strategie intensivieren, aber das ist die Strategie, die wir weiter verfolgen werden. Sie wird Erfolge zeitigen, aber es braucht Zeit dafür."
Also: US-Luftangriffe und amerikanische Ausbilder, ja, aber keine amerikanischen Truppen in Gefechtssituationen.
Bodentruppen aus der Region
Doch damit stehen der Präsident und seine Sicherheitsberater zusehends alleine. Immer mehr Experten fordern, militärische Berater direkt bei irakischen und kurdischen Einheiten auf dem Boden einzusetzen. Nur dann könnten sie effektiv Einfluss auf das Kampfgeschehen nehmen. Auch der republikanische Senator und Präsidentschaftsbewerber Lindsey Graham fordert dies.
F-18E Super Hornet kommen bei Luftangriffen gegen IS zum Einsatz
F-18E Super Hornet kommen bei Luftangriffen gegen IS zum Einsatz© dpa / Shawn Nickel
"Es gibt keine Alternative zum Einsatz von mehr Bodentruppen. Davon müsste ein Teil aus der Region selbst kommen. Wir können und müssen den IS zerstören, und das versteht auch der durchschnittliche Amerikaner. Aber wir müssen den Kampf gegen den IS dort führen, sonst trägt er den Krieg zu uns."
Insbesondere die Stationierung von Beobachtern am Boden, die Ziele für amerikanische und alliierte Luftangriffe markieren könnten, wird immer wieder von militärischen Experten gefordert. Nimmt man das bisherige Verhalten der Obama-Administration zum Maßstab, so ist die Wahrscheinlichkeit allerdings gering, dass es eine nennenswerte Ausweitung des amerikanischen militärischen Engagements geben wird.
Anschlagsdrohung für Washington
Der IS drohte in einem Video, in nächster Zeit auch Anschläge in der amerikanischen Hauptstadt Washington auszuführen. Die demokratische Abgeordnete Tulsi Gabbard forderte, die USA müssten den visumsfreien Reiseverkehr mit der EU zumindest zeitweise aussetzen.
"EU-Bürger sollten durch den ganz normalen Visum-Prozess gehen und genau überprüft werden. Im Moment könnte ein ehemaliger IS-Kämpfer mit europäischem Pass innerhalb von Stunden in den USA sein und eine Bedrohung darstellen."
Unterdessen haben sich die Gouverneure von 16 US-Bundesstaaten dagegen gewandt, Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Die Obama-Regierung will bis zum Ende des nächsten Jahres 10.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge ins Land lassen. Das Verfahren ist langwierig, weil die Flüchtlinge zunächst in den Lagern in Jordanien befragt und auf mögliche Sicherheitsrisiken überprüft werden. Die amerikanischen Gouverneure, so heißt es von Seiten der US-Bundesregierung, hätten keinerlei rechtliche Handhabe, bestimmte Flüchtlinge zurückzuweisen.