Nach dem Militärputsch

Die gefährliche Lage der Intellektuellen in Myanmar

08:49 Minuten
Polizisten und Demonstranten stehen sich an einer Straße in der Stadt Mandalay in Myanmar gegenüber. Die Protestierenden habe Wasserflaschen hinter die Absperrung gestellt und halten Schilder in die Höhe.
Sicherheitskräfte und Demonstrierende stehen sich in der Stadt Mandalay in Myanmar gegenüber. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Kaung Zaw Hein
Jan-Philipp Sendker im Gespräch mit Andrea Gerk · 10.02.2021
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Der Schriftsteller Jan-Philipp Sendker war oft in Myanmar, hat viele Freude dort. Und vor allem: Seine Bücher werden im Land gelesen. In seiner "Burma-Trilogie" arbeitet er die Zeitgeschichte auf. Nach dem Militärputsch sorgt er sich um Verlegerin und Übersetzer.
Myanmar ist in Aufruhr. Auf den Militärputsch folgten Massenproteste. Und sie reißen nicht ab. Sicherheitskräfte setzen Wasserwerfer und Gummigeschosse ein, wiederholt wurde das Internet abgeschaltet.
Hunderttausende seien in den verschiedenen Städten auf der Straße, sagt der Schriftsteller Jan-Philipp Sendker. "Am Ende riskieren die alle ihr Leben." Ähnliche Aufstände in den Jahren 1989 und 2007 seien brutal niedergeschlagen worden.

Deutscher Bestseller-Autor in Myanmar

Sendker war oft in Myanmar, er hat viele Kontakte dort und: Seine Romane werden von den Menschen dort gelesen, denn sie behandeln die Zeitgeschichte des Landes. Sie basieren auf eigenen Recherchen des ehemaligen "Stern"-Reporters.
Als Ausländer habe er wohl eine größere Freiheit zu publizieren, meint Sendker. Derzeit sorgt er sich allerdings sehr um seine Verlegerin und seinen Übersetzer.
"Die sitzen alle auf gepackten Taschen, weil sie natürlich Angst haben, dass morgen die Sicherheitspolizei vor der Tür steht. Das ist für mich ein schreckliches Gefühl, dass ich eventuell mit dem, was ich geschrieben habe, Menschen in Gefahr gebracht habe."
Sendker berichtet von einer Lesereise im Jahr 2017, bei der offen über die Brutalität der Militärs gesprochen wurde:
"Da ging es um das Thema Minensucher. Das Militär hat oft junge Männer aus Dörfern entführt und sie als lebendige Minensucher benutzt. Es hat die Männer dann über die Felder geschickt. Wenn da eine Mine lag, sind sie draufgetreten, die Mine ist explodiert, der Mann war tot."

Offene Diskussionen waren möglich

Eine junge Frau habe nach einer Lesung von ihm wissen wollen, ob er sich das ausgedacht habe.
"Nein, das ist recherchiert, das hat das Militär gemacht, habe ich gesagt. Und dann wurde darüber diskutiert."
Myanmar sei lange abgeschottet gewesen, habe sich dann geöffnet. "Die Angst war aus den Gesichtern der Menschen verschwunden", sagt Sendker. In diesem Gefühl sei die Jugend aufgewachsen, die jetzt protestiere.
"Da habe ich das Gefühl, dass sie glauben, dass das Militär es nicht wagen wird, die Zeit zurückzudrehen, dass es nicht schießen wird. Die haben da eine Euphorie, einen Glauben an die Kraft der Demonstration, an die Kraft der Masse."

Ältere kennen das Gefängnis

Die Älteren seien resignierter, beobachtet er bei Freunden, "aber auf der anderen Seite mit einer unglaublichen inneren Kraft".
Viele Menschen in seinem Alter - ab sechzig aufwärts - seinen schon acht, zehn, manchmal fünfzehn Jahre im Gefängnis gewesen.
"Die sind schon gefoltert worden, die haben das alles schon erlebt. Und einer schrieb mir jetzt: ‚Ich weiß, sie werden kommen und mich abholen. Sie können mich festnehmen, aber mein Herz ist frei.‘"
(huc)

Die "Burma-Trilogie" von Jan-Philipp Sendker ist bei Heyne verlegt worden:

Das Herzenhören: Roman (Die Burma-Serie, Band 1 - erschienen 2002)
Herzenstimmen: Roman (Die Burma-Serie, Band 2 - erschienen 2012)
Das Gedächtnis des Herzens: Roman (Die Burma-Serie, Band 3 - erschienen 2013)

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