Nach Coronafall in Baptistengemeinde

Hessen prüft Schutzregeln für Gottesdienste

04:56 Minuten
Kirchenbesucher mit gefalteten Händen zwischen Kirchenbänken
Zusammenkommen mit Abstand: Für Gottesdienste gelten in Corona-Zeiten besondere Regeln. © picture alliance/dpa/Christoph Schmidt
Von Ludger Fittkau · 25.05.2020
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Mehr als 100 Besucher eines Gottesdienstes in Frankfurt haben sich mit dem Coronavirus infiziert. Nach Aufklärung des Falls könnte Hessen die Verordnung für Gottesdienste ändern. Namenslisten könnten dann Pflicht werden.
Wenn die über 100 Gläubigen der Baptistengemeinde in Frankfurt am Main sich tatsächlich beim gemeinsamen Essen nach dem Gottesdienst angesteckt haben, könnten sie damit gegen die Corona-Verordnung des Landes Hessen verstoßen haben, wie Hessens Gesundheitsminister Kai Klose von den Grünen erklärt:
"Wir haben ja in unserer Verordnung klare Regel für Gottesdienste und religiöse Zusammenkünfte. Da geht es um Mindestabstand, da geht es auch darum, dass Gegenstände nicht entgegengenommen und anschließend weitergereicht werden dürfen. Gegenstände wären zum Beispiel ja auch Nahrungsmittel. In Großen und Ganzen sind die Regeln sehr klar. Ich kann natürlich nicht sagen, weil ich nicht dabei war, inwieweit sich an die Regeln gehalten wurde."

Kritik von Gesundheitsämtern

Eine Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Treffens in der deutsch-russischen Baptistengemeinde wurde wohl auch erst im Nachhinein erstellt, so der hessische Gesundheitsminister. Bisher sind Namenslisten in hessischen Gottesdiensten auch nicht zwingend vorgeschrieben. Das stößt bei örtlichen Gesundheitsämtern auf Kritik, die im Falle eines Virenausbruchs die Kontaktketten nachvollziehen müssen. "Die meisten Bundesländer haben keine verbindlichen Listen", sagt Klose. "Wir müssen uns jetzt genau anschauen, wenn wir diesen Fall dezidiert aufgeklärt haben, inwieweit dann eine Bewertung vorzunehmen ist, ob und wie gegebenenfalls dann im Einzelfall Konsequenzen zu ziehen sind oder ob das eine Sache ist, die über den Einzelfall hinausgeht. Wir haben ansonsten, was Gottesdienste und religiöse Versammlungen angeht, ja keine größeren Ausbruchscluster gehabt."

Singen verboten

Das ist wohl auch der größten hessischen Religionsgemeinschaft, der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) zu verdanken. Sie zählt etwa 1,5 Millionen Angehörige in mehr als 1000 Kirchengemeinden. Die Kirche erstreckt sich über Südhessen, Teile von Rheinland-Pfalz bis hin zu einigen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Die Baptisten-Gemeinde in Frankfurt am Main gehört als Freikirchliche Gemeinde nicht zur EKHN.
In der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau habe man "das Problem der Aerosole", also der leichten Schwebeteilchen in der Luft, die nach dem Ausatmen noch sehr lange in der Luft schweben, "von Anfang an sehr stark im Blick" gehabt, sagt Pressesprecher und Pfarrer Volker Rahn. "Und zum Leidwesen vieler Gemeinden haben wir deshalb nämlich von Anfang an auch das Singen verboten und den Mundschutz verpflichtend gemacht. Das gefällt vielen Gemeinden nicht. Die Vorfälle jetzt in der Baptistengemeinde – es könnte sein, dass die tatsächlich auch mit den Aerosolen zu tun haben. Das hat uns im Nachhinein jetzt leider Recht gegeben: Strengere Maßnahmen!"

Von Kirchencafés abgeraten

Auch von Zusammenkünften nach dem Gottesdienst wie gemeinsamen Mahlzeiten rät die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau dringend ab.
"In vielen Gemeinden ist ja das Kirchencafé bei uns auch gute Sitte", sagt Rahn. "Und man unterhält sich informell und bleibt nach dem Gottesdienst noch stehen. Und wir haben die Gemeinden in dieser schwierigen Corona-Situation eindringlich gebeten: Macht bitte im Moment keine Kirchencafés. Geht nach dem Gottesdienst am besten auch durch einen anderen Ausgang ohne lange Schlange stehen nach Hause. So leid es uns tut. Es kommen auch wieder andere Zeiten, wo wir uns wirklich körperlich auch begegnen und näher kommen können - auch eine harte Sache für uns. Aber wir haben die Gemeinden gebeten: 'Bitte trefft Euch nicht informell nach dem Gottesdienst! Geht nach Hause!'"

"Bitte führt Listen"

Die EKHN bittet ihre Gemeinden überdies dringend darum, auch ohne staatliche Vorgabe Listen über Gottesdienstbesucherinnen und -besucher zu führen. Das soll bei möglichen Infektionen die Nachverfolgung der Kontaktpersonen erleichtern.
"In Hessen steht in den Verordnungen, dass man mögliche Infektionsketten nachverfolgen muss. Es besteht aber keine Pflicht für Gottesdienste, Namen zu dokumentieren. Wir haben gerade letzte Woche nochmal unseren Gemeinden dringend empfohlen und haben dringend angemahnt: Sie sollen bitte Listen führen, wer am Sonntag zum Gottesdienst gekommen ist. Wir haben sogar wunderschön gestaltete Namenslisten verschickt, wo draufsteht: Herzlich willkommen zum Gottesdienst, und das man sich unten eben eintragen kann. Also bei uns ganz klare Ansage an die Gemeinden: Bitte - auch wenn es nervt und schwierig zu sein scheint - führt Listen! Es ist wichtig."
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