Nach Blatter-Rücktritt

Wird die FIFA jetzt sauber?

Fifa-Zentrale in Zürich
Fifa-Zentrale in Zürich © dpa/picture-alliance/Steffen Schmidt
Von Thomas Wheeler · 03.06.2015
Es ist naiv anzunehmen, der Korruptionssumpf um die FIFA-Funktionäre ließe sich trockenlegen, wenn Blatter weg ist. Denn es wird sich nichts ändern, solange der Weltfußballverband wie eine sizilianische Gangsterfamilie agieren kann.
Jetzt atmen sie also alle auf und feixen sich einen, die, die vorher jahrzehntelang ziemlich beste Freunde von Sepp Blatter waren und vielleicht sogar im Allerwertesten des 79-Jährigen steckten.
Vor allem die heuchlerische UEFA spielt sich auf einmal als Retter des Weltfußballs auf, und das, obwohl sie bisher immer ein Bremser war und ihr Chef, Michel Platini, ein Zögling Blatters ist.
Warum ist Blatter am letzten Freitag eigentlich noch einmal angetreten, wenn er wenige Tage später zurücktritt, darüber rätseln jetzt Viele. Thomas Kistner, Sportredakteur bei der "Süddeutschen Zeitung" und FIFA-Kenner, heute morgen bei uns im Programm, hat dafür seine ganz eigene Erklärung:
"Damit er nämlich im Präsidentenbüro diese Zeit, die es jetzt noch gibt - mögen dies jetzt vier Monate sein, sechs Monate oder acht - alles regeln kann, so wie er sich das vorstellt, und so wie es auch sein Vorgänger getan hat, Joao Havelange. Er hat ihm ja auch den Schlüssel übergeben. Blatter hat dann dafür gesorgt, dass Havelange doch sehr, sehr lange Zeit nicht behelligt wurde. Am Ende hat es nicht ganz gereicht, nachdem dann doch Ermittlungen eingesetzt sind. Also, das ist glaube ich der wichtige Punkt."
Doch wird nun alles besser, wenn sich der Schweizer nach 34 Jahren als Generalsekretär und Präsident der FIFA ins Privatleben zurückzieht und endlich einen Film nach dem anderen auf seiner geliebten Kinoanlage in seinem Züricher Domizil gucken kann?
Das System ist faul - nicht nur an einer Stelle
Nur Naive mögen dies denken und hoffen, also Menschen, die glauben, der Korruptionssumpf ließe sich trockenlegen, wenn der Kopf der Schlange abgeschlagen wird. Aber es wird sich gar nichts ändern, solange der Weltfußball-Verband wie eine sizilianische Gangsterfamilie agiert und ihre Angehörigen sich einem Schweigegelübde verpflichten. Das ganze System ist nämlich faul.
Thomas Kistner: "Es ist natürlich ein Kernproblem gelöst, weil damit 34 Jahre Blatter-Regentschaft zu Ende gehen. Das muss man klar sagen, und das ist dann schon das Ende einer Kultur. Ein Stück weit zumindest. Aber zum Einen sind die Leute, die übrigbleiben, natürlich großenteils dem alten Blatter-Regime zuzurechnen. Da gibt es immer noch Vernetzungen und Verästelungen, die sehr weit reichen und diese Kultur mitgetragen haben."
Also vor allem die Mitglieder des Exekutiv-Komitees mit seinen 25 Vertretern, inklusive Präsident, die von den Kontinental-Verbänden nach einem festen Schlüssel ernannt werden. Diese bestimmen die Chefs und Mitglieder der ständigen Kommissionen und Rechtsorgane der FIFA.
Der Weltfußball-Verband zahlt den Mitgliedern des Exekutiv-Komitees bislang 100.000 Dollar pro Jahr als sogenannte Aufwandsentschädigung. Was man wissen muss: Der Steuersatz im Bereich Zürich beträgt für sie nur zehn, statt der üblichen 25 Prozent. Alle ihre Kosten übernimmt die FIFA. Sie sind die Verbindungsleute in Präsidentenpaläste und Parlamente, zur Hochfinanz- und Werbewirtschaft. Also unbezahlbare Kontakte für den Milliarden-Konzern.
Finanzielle Hilfen gegen Wählergunst der Funktionäre kleiner Verbände
Thomas Kistner: "Wie wird man künftig für eine externe Kontrolle sorgen? Das ist das Wichtigste, was diese FIFA braucht. Irgendein externes Kontrollorgan. Das ist ein Großteil der globalen Unterhaltungsindustrie mittlerweile. Die darf sich nicht selber kontrollieren."
Thomas Kistner spricht damit ein Hauptproblem an. Solange die 209 Mitgliedsverbände gleichberechtigt den mächtigsten Mann im Weltfußball wählen können, werden Funktionäre weiter für Korruption und Bestechung empfänglich sein. Vor allem aus den Ländern, die auf finanzielle Entwicklungshilfe meinen nicht verzichten zu können.
Ob bei der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 an Katar Schmiergelder gezahlt wurden, prüft seit kurzem die Schweizer Bundesanwaltschaft.
"Wenn man da noch fündig wird, und da spricht ja nun nicht allzu viel dagegen, dann kann das eine ganz heikle Situation werden, wobei die Frage ist, ob man, selbst wenn es Belege gäbe für entsprechende Bestechungen, selbst wenn das auf dem Tisch läge, wie das dann juristisch zu handeln ist, ob man auf der Grundlage dann wirklich sagen kann, Neuvergabe oder wie dann zu verfahren ist. Also, das ist eine hochkomplexe Geschichte. Was man glaube ich schon jetzt sagen, ist, dass der Weltfußball zwei ziemlich freudlosen WM-Veranstaltungen entgegen geht."
Und trotzdem werden die Medien wie bisher auch im großen Stil berichten, Politiker als wetteifernde Oberjubler auf den Tribünen sitzen und die Fans vor dem Fernseher die Spiele verfolgen. So als sei gar nichts geschehen.
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