Muslimischer Tischler

Ein Stuhl für den Papst

Papst Franziskus ist anlässlich seiner Generalaudienz auf dem Petersplatz in der Vatikanstadt am 26. November 2014.
Papst Franziskus reist im Juni nach Bosnien. © imago/Independent Photo Agency
Von Stephan Ozsváth · 18.05.2015
Die Details sind geheim, so viel wird allerdings verraten: Papst Franziskus wird am 6. Juni der erste sein, der in dem eigens für ihn gefertigten Stuhl aus Nussholz sitzen wird. Dafür bürgt der muslimische Tischlermeister aus Bosnien persönlich.
Die kleine Werkstatt im zentralbosnischen Zavidovici ist winzig, eine kleine Garage. Es riecht nach Holz. Tischlermeister Salem Hajdarevac bearbeitet eine Holzschale mit Reliefkreuz
"Eines Abends gucke ich die Nachrichten. Und da höre ich, dass der Papst nach Bosnien kommt. Da schoss mir durch den Kopf: Es wäre doch gut, wenn wir für den Papst den Stuhl machen."
Er holt seinen Sohn ins Boot und den örtlichen Pfarrer. Sitzen wird Papst Franziskus am 6. Juni in Sarajevo auf dem Stuhl. Mit einer Messe will er ein Zeichen für Frieden und Versöhnung setzen. Im Sommer jährt sich zum 20. Mal das Massaker von Srebrenica. Serbische Truppen massakrierten damals etwa 8000 Muslime. Auch die 40.000 Einwohner-Stadt Zavidovici hat bis heute zu leiden. Auch hier gab es Tote. Und von der Holzindustrie ist nicht viel übrig geblieben. Jetzt wird das Städtchen berühmt – dank des Papststuhls. Pfarrer Miro Beslic sagt:
Einmal keine negativen Schlagzeilen
"Im Vergleich zum Papstbesuch in Bosnien-Herzegowina selbst ist das von keiner großen Bedeutung. Aber dieses welke Zavidovici wird etwas aus der schmutzigen Wirklichkeit, den negativen politischen Schlagzeilen herausgehoben. Auf einmal geraten wir in die Weltöffentlichkeit – das bedeutet viel für Zavidovici, für alle Bewohner, nicht nur die Katholiken."
Die etwa 1000-köpfige katholische Gemeinde des Ortes zahlt eine Hälfte des Sitzmöbels für den Papst, die andere stiften die Tischler selbst. Dass gläubige Muslime einen Stuhl für das Oberhaupt der Katholiken fertigen – für den Geistlichen aus Zavidovici ist das nicht ungewöhnlich.
"Mich wundert, dass sich so viele darüber wundern. Ich denke: Jede Gemeinschaft , – ob religiös, politisch oder sonst was – die sich abschottet, geht zugrunde. Damit der Mensch oder eine Gemeinschaft leben können, müssen sie sich öffnen."
Wie der Papst-Stuhl letztlich aussehen wird, das ist ein streng gehütetes Geheimnis. Zu sehen bekommt ihn keiner. Nur soviel ist klar: Das Wappen des Franziskus wird ihn zieren. Er wird etwas größer sein als ein normaler Stuhl. Und, so der Tischlermeister Salem:
"Der Stuhl ist aus Nussholz erster Klasse. Aus 15 Kubikmeter Holz haben wir das beste für den Stuhl ausgewählt. Das Holz stammt aus der Gegend hier – aus Seher, das ist ein kleiner Ort in der Nähe."
Der Papst wird als erstes darauf sitzen
Bis Ende Mai wird der Stuhl fertig sein, verspricht der Holzschnitzer. Kein alltäglicher Auftrag, obwohl das Familienunternehmen Erfahrung mit religiösen Objekten hat: Die Familie Hajdarevac fertigt viele Gegenstände aus Holz für die Wallfahrtsorte Medugorje und Lourdes, aber auch das Interieur von Kneipen. Für den 60-jährigen Salem Hajdarevac ist der Papststuhl die Krönung seines Berufslebens, sagt er.
"In diesen Stuhl habe ich all meine Liebe gesteckt. Meine Zeit. Alles, was ich habe. Das alles steckt in diesem Stuhl. Ihn zu bauen, ist für mich eine Ehre."
Und noch etwas ist Ehrensache für Muslim Hajdarevac.
"Der Papst wird der erste sein, der den Stuhl ausprobiert. Ich garantiere mit meinem Kopf, dass sich niemand vorher darauf setzt. Bei meiner Ehre. Und ich halte mein Wort."
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