Musiktage Hitzacker

Klavier lernen von den Besten

Der Hamburger Pianist Henning ‎Lucius und seine Schülerin Hiltraut Deckert bei den "Sommerlichen Musiktagen Hitzacker".
Der Hamburger Pianist Henning ‎Lucius und seine Schülerin Hiltraut Deckert bei den "Sommerlichen Musiktagen Hitzacker". © Deutschlandradio - Axel Schröder
Von Axel Schröder · 30.07.2015
Während der Sommerlichen Musiktage in Hitzacker kommen auch Hobbymusiker zum Zuge: Sie können sich um Unterricht bei Profis wie dem Pianisten Henning Lucius oder dem Konzertmeister Florian Donderer bewerben. Das erfordert zwar Mut, doch es lohnt sich.
Durch das offene Fenster dringt die Musik ins Freie. Am Ortsrand von Hitzacker an der Elbe, direkt am Wald, lassen sich Musik-Enthusiasten darauf ein, vor Profis zu spielen, die eigene Unfertigkeit zu zeigen. Einer dieser Profis, die im Rahmen der "Sommerlichen Musiktage Hitzacker" Laien unterrichten, ist der Hamburger Pianist Henning Lucius.
"Es ist immer wieder insofern eine aufregende Situation, als man nie weiß, was derjenige mitbringt. Und auf was man sich einstellen muss. Wie flexibel derjenige ist. Ob er selber schon umgehen kann mit Aufregung, mit neuen Anregungen. Aber das sind die wirklich unglaublich aufnahmebereit. Und alle, die hierher kommen, sind ja von vornherein eigentlich interessiert an diesen Überraschungen, wenn man so will."
Lucius' Schülerin ist an diesem Nachmittag Hiltraut Deckert. Eine ältere Dame aus Düsseldorf. Sehr aufgeregt, das Lampenfieber. Ganz in Schwarz, mit einer schweren silbernen Halskette sitzt sie auf dem Klavierhocker in einem kleinen Saal am Flügel. Neben ihr ein lässiger Henning Lucius. In T-Shirt und Turnschuhen.
"Wie wollen wir vorgehen? Wollen Sie den Satz ganz spielen?"
"Ja, wäre mir ganz lieb."
"Ohne Wiederholung einmal?"
"Ja, gut! Es könnte sein, dass ich zwischendurch patze…"
"Kein Problem!"
"Weil mir das Instrument doch noch sehr fremd ist."
"Zeigen Sie mal, was Sie können!"
Hiltraut Deckerts Finger gleiten über die Tasten, spielen Beethovens "Trio" von 1794. Rechts neben ihr sitzt Henning Lucius, folgt der Musik, steht ab und zu auf, übernimmt das Umblättern.
"Das ist großer Mist!"
"Nein! Gut! Bravo!"
"Nee. Das war nichts…"
"Lassen Sie mal. Zerfleischen Sie sich nicht so. Erstmal: Wie ging es Ihnen jetzt damit?"
"Schlecht! Da waren immer Töne, die mit am Anfang gar nicht gefielen! Das 'piano' war kein 'piano'. Und ich fühlte mich unsicher, durch und durch unsicher!"
"Trotzdem: Was ich erlebt habe, war, dass Sie eine Kämpferin sind. Und Sie sind durch das Stück durchgegangen, egal, was passiert. Und das ist ganz, ganz toll!"
Anschlag und Atemlosigkeit - daran kann man arbeiten
Henning Lucius macht ihr Mut. Natürlich kann Hiltraut Deckert Beethoven spielen, sogar das so anspruchsvolle "Trio". Nur ihr ab und an zu heftiger Anschlag, ihre Atemlosigkeit - daran könne sie noch arbeiten. Auch zwischen einzelnen sechzehntel Noten darf sie – wenn auch kleine – Pausen machen. Henning Lucius greift sich einen Bleistift, markiert ihr die Stellen:
"Ich male mir das sogar so in die Noten, dass ich a so einen senkrechten Strich mache. Dass Sie sich erlauben, sich jetzt Zeit zu nehmen. Richtig eine Pause machen: Tadadadidadada… Probieren Sie mal!"
Hiltraut Deckert vergisst ihr Lampenfieber, ihren Anspruch, möglichst fehlerfrei das Stück durchzuspielen. Lernt zu Atmen zwischen den Takten. Schon vor Wochen hat sie sich um den Unterricht, drei Stunden insgesamt, beworben. Hat aufgeschrieben, wie lange sie schon spielt, was sie spielen kann, wohin sie will. - Genauso wie Joachim Klein und Gunnar Marwege, die einen Raum weiter neue Anstöße für ihr Duo aus Cello und Geige bekommen wollen.
Marwege: "Das ist ganz toll, mal einen Blick von Außen zu bekommen, jemanden, der sich das ansieht und sagt: Aha, mir fällt Folgendes auf: verändern Sie mal Ihre Haltung an dieser Stelle! Oder: Bedenken Sie mal, wie Sie diese Passage eigentlich meinen wollen… Das sieht ein Profi sofort. Und kann einem dann Tipps geben und weiterhelfen, wo man sich alleine vielleicht wochenlang quälen würde und gar nicht besser würde."
Professioneller Blick, hilfreiche Tipps
Und tatsächlich braucht Florian Donderer, der Konzertmeister der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, nicht lange, um erste Ratschläge geben zu können. Auch er ist, ganz anders als seine Schüler, ganz lässig gekleidet, mit Sweatshirt und Turnschuhen. Er steht vor den Musikern, schaut nach unten, konzentriert sich. Und unterbricht die beiden:
"Können wir nochmal vom Geigen-Solo aus starten? Dadadadadadam… Und wenn das unten losgeht mit Didodidodido, dass Sie dann mal checken, während Sie spielen, ob Sie einigermaßen gleich schwingen. Es muss nicht gleich zusammen sein, sondern wir müssen gucken, ob wir den gleichen Puls haben. Einmal von diesem Bodudidodidi!"
Florian Donderer wiegt den Oberkörper von einer Seite zur anderen. Erst nur ein bisschen, dann etwas stärker. Und ein bisschen davon überträgt sich auch auf Joachim Klein und Gunnar Marwege. Aber eben nur ein bisschen:
"Machen wir noch einmal die gleiche Stelle? Eins, zwei, drei…"
Die beiden nicken. Sind wieder vertieft. Und vergessen dann Stück für Stück die Gedanken an ein perfektes Timing, an perfekt gespielte Noten. Gehen aufeinander ein und staunen, wie der Blick von außen, die Erfahrung des Profis ihr Spiel verändert.
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