musikfest berlin

11.09.2011
Wolfgang Rihm und Luigi Nono verband in den letzten zehn Lebensjahren Nonos eine intensive, gegenseitig bereichernde Freundschaft. Über Nono sagte Rihm einmal: "Der Komponist Luigi Nono war für mich ein großer Eröffner, ein großer Offenmacher, keiner, der mit Definition bedeckt lässt, sondern einer, der im nächsten Moment woanders hindeutet, wo vorhin noch gar nicht hingedeutet werden konnte, wo plötzlich eine Möglichkeit entstand. ...
... Und die zu sehen, und mit ganz entfernten Möglichkeiten sie zusammenzusehen [!], das ist eine ungeheure Fähigkeit, von der ich sehr viel gelernt habe."

Nach Nonos Tod schrieb Wolfgang Rihm in rascher Folge insgesamt fünf Werke, die dem verstorbenen Freund gewidmet sind: "Jede In-memoriam-Musik gestaltet mit jedem Ton ihre Vergeblichkeit und so ihr Trotzdem-Dasein. Vor allem, wenn sie benannt wird. Nachgerufen? Nein, eher weitergesprochen, weitergesponnen da, wo ein Gespräch, Lebenszug, -fäden, -wege einseitig unter Bruch gesetzt werden. Versuch, die Beidseitigkeit wiederherzustellen oder weiter ins Leere zu sprechen …", kommentierte Wolfgang Rihm seine Werkreihe.

Der Titel des 5. Versuchs mit dem Titel "La lugubre gondola" (Das Eismeer) ist eine Anspielung auf eine die Klavierkomposition "La lugubre gondola" von Franz Liszt, die zum Trauergesang auf den Freund Richard Wagner wurde. Außerdem bezieht sich Rihm auf Caspar David Friedrichs Gemälde "Das Eismeer", Chiffre für gescheiterte Hoffnungen und Utopien mit Blick auf den politisch engagierten, überzeugten Sozialisten Luigi Nono.

"Luigi Nono ist für mich ja auch in einer ganz umfassenden Weise ein verehrtes Vorbild, weil er für mich der genuine Typus des suchenden, scheiternden, ganz sicheren, ganz unsicheren Künstlers ist", hat Wolfgang Rihm einmal in einem Interview gesagt. In seinem letzten Musiktheaterstück beschäftigte sich Nono mit dem Prometheus-Mythos. Nach Nonos Tod setzte sich auch Rihm, der Luigi Nonos "Prometeo" als ein Schüsselwerk auf dem Weg zu neuartigen Formen dramatischer Musik betrachtet, mit der Figur des Prometheus auseinander. Sein Werk "Raumauge" verarbeitet den Schlussmonolog des Prometheus aus der Tragödie des Aischylos.

Für "Mnemosyne" zog Wolfgang Rihm die nach der griechischen Göttin des Erinnerns und Mutter der Musen betitelte Hymne des späten Friedrich Hölderlin heran. Der Akt der Erinnerung, das Reflektieren des Vergangenen, ist ein zentrales Moment in vielen Werken Luigi Nonos, nicht zuletzt auch in "Prometeo".
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musikfest berlin
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 9.9.11


Wolfgang Rihm
"Raumauge - Schlussmonolog des Prometheus"
für gemischten Chor und 5 Schlagzeugspieler

"Astralis - Über die Linie III" für kleinen Chor, Violoncello und 2 Pauken

"abgewandt 2 - Musik in memoriam Luigi Nono (3. Versuch)" für 14 Instrumentalisten

"Umfassung - Musik in memoriam Luigi Nono (4. Versuch)" für Orchester in 2 Gruppen

ca. 21:15 Uhr Konzertpause mit Nachrichten

Wolfgang Rihm
"La lugubre gondola / Das Eismeer - Musik in memoriam Luigi Nono (5. Versuch)" für 2 Orchestergruppen und 2 Klaviere

"Mnemosyne" für hohen Sopran und Ensemble


Anna Prohaska, Sopran
Benjamin Kobler, Klavier
Ulrich Löffler, Klavier
RIAS Kammerchor
Leitung: Hans-Christoph Rademann
musikFabrik
Leitung: Martyn Brabbins