Musikfest Berlin

Lieder und Tänze der Erde

Der Dirigent Daniel Harding
Der Dirigent Daniel Harding © Matthias Ahlm/Sveriges Radio
13.11.2015
"Das Lied von der Erde" und "Earth Dances" - mit irdischen Hauptwerken von Gustav Mahler und Harrison Birtwistle hat sich das Schwedische RSO unter seinem Chefdirigenten Daniel Harding beim Musikfest Berlin präsentiert.
"Panic" heißt ein Werk von Harrison Birtwistle, das 1995 in der Londoner Royal Albert Hall im Rahmen der populären "Last Night of the Proms" seine aufsehenerregende Uraufführung erlebte. Das offenbar furchterregende Stück des 1934 geborenen Nordengländers trug seinen suggestiven Titel nicht im umgangssprachlichen Sinne, sondern gemeint war damit der Pan der griechischen Mythologie. Auch wenn sich Birtwistle seit dem Ritterschlag 1988 Sir Harrison nennen darf, auch wenn er seit langem zu den angesehensten Komponisten seiner Generation zählt: Die archaische Härte seiner Musik ist geblieben – und erst recht in den Werken, in denen sich Birtwistle explizit mit der Natur auseinandersetzt. Diese gilt ihm als "die Hölle auf Erden". Gustav Mahler, der seine Dritte Sinfonie ursprünglich mit "Pan" überschrieb, formulierte es einmal so: "Mich berührt es ja immer seltsam, daß die meisten, wenn sie von "Natur" sprechen, nur immer an Blumen, Vöglein, Waldesduft etc. denken. Den Gott Dionysos, den großen Pan kennt niemand." Sein "Lied von der Erde" konzipierte Mahler, einem Brief an Bruno Walter zufolge, in einem Zustand "panischen Schreckens".
Das Programm, das das Schwedische Radio-Sinfonieorchester unter seinem Chefdirigenten Daniel Harding beim Musikfest Berlin spielte, stellt diejenigen Werke Birtwistles und Mahlers einander gegenüber, die die "Erde" im Titel tragen: Die "Earth Dances" als Prototyp einiger "wilder", einsätziger Orchesterwerke Birtwistles von rund einer halben Stunde Spieldauer; "Das Lied von der Erde" als späte Verbindung der beiden von Mahler fast ausschließlich berücksichtigten Gattungen Lied und Sinfonie. Beide Werke nehmen die Natur in den Blick, wobei Birtwistle offensichtlich eine Natur vor der Menschheit darstellt, während bei Mahler die letzten Menschen aus der Natur zu flüchten scheinen – ihnen war "auf dieser Welt das Glück nicht hold", wie es im programmatischen Lied "Der Abschied" heißt. Theodor W. Adorno verglich den Blick des Menschen auf die von Mahler besungene Erde mit der Perspektive des Raumfahrers, der unseren Planeten als einen Stern unter vielen betrachtet.
Musikfest Berlin
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 15. September 2015
Harrison Birtwistle
"Earth Dances" für Orchester
Gustav Mahler
"Das Lied von der Erde"
Eine Symphonie für eine Tenor- und eine Altstimme und Orchester
Anna Larsson, Alt
Michael Schade, Tenor
Sveriges Radios Symfoniorkester
Leitung: Daniel Harding