Musikerin Noga Erez

"Ich habe das Vertrauen in jede Autorität verloren"

Noga Erez bei einem Konzert in Hannover im Juni 2018
Die Welt geht moralisch den Bach runter: Noga Erez © imago / C. Niehaus
Von Dirk Schneider · 17.08.2018
In ihren elektronischen Popsongs formuliert die israelische Musikerin Noga Erez Kritik an der israelischen Regierung und Gesellschaft. Sie ist beim Pop-Kultur-Festival in Berlin zu Gast. Hier fühlt sie sich sehr zu Hause.
Die israelische Musikerin Noga Erez hat viel Aufmerksamkeit bekommen, seit letzten Sommer ihr Debütalbum "Off The Radar" beim Berliner Label City Slang erschienen ist. Zu tanzbaren elektronischen Popsongs verhandelt sie Kritik an der israelischen Regierung und Gesellschaft, prangert Korruption, Bürokratie und Machtmissbrauch an.
Wenn Noga Erez jetzt beim Pop-Kultur Festival in Berlin auftritt, hat sie noch kein neues Album im Gepäck, aber doch neue Songs dabei. Einer ist gerade als Single erschienen, "Bad Habits". Der düstere Song ist ein Flehen an die Mutter, sie möge einem helfen, aus einer ausweglosen Situation voller Trümmer, Blut, Wunden, Schlamm, Scherben …
Man könnte glaube, hier spreche das Opfer eines Bombenanschlag. Im Refrain heißt es "I'm no one but who the fuck are you" – das könnte an einen Attentäter gerichtet sein. Doch Noga Erez weist diese Lesart weit von sich, auch wenn sie sich immer wieder über eigene Interpretationen ihrer Hörer*innen freut:
"Es handelt sich um eine sehr persönliche Geschichte. Hier spricht jemand, der alle Hoffnung verloren hat und sich an die eigene Mutter richtet, die doch eigentlich die Person ist, die einen aus dieser Lage retten sollte. Aber natürlich ist auch das hoffnungslos. Es geht hier um kein bestimmtes Thema sondern darum, einen völlig verzweifelten Seelenzustand zu beschreiben. Wenn man sich an eine Elternfigur wendet, weil man das Vertrauen in jedes System verloren hat."
Ist das ein Seelenzustand, der Noga Erez vertraut ist?
"Ich habe schon manchmal das Gefühl, dass ich das Vertrauen in jede Autorität verloren habe, die sich eigentlich um mein Wohl kümmern sollte und darum, wohin es mit der Welt geht. Ich weiß nicht, ob es ein totaler Verlust in alle Systeme ist, aber es ist doch eine graduelle Entwicklung. Und ich glaube, wir spüren alle diese Stimmung, dass die Welt moralisch den Bach runtergeht und die alten Autoritäten versagen. Aber rational gesehen ist es vielleicht noch nicht ganz so schlimm."

Die Berliner Mischung

Noga Erez hat immer sehr offen und direkt auch über die politische Lage Israels gesprochen. Nach einem Jahr, in dem sie im Anschluss an ihre vielbeachtetes Debüt sehr viele Interviews gegeben hat, ist sie allerdings etwas müde, sich dazu zu äußern. Die politische Lage habe sich kaum verändert, und sie habe gesagt, was sie zu sagen habe. Sie habe durch viele Interviews aber auch gelernt, sich besser zu äußern.
Noga Erez lebt in Tel Aviv, der Musikhauptstadt Israels. Die deutsche Musikmetropole Berlin, in der auch ihr Label City Slang beheimatet ist, könne man mit Tel Aviv aber nur sehr schwer vergleichen. In Berlin fühle sie sich immer sehr zu Hause. Wie Tel Aviv sei Berlin auch eine kosmopolitische Stadt. Tel Aviv sei dies aber schon seit den frühen 50er-Jahren, und die multikulturelle Mischung dort sei doch anders geprägt, da sie vor allem aus Menschen bestünde, die dort eine neue Heimat gefunden hätten. Der große Unterschied sei aber, dass in Tel Aviv jeder Aspekt der Kultur von der besonderen Situation Israels geprägt sei, und dazu gäbe es in Berlin kein Pendant.
Für Israel, sagt Noga Erez, habe sie viele Wünsche. Ihr größter Wunsch sei aber eine neue Regierung, deren Ziel der Frieden sei.
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