Musik & Wahlkampf

Eine kleine Geschichte der US-Wahlkampfsongs

Hillary Clinton im Wahlkampf in Pittsburgh, Pennsylvania, USA.
Demokratin Hillary Clinton im Wahlkampf: Die Musikerin Katy Perry hat Clinton angeboten, einen Song für ihren Präsidentschaftswahlkampf zu schreiben. © dpa / picture alliance / Michael Reynolds
Von Achim Heppelmann · 13.07.2016
Box-Kampf, Super-Bowl, Wahlkampf. Großveranstaltungen funktionieren nicht ohne laute Boxen und viel Musik. US-Präsidentschaftskandidaten müssen sich daher gut überlegen, wen sie für sich singen lassen.
Happy Days Are Here Again: Mitten in der Weltwirtschaftskrise versuchte Teddy Roosevelt die Tür zum Weißen Haus mit der frechen Behauptung zu öffnen, dass die guten Tage doch wieder da seien! Und wurde mit der gesungenen Lüge glatt zum Hoffnungsträger. Danach griff er in die Wirtschaft ein wie kein Präsident vor oder nach ihm. Aber das hatte ja mit dem Song nicht zu tun!
Besonders in den USA sind Wahlkampflieder seit alters her beliebt - und nachweisbar seit 1824. Meist wurden sie von Sympathisanten verfasst, oder beliebte Gassenhauer wurden einfach umgedichtet, um das Nachsingen der Wahlbotschaften zu erleichtern.

Waaaahnsinnig süße Trickfilm-Spots

Als die Technik Einzug in den Alltag gehalten hatte, kam man in den 50ern des vorigen Jahrhunderts auf die Idee, die neue Generation von erschöpften Nachkriegs-Couch-Potatoes zuhause vorm Fernseher abzuholen - mit waaaahnsinnig süßen Trickfilm-Reklame-Spots: Für Ike Eisenhower zum Beispiel paradierten so ziemlich alle Lebewesen, die man aus den Cartoon-Fabriken kannte, mit Slogan-Plakaten durchs Bild und sangen die Kampagnenmelodie.
Der demokratische Gegenkandidat Adlai Stevenson vergaß auch nicht die verarmenden Bauern, die zwanzig Jahre vorher noch schöne Farmen besessen hatten – wie der alte McDonald.
Als die bunten Massenmedien völlig alltäglich ins Bewusstsein der Menschen eingezogen waren, boomte bald die Freude der einfachen Menschen an der Celebrity-Kultur, an Klatsch und Tratsch.

John F. Kennedy und Frank Sinatra

Die boulevard-taugliche Liaison zwischen Präsidentschaftskandidaten und Glamour versprühenden Popstars begann mit Jack Kennedy, wie John F. von Freunden genannt wurde, und dem überaus coolen Frank Sinatra.
Jeder wählt Jack, weil er das hat, was den andern abgeht: weil er große Pläne hat – High Hopes.
Dieses Lied war im Original für eine Frank-Capra-Filmkomödie geschrieben worden, in der Sinatra als Familienmann und Kinderfreund punktete.
Das Stück erhielt darauf 1960 einen Oscar in der Kategorie Bester Song – und wurde, um den Schwung der eingebauten Popularitätswelle auszunutzen, vom Capra-Texter höchstpersönlich flugs für den Kandidaten umgedichtet, der ja auch ein Kumpel von Frankie-Boy war.
Und für den Einsatz bei Versammlungen gab's auch noch mal einen eigenen putzigen Kennedy-Jingle - mit Mitsingcharakter!

Popsongs sollten Euphorie versprühen

Das Wesen der Wahlkampfsongs änderte sich dann aber, als schließlich die Rock- und Pop-sozialisierten Babyboomer zu Wählern herangewachsen waren: Da setzten Kandidaten dann auf fertige Popsongs als Euphorie- und Image-Vermittler.
Seit Bill Clinton - Saxophon, Joints, Blow-Job – ist die Popkultur so völlig normal ein Teil auch der präsidialen Alltagswelt geworden, dass Kandidaten sich blindlings darauf beziehen können: Das Geflecht von Symbolen, Haltungen und Emotionen, die an die Lieder und Stars der Charts gebunden sind, ist universell wirksam – und leicht zu beschaffen: Man muss nur ein beliebtes - und markiges - Stück eines beliebten - und markigen - Stars auf seinen Wahrveranstaltungen spielen, und schon springt der Sympathiebonus eben jenes beliebten - und markigen - Star-Images auf den Kandidaten über.
Zumindest scheint es so: Aber das kann auch ins Auge gehen – wie bei Ronald Reagan, der 1984 den Bruce Springsteens mannhaft vorgetragenes "Born In The USA" einsetzte – weil er die Anti-Kriegs-Botschaft gar nicht begriffen hatte. So was passiert öfters mal – wenn nicht gar den Kandidaten das Kidnapping und der Missbrauch der Stücke von deren Erfindern gar verboten wird! Donald Trump versuchte es mit Neil Young, R.E.M., Aerosmith und Adele - erntete aber nur Unterlassungserklärungen.

Obamas Playlist bei Facebook

Auch wenn Barack Obama beim letzten Mal die Titelliste der 29 Songs, die während Wahlkampfauftritten gespielt wurden, gleich mal als Playlist auf seiner Facebook-Seite eingestellt hatte – wobei für jeden etwas dabei war: von Arcade Fire über die damals brandneue Springsteen-Single bis zum programmatische Al-Greene-Klassiker Let’s stay together. Bei der Wahl davor hatte ein wahrer Star-Auftrieb ja noch ein Stück eigens für ihn eingesungen und –gesprochen.
Wahlkampfsongs dienen keinesfalls der Unterhaltung: Sie gehören zur PR - zur Kommunikation des Kandidaten mit dem Wahlvolk. Und wie groß die Machtressource durch die Pop-Connection ausfallen kann, lässt sich gerade heutzutage, im Zeitalter der sozialen Netzwerke, konkret ablesen: Da Katy Perry Hillary Clinton angeboten hat, einen Song für sie zu schreiben, und sich wo sie geht und steht für die Kandidatin einsetzt, könnten Perrys 54 Millionen Twitter-Fans bei den eigentlichen Wahlen den Rücken der Demokratin ordentlich stärken!
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