Musik vom Kap

Faszination südafrikanischer Jazz

Der Jazz-Musiker Abdullah Ibrahim ist während eines Auftritts zu sehen.
Der Jazzmusiker Abdullah Ibrahim auf einer undatierten Aufnahme. © picture-alliance / Manfred Rinderspracher
Von Thorsten Bednarz · 28.04.2015
In Südafrika gibt es eine große Jazztradition, die sich wieder großer Beliebtheit erfreut – nicht zuletzt wegen einer Vielzahl von neu aufgelegten Platten aus den 60er- und 70er-Jahren.
In den 60er- und 70er-Jahren war das Wörtchen Jazz auf dem ganzen afrikanischen Kontinent ein Synonym für eine musikalische Avantgarde, eine moderne Musik nach westlichen Vorbildern und jede dritte Band nannte sich Jazz. Doch echter Jazz wurde beinahe nur in Südafrika gespielt. Und hier spielte er eine nicht unerhebliche Rolle im Widerstandskampf gegen das Apartheidsystem.
Matthew Temple betreibt mit seinem Partner ein kleines Label in Südafrika und England, das sich auf die Wiederveröffentlichung solcher fast vergessener Schätze spezialisiert hat. Und er findet auch eine Begründung:
"Jazz war immer eine Form des künstlerischen Ausdrucks in Südafrika. Es ist die älteste Jazztradition ausserhalb der USA."
Temple: "Die erste wirklich urbanisierte und kosmopolitische schwarze Gemeinschaft in Südafrika in den 30er bis in die 50er Jahre verfolgte sehr genau, was in den USA passierte, wie schwarze Künstler sich ganz anders als weiße Musiker artikulierten. Der Jazz in den USA war ja auch immer ein wichtiger Ausdruck von künstlerischer Freiheit und viele Künstler wählten Jazz wegen der Möglichkeit dieses individuellen Ausdrucks außerhalb der Popmusik. Und in Südafrika war das ganz ähnlich. Aber mehr noch als das war es auch ein wichtiges Signal, dass sich die Künstler nicht als Teil des politischen Systems verstanden."
Batsumi. Wenn diese Band in den 70er Jahren in den Townships Südafrikas spielte, kamen bis zu zehntausend Menschen zusammen, um die Musiker zu hören. Doch in den 80er Jahren brach diese große Tradition des Jazz als schwarzer Musik in Südafrika nahezu komplett ab.
"Es gab eine sehr lebhafte und starke Jazzszene in den frühen 70ern doch dann wurden es immer weniger Clubs, in denen die Musiker hätten spielen können. Es gab große Anstrengungen, einige davon über die 80er Jahre hinweg zu retten. Aber das war sehr schwierig. In den frühen 90ern, als ich nach Südafrika zurück kehrte, gab es gerade einmal noch einen guten Jazzclub in Johannesburg. Und es braucht mindestens eine Generation, um das zu überwinden. Und das Grundproblem der neuen Generation sind immer noch die Auftrittsorte und andere Möglichkeiten zu spielen."
Doch so erfolgreich die neu aufgelegten Werke von Sathima Bea Benjamin, Batsumi und anderen südafrikanischen Musikern auch in Westeuropa oder den USA sind – die heutigen Jazzmusiker können keinen Profit daraus in ihrer Heimat ziehen. Ganz im Gegenteil, sie haben immer noch mit alten Vorurteilen aus den 70er und 80er Jahren zu kämpfen, wie Matthew Temple mir erklärte.
Temple: "Die Südafrikaner hatten schon immer einen Minderwertigkeitskomplex. Es gibt immer noch die Einstellung, daß der Jazz aus den USA besser sei als der in Südafrika gespielte. Und vieles von der Botschaft der schwarzen Jazzbewegung aus den frühen 70ern hatte genau damit zu tun, daß unsere Erfahrungen so bedeutend sind wie die jedes anderen Musikers auch. Deswegen werden heute noch eher die internationalen Namen in Südafrika für Festivals gebucht. Denn auch das Publikum scheint eher nicht gewillt, für südafrikanische Musiker hohe Preise – oder besser, angemessene Preise – zu zahlen. Das gleiche gilt für CDs. Die Leute zahlen hohe Importpreise für eine CD, aber für die eigenen Musiker würden sie niemals so viel Geld ausgeben."
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