"Musik und Interpretation - die Grenze zwischen Freiheit und Willkür"

Einführung: Mascha Drost · 28.09.2008
Ein Konzertbesucher der Mozart-Zeit hätte sich bei unseren heutigen Konzertprogrammen verwundert die Augen gerieben: Statt neuer Musik und Uraufführungen lassen wir uns den Kanon bekannter und beliebter Werke immer und immer wieder zu Gemüt führen - eine Praxis, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts völlig undenkbar war. Damals kam es hauptsächlich darauf, neue Musik kennenzulernen, die Interpretation trat dabei (meist) in den Hintergrund.
Heutzutage jedoch kommt es im Konzert weniger auf das "Was" an, als vielmehr auf das "Wie. Jeder Musikliebhaber hat von seinem Lieblingsstück mehrere Aufnahmen verschiedener Komponisten im CD-Regal, der Dirigent bzw. der Solist steht im Mittelpunkt einer Aufführung, nicht mehr die Musik an sich. Man geht nicht ins Konzert, um Brahms oder Beethoven zu hören, sondern Daniel Barenboim oder Anne-Sofie Mutter.

Mit dieser Diskrepanz zwischen der Interpretation eines Stückes und den Intentionen der Komponisten hat sich der Musikwissenschaftler, Publizist und Komponist Wolf Rosenberg (1915 - 1996) intensiv beschäftigt und dazu 1961 eine zweiteilige Sendereihe für den Bayerischen Rundfunk gestaltet. Seine Gedanken sind in Zeiten von Marketing und Musikbusiness aktueller denn je.