Museumskonzepte in Afrika

Auf der Suche nach dem postkolonialen Museum

06:07 Minuten
Der Leuchtturm von Swakopmund wurde 1902, während der Kolonialzeit, von deutschen Bauherren erbaut. Er ist noch heute in Betrieb. Davor das Swakopmund Museum in Namibia.
Einigkeit herrscht darüber, dass das Museum der Zukunft ein demokratischer Raum sein müsse. (Hier das Museum in Swakopmund/Namibia) © picture alliance/Wildlife/T.Dressler
Von Leonie March · 06.10.2019
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Die Rückkehr von Kulturgütern aus der Kolonialzeit trägt zur Veränderung der Museumslandschaft in Afrika bei. Neue Museen werden rund um restituierte Objekte gebaut. Wie das Museum der Zukunft aussehen soll, wurde im namibischen Windhoek diskutiert.
Performancekünstler untersuchen einen Tatort, an dem Verbrechen der Kolonialzeit verübt wurden. Kein historisches Schlachtfeld, sondern ein Museum: die mittlerweile geschlossene ethnographische Sammlung in Kapstadt. Figuren von Ureinwohnern wurden dort als Teil der Tierwelt dargestellt, Skelette und andere menschliche Überreste in Lagern verwahrt, erklärt Wandile Kasibe.
"Wir sprechen hier über schwerwiegende Verbrechen, die Museen verübt haben. Menschen wurden gefangen, ihre Knochen aus den Gräbern gestohlen. Museen haben mit kolonialen und rassistischen Regimes gemeinsame Sache gemacht. Wir bräuchten eine Wahrheitskommission um all diese Verbrechen aufzuarbeiten. Viele Museen sind für mich wie Friedhöfe; Gefängnisse, aus denen wir die Seelen unserer Vorfahren befreien müssen", so Kasibe.

Die neue Zielgruppe im Visier

Wandile Kasibe ist der Koordinator der öffentlichen Programme der Iziko-Museen. Gegründet während der Kolonialzeit, so wie viele andere afrikanische Museen. Europäische Siedler und Forscher waren die Zielgruppe, nicht die einheimische Bevölkerung. Das soll sich nun ändern: Es komme darauf an, Vertrauen auf- und Hemmschwellen abzubauen, betont Kasibe.

"Wenn die Menschen, auch aus sozioökonomischen Gründen, nicht ins Museum gehen, dann müssen wir zu ihnen kommen. Wir haben ein mobiles Museumsprojekt entwickelt, fahren in Schulen, Dörfer, Einkaufzentren. Wir bringen Objekte mit, die die Leute ohne trennende Glasscheibe ansehen und berühren können. Die Reaktionen darauf sind sehr positiv", erläutert der Museums-Koordinator.
Wandile Kasibe,  Koordinator der öffentlichen Programme der Iziko-Museen, diskutiert mit einem Mikrophon in der hand.
"Viele Museen sind für mich wie Friedhöfe", sagt Wandile Kasibe, Koordinator der öffentlichen Programme der Iziko-Museen.© CreativeLab für Goethe-Institut Windhoek

Digitale Technologie als Ergänzung

Eine weitere Möglichkeit, um den Zugang zu den Sammlungen zu erleichtern und Interesse zu wecken, eröffnen digitale Technologien. Nicht als Ersatz für Originale, sondern als Ergänzung, betont die kenianische Wissenschaftlerin Chao Tayiana.
"Über die Hälfte der Kenianer sagen, dass sie Kulturgüter online sehen möchten. Aber die Museen sind noch nicht so weit. Es mangelt unter anderem an Geld und technischer Expertise. Probleme, die wir lösen müssen. Denn ein digitales Archiv könnte vor allem ein junges Publikum anziehen. Außerdem eröffnet es die Möglichkeit, unterschiedliche Sichtweisen der Objekte zu beleuchten und in Dialog zu treten", so Tayiana.
Der Dialog und die Einbeziehung einheimischer Communities stehen im Mittelpunkt der panafrikanischen Debatte. Auch mit Blick auf Restitutionsfragen. So sind beispielsweise Masken der Chokwe nach Jahrzehnten in Europa in ihre Heimat Angola zurückgekehrt. Wie vor ihrem Raub werden sie jetzt wieder im Dundo Museum ausgestellt. Doch damit beginne der Restitutions-Prozess erst, betont die angolanische Kuratorin Suzana Sousa.

"Wir sollten darüber nachdenken, was sich alles verändert hat. In unserem Land, in der Lesart unserer Geschichte und in den Communities, aus denen diese Objekte stammen. Wir müssen herausfinden, welche Rolle diese Objekte ursprünglich gespielt haben und wie die Communities nun ihre Rückkehr empfinden. Ich glaube, dass sich ihr Verhältnis verändert hat: Denn es ist nun von Verlust geprägt, in den meisten Fällen auch von Gewalt und Entweihung. Einigen Ausstellungsstücken wird aus Sicht der Bevölkerung hinter den Museumsmauern weiterhin Gewalt angetan. Für sie sind es rituelle Objekte, die nicht für jeden zugänglich sein sollten. Auch diese Stimmen müssen gehört werden" betont die Kuratorin.
Die angolanische Kuratorin Suzana Sousa lächelt in die Kamera.
"Wir müssen herausfinden, welche Rolle diese Objekte ursprünglich gespielt haben", meint die angolanische Kuratorin Suzana Sousa.© CreativeLab für Goethe-Institut Windhoek

Die Bevölkerung muss einbezogen werden

In Einzelfällen kann das bedeuten, dass Kulturgüter an die Gemeinschaften zurückgegeben und dort auf traditionelle Weise bewahrt werden. Andere können durchaus in Museen integriert werden, aber nur dann, wenn die Bevölkerung mit einbezogen wird. Das gilt generell und nicht nur in Bezug auf Restitution. Mündliche Überlieferungen könnten dabei eine wichtige Rolle spielen, erzählt Kurator Nelson Abiti vom Nationalmuseum in Uganda.
"Es geht nicht um die Ästhetik dieser Objekte, sondern um ihre Spiritualität und ihre kulturelle Funktion. Sie sind mit Ritualen und Erinnerungen verbunden, die die Ältesten durch mündliche Überlieferungen bewahrt haben. Wir haben also nicht nur die Objekte, sondern auch die Menschen ins Museum gebracht. Damit sie ihre Erinnerungen teilen, mit den Objekten interagieren und so den ursprünglichen Kontext wieder herstellen. Wir sollten die Gemeinschaften nicht nur als Informationsquelle sehen, sondern als Co-Kuratoren der Ausstellungen", so Abiti.

Ein postkoloniales Museum, so der Tenor unter afrikanischen Kuratoren, müsse ein demokratischer Raum sein. Keine stille, elitäre Halle, sondern ein lebendiger Ort des kulturellen Austausches.
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