Museum der Woche

Von Mario Dobovisek · 05.10.2007
Um 1810 wurde das Skat-Spiel erfunden. Heute gilt es als das Nationalspiel der Deutschen und Altenburg in Thüringen als dessen Geburtsstadt. Für die Altenburger war das Grund genug, den Spielkarten gleich ein ganzes Museum zu widmen.
"Wenn dem Deutschen so recht wohl ums Herz ist, dann singt er nicht. Dann spielt er Skat."

Das schrieb Kurt Tucholsky. Und die Skat-Heimat liegt in Altenburg, genauer im dritten Stock des alten Residenz-Schlosses.

Ein Raum, so groß wie ein Wohnzimmer. An den Wänden: Eichel, Gras, Herz und Schellen. Spielkarten-Motive des Sächsischen Einfachbildes, in Blautönen gestaltet von Skatmaler Otto Pech.

"Dieser kleine Raum ist der allererste museal genutzte Raum in diesem Schloss. Und zwar wurde er 1923 von der Altenburger Spielkartenfabrik eingerichtet."

Renate Reinhold ist Kunsthistorikerin des Schloss- und Spielkartenmuseums, damals dem ersten seiner Art. Ihre Augen glänzen, als sie von den Anfängen berichtet. Bis zum Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Museum mit mehr als 6000 historischen Kartenspielen zu einer Schatzkammer europäischer Spielkartenkunst.

"Von diesen fünf Räumen ist jetzt nur noch übriggeblieben dieser Raum, der als Skatheimat bezeichnet wird."

Denn nach Kriegsende wurde die Sammlung als Reparation nach Russland abtransportiert und gilt bis heute als verschollen. Mühsam haben die Altenburger ihr Museum mit neuen Exponaten wieder aufgebaut.

"Wir sind in einem großen Schloss untergebracht und das teilt sich in drei Etagen auf. Die untere Etage beheimatet die Ausstellung der Spielkarten. Die mittlere Etage ist die belle etage, mit Festsaal, Bachsaal und Kirche und die dritte Etage zeigt das Kunsthandwerk."

Gemächlich geht Renate Reinhold voran, zwei Stockwerke tiefer. Die alten Holzdielen unter ihren Füßen quietschen und knarzen. Warme Farbtöne an Stuck und Wänden vermitteln Wohnzimmeratmosphäre.

An einer Vitrine bleibt sie stehen. Die Kunsthistorikerin deutet auf mehrere bunte Spielkarten. Die ältesten im Museum. Aus dem 16. Jahrhundert, allesamt handbemalte Einzelstücke mit höfischen Motiven.

"Die Reiterei, die Falknerei. Wir haben das Hofämterspiel, das also alle Berufe an einem Königshof darstellt."

So ist auf einer der Karten auch ein Schneider zu sehen. Mit einer langen Schere schneidet er ein Gewand zu, weiß mit blauen Lilien darauf. Karten wie diese verwendete der betuchte Adel zum Zeitvertreib. Ihrer Wertigkeit nach wurden sie aneinander gelegt.

Für die Bevölkerung waren jene Einzelstücke aber zu teuer. Abhilfe schufen die ersten Drucke, hergestellt in Kartenmacher-Werkstätten. Eine solche haben Renate Reinhold und ihre Kollegen im Museum nachgebildet.

"Das auffälligste und wichtigste Detail in dieser Kartenmacher-Werkstatt ist diese Kartenpresse aus der Zeit um 1600. Sie ist noch voll funktionsfähig. Man legt da eine Druckplatte rein, also eine Kupferplatte wie Sie dort sehen: Und dann wurde diese Riesen Walze bewegt und dann wurde gedruckt."

Heute geschieht das vollautomatisch, nur wenige Kilometer weiter in der Altenburger Spielkartenfabrik. Hier hat das Handwerk Tradition, seit 175 Jahren.

Im Spielkartenmuseum geht es vorbei an Karten aus aller Welt: an ovalen und herzförmigen, an bunten und einfarbigen. Darunter längliche Karten mit chinesischen Schriftzeichen, aus einer eiförmigen Karte scheint eine Faust ausbrechen zu wollen. Auf manchen sind Tierbilder zu sehen, auf anderen nackte Frauen. Eine Weltreise der Spielkartenkunst.

In Europa sind Karten seit dem 14. Jahrhundert bekannt.

Vorüber geht es an dieser Vielfalt – hin zu einem Teil des Museums, der nur dem Skat gewidmet ist.

An einem runden Tisch können Besucher Karten spielen. Drei Männer sitzen dort, frönen ihrer Leidenschaft, dem Skat-Spiel. Keine Kneipen-Atmosphäre, kein Zigarettenqualm, kein Alkohol.

"Es wird auch mal ein Bier getrunken, selbstverständlich. Aber Alkohol gehört eigentlich nicht dazu, weil der Alkohol dämpft die Gehirne. Und wenn man zu viel trinkt, kann man nicht mehr logisch denken und macht riesen Fehler."

Matthias Heinich ist einer der drei am Tisch. Er ist im Vorstand der Altenburger Skatverbands-Gruppe, mindestens zwei Mal in der Woche spielt er. Um 1810 haben Altenburger Bürger das Skat entwickelt, eine Kombination aus den Spielen Schafkopf, L’Hombre, Solo und Tarock.

Heute gilt es als das Nationalspiel der Deutschen.

Mitten in einem der Ausstellungsräume steht ein Brunnen. Der Skatbrunnen. Auf der Spitze des mannshohen Sandsteins kämpfen die vier Buben, die Wenzel, um die Vorherrschaft im Spiel. An der Seite glotzt ein fußball-großer, bronzener Schweinekopf aus dem Stein.

"Früher war der höchste Trumpf das Schell-Ass, und da war ein Schwein drauf. Und der Ausdruck ‚Schwein gehabt’ kommt vom Spielen, wer das Ass hat, hat Schwein gehabt, den größten Trumpf, hat meistens gewonnen. Deswegen ist auch der Schweinekopf hier drauf."

Nur eine Kopie. Das Original steht unten in der Stadt, seit 1903. Aus dem Schweinekopf rinnt Wasser und die Legende sagt, wer seine Karten unter dem Wasser des Brunnens tauft, hat immer Glück im Spiel.

"Es gibt bessere oder imposantere Brunnen in der Welt, aber es gibt nirgendwo in der Welt einen Brunnen, der einem Spiel gewidmet ist."
Nur den - in der Skat-Stadt Altenburg.