Museum der Woche

Von Heike Schwarzer · 11.05.2007
In Freital findet sich hier eine der bedeutendsten regionalen Kunstsammlungen Deutschlands. Wer Dresdner Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts sehen will, von Ernst Ferdinand Oehme bis zu Curt Querner und Otto Dix, der sollte sie nicht in der großen Kunststadt Dresden suchen, sondern hier in der Provinz.
Kein Monat vergeht, in der nicht irgendeine Anfrage aus einem Weltmuseum kommt. Erst kürzlich hat Rolf Günther, der Direktor der Städtischen Sammlungen Freital, dem Centre Pompidou in Paris eine Leihgabe zugesagt, das museo Thyssen Bornemisza in Madrid geht diesmal leer aus.

"Wenn sie sich das Selbstbildnis als Mars anschauen, was das berühmteste unserer Dix-Gemälde ist, mit der dicken Malschicht, da ist natürlich jede Erschütterung Gift."

Um das Haupt des jungen Dix rasen Leuchtkugeln, Blutspuren und Grabkreuze. Die Glanzstücke der Freitaler Kunstsammlung - Rolf Günter nennt sie vertraulich "Dixe" - im Moment, und das ist selten genug, sind sie alle da.

"Wir haben neun Dix-Gemälde, also vier aus der klassischen Zeit, den Mars aus dem Jahr 1915, ein dem Futurismus verpflichtetes Bild, dann drei klassische Dixe, wie man Dix eigentlich kennt, neusachlich in dieser Form und vier noch ganz impressionistische Bilder."

Dresdner Kunst von 1890 bis 1950. Sechs stürmische Jahrzehnte, die nicht nur für Dresden, sondern auch für die gesamte deutsche Kunstentwicklung von großer Bedeutung sind.

Hinter der schweren Holztür, im Ostflügel des Freitaler Schlosses, hängen sie eng an eng wie in einem Bilderkabinett: die Gemälde von Otto Dix, seinen Schülern und Zeitgenossen. Daneben großartige Landschaften und seltene Porträts aus den Ateliers der Dresdner Kunstakademie, von Wilhelm Lachnit oder auch von Willy Kriegel, vielleicht dem begabtesten Kokoschka-Schüler.

"Grundstock ist eine Privatsammlung gewesen namens Willy Eberl. Er hat in Dresden an der Kunstgewerbeschule studiert, hat dort Dix und Umkreis kennen gelernt, ist nach Freital zurückgekehrt und hat hier mit Tapetenentwürfen gutes Geld verdient und gesammelt."

Dass die Sammlung der Stadt Freital erhalten blieb und nicht auf dem internationalen Kunstmarkt landete, war ganz im Sinne von Willy Eberl und ist den weitsichtigen Stadtvätern zu danken. Nach dem Freitod des Sammlers im Jahr 1947 handelten sie mit der Witwe eine Rente auf Lebenszeit aus.

Eine ernste Frau, im schweren Pelz mit Tulpe in der Hand, so hatte sie Otto Dix 1940 gemalt.

"Was uns fehlt, ist ein Kokoschka und was auch fehlt, ist die Brücke – da muss man auf Schenkungen hoffen."

Und die finden zum Glück immer wieder den Weg nach Freital, in das Rittergut und einstige Schloss der Freiherren Dathe von Burgk.

Norwegische Küstenwacht im Mondschein. Ein wunderschönes romantisches Landschaftsbild von Knud Baade, es hing noch vor wenigen Jahren bei Sammler Friedrich Pappermann in Dresden

"Und wenn er am Abend in gönnerhafter Laune war, spielte er die Mondscheinsonate. Wir haben natürlich artig applaudiert, denn wir wollten ja gerne die Sammlung nach Freital entführen."

Der Coup ist 1993 gelungen. Nicht zu den Kunstsammlungen nach Dresden, sondern nach Freital kam die Sammlung Pappermann: mit Dresdner Kunst von der Gründung der Kunstakademie im Jahr 1760 bis zur Gegenwart. Selbst große Auktionshäuser wie Sotheby’s und Christie’s hatten das Nachsehen.

"Die Stiftung Pappermann mit 200 Gemälden und über 1200 Blatt Zeichnungen und Grafik, das ist natürlich die bedeutendste Sammlung gewesen, die uns Gott sei dank ereilt hat."

Vier Ausstellungsräume im Dachboden sind der privaten Sammlung als bleibendes Domizil vorbehalten. Gleich am Eingang Möbel aus Pappermannschem Besitz

"Er sprach dann immer von seiner zweiten Wohnung hier in Freital."

Auch Fotos zeigen den Sammler in seinen Dresdner Wohnräumen, in denen er seit 1945 mit seiner Kunst lebte wie in einem Museum.

"Das fing über der Scheuerleiste an und ging bis unter die Decke hinauf, in dieser typischen Kabinetthängung, der wir auch hier gefolgt sind, um das private Flair der Sammlung zu zeigen."

Nichts war vor seiner Sammelleidenschaft sicher, wie zwei Porträts aus dem 18. Jahrhundert beweisen. Pappermann nannte sie Schrubberbilder.

"Die haben bei einer Familie in Dresden unter den Betten gelegen. Und die haben gesagt, gut dass sie kommen, wir knallen immer mit dem Schrubber dagegen, wenn wir sauber machen."

Die Kunst der Romantik liebte Pappermann besonders. Das Glanzstück seiner Sammlung ist ein Landschaftsbild von Ernst Ferdinand Oehme, einem Schüler von Caspar David Friedrich: Es zeigt den Rabenauer Grund, eine der schönsten romantischen Landschaften, sie liegt nur wenige Kilometer von Freital entfernt.

"Was die Dresdner Studentenschaft bewog, teilweise den Weg zu Fuß den Weg nach Goppeln zu nehmen. Dort hat die Dresdner Künstlerschaft eigentlich bis heute gemalt und gezeichnet."

Auch für begabte Künstler, die in der Nachkriegszeit wenig gefragt waren, entwickelte Pappermann Gespür.

"Diese Sammlung ist nicht nur mit Geld gemacht. Er hat sein Augenmerk auf Künstler und Richtungen gelenkt, die damals wenig en vogue waren, aber heute wieder verstärkt ins Blickfeld geraten. Da hat Pappermann durchaus ein Näschen bewiesen und es verstanden, Kunst wirklich zu bewahren."