"Murot und das Murmeltier"

Jeden Tag der gleiche Tatort

Ein Mann hält eine Pistole an den Kopf des LKA-Ermittlers Felix Murot, der gleichgültig in die Kamera schaut.
Jeden Tag der gleiche Tatort für LKA-Ermittler Felix Murot (Ulrich Tukur) © Bettina Müller/HR
Von Matthias Dell · 16.02.2019
Im Tatort "Murot und das Murmeltier" ist einiges durcheinander. Der Kommissar ist gefangen in einer Zeitschleife – muss jeden Tag den gleichen Krimi durchleben. Einmal flieht er in ein Landgasthaus. Doch am Ende landet er immer wieder am Tatort.
Wie jeden Sonntag zeigt die ARD auch am 17.2. einen neuen Tatort. Allerdings ist dieser Tatort etwas anders: In "Murot und das Murmeltier" von Regisseur Dietrich Brüggemann ist der von Ulrich Tukur gespielte Kommissar gefangen in einer Zeitschleife – er muss den gleichen Tag immer wieder durchleben. Unser Kritiker Matthias Dell hat ihn bereits gesehen.

Diesmal ist einiges durcheinander im Tatort

Seit fast 50 Jahren gibt es diesen Vorspann, fast jeden Sonntag die gleiche Musik, um einen neuen "Tatort"-Krimi anzukündigen, der mehr oder weniger gleich ist – jemand wurde umgebracht, die Polizei ermittelt, am Ende sind die Schuldigen gefunden. Aber diesmal ist einiges durcheinander.
Wie man schon am Ende vom Vorspann merken kann. Kommissar Murot hat ein Problem – das mit blödsinnigen Träumen allerdings unzutreffend beschrieben ist. Er hängt in einer Zeitschleife fest. Immer wieder wacht er auf von einem Anruf, um von seiner Mitarbeiterin immer wieder zum selben Verbrechen hinzugezogen zu werden.
Die Idee zu dieser ungewöhnlichen Form stammt aus dem Film "Und täglich grüßt das Murmeltier" von 1993. Dort erlebte der von Bill Murray gespielte Wetteransager den sogenannten Murmeltier-Tag in einer Provinzstadt wieder und wieder. Er erwachte jeden Morgen aufs neue am 2. Februar zu Sonny und Chers Song "I Got You Babe".
Ging es im amerikanischen Original um die Läuterung eines Zynikers durch die nicht enden wollende Wiederholung, hat das Gefangensein in der Zeitschleife in "Murot und das Murmeltier" etwas anderes im Sinn. Dietrich Brüggemann, der das Drehbuch geschrieben, Regie geführt und die Musik komponiert hat, denkt im "Tatort" über den "Tatort" nach - und all die anderen Krimiformate, mit denen das deutsche Fernsehen auf Publikum hofft. Überall die immer gleichen Sätze und Routinen.

Einmal verlässt der Kommissar die Geschichte

Die hier aber anders klingen, weil der "Tatort" sich damit praktisch selbst kommentiert. Sein sonstiges Reden und Handeln. Was dieser "Tatort" macht, ist ziemlich geschickt. Er überlistet den Überdruss an sich selbst eben dadurch, dass er diesen Überdruss offensiv inszeniert. Zwölf Mal muss Murot durch den selben Tag, um fast genauso oft Kaffee von einem schusseligen Kollegen gereicht zu bekommen.
Jede Wiederholung bedeutet eine immer neue Variation. Und genau dadurch befreit sich der "Tatort" aus seinen Routinen. Für die Schauspieler ist "Murot und das Murmeltier" ein großer Spaß, allen voran für Ulrich Tukur, der seinen Kommissar immer wieder neu anlegen kann: Einmal verdünnisiert sich die Hauptfigur sogar ganz aus der Geschichte und fährt vor die Tore der Stadt.

Trotz Meta-Krimi heißt es am Ende: Normalität!

Ein Ausflug, den sich der ganze Film gönnt – der Krimi wird links liegen gelassen, statt zum Tatort fährt der Kommissar in einen Landgasthof. Aber natürlich kann der "Tatort" sich nicht einfach so vor sich selbst verdrücken. Am Ende ist auch "Murot und das Murmeltier" ein Fall, der gelöst werden will. Was hier bedeutet, die eigentliche Motivation des Geiselnehmers zu verstehen. Der ist mit Murot zusammen in der Zeitschleife gefangen und fühlt sich dabei, anders als der Kommissar, ganz wohl.
Also muss der Kommissar wie in einem labyrinthischen Videospiel bei jedem Durchlauf versuchen, etwas mehr über den Täter zu ermitteln, um den Weg ins nächste Level zu finden – und damit ist in diesem trotz aller Reflektion auch spannenden Meta-Krimi gemeint: zurück in die Normalität!
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