Multimillionär mit Faible fürs Verrückte

21.08.2012
Edward James war ein britischer Multimillionär, Kunstsammler und Designer. Er war fasziniert von der surrealistischen Bewegung. Sein bekanntestes Werk ist ein rosa Sofa, das er den Lippen der Hollywood-Schauspielrin Mae West nachformte. Nun liegt seine unterhaltsame Autobiografie vor.
Was ein wahrer Exzentriker ist, der braucht Geld, Zeit und Muße. Davon besaß der englische Dichter und Kunstsammler Edward James (1907-1984) reichlich. Als Spross des britischen Hochadels – er war illegitimer Enkel des Königs Edward VII. – gehörten dem Alleinerben eines riesigen Vermögens eine stolze Reihe von Landsitzen in England, Villen an der Riviera, Yachten, Flugzeuge und jede Menge Alter Meister.

Seine eigentliche Leidenschaft aber galt der modernen Kunst: Der Urgroßneffe des amerikanischen Romanciers Henry James versuchte sich zunächst als Poet, allerdings mit wenig Fortune. Mehr Glück hatte der Multimillionär als Designer und Mäzen der noch jungen Bewegung der Surrealisten. Er förderte Max Ernst, Pablo Picasso und René Magritte, der ihm in seinen Ölgemälden "Das Lustprinzip" und "Reproduktion verboten" ein Denkmal setzte. Dalí inspirierte er zu seinen bekanntesten Gebrauchsobjekten - das "Hummer-Telefon" und das berühmte, den Lippen von Mae West nachgeformte rosa Sofa. Damit war der Anfang für James’ legendäres surreales Gesamtkunstwerk in seinem Sussexer Domizil gemacht. Später verwirklichte James seine bizarren Kunstträume in einer mexikanischen Urwaldstadt.

Sein größtes Talent aber zeigte der Gentleman mit den dandyhaften Zügen als Erzähler seiner Autobiografie: "Schwäne spiegeln Elefanten" ist benannt nach dem gleichnamigen Gemälde, auf dem Dalí den großmütigen Sponsor in einer Felslandschaft zwischen allerlei Getier verewigte. Entstanden aus Gesprächen, die James 1987 mit einem englischen Journalisten führte, resümiert er darin die ersten 30 Jahre seines Lebens.

In lockerem Ton erzählt er von den nicht durchweg glücklichen Abenteuern eines reichen Kindes, von einer homophoben Mutter, die in ihrem Sohn – tragische Ironie – geradezu die Neugier auf das gleiche Geschlecht weckt, von feindseligen Schwestern, mit denen der Neid als meistgehasste Eigenschaft in das Leben des Alleinerben tritt, bis zu seiner Trennung von der rauschhaft geliebten Tänzerin Tilly Losch. Dazwischen gibt es viel Society-Klatsch, vergnügte Reisen an die Cote-d’Azur, zum Skilaufen nach St. Moritz, aber auch geistreiche Ausflüge in die Künstleravantgarde, nach Paris zu George Balanchine, Brecht/Weill und Strawinsky, die James allesamt subventioniert, um seiner Liebsten Auftritte zu verschaffen.

Natürlich ist viel britischer Humor, auch Selbstironie, im Spiel. Alles in allem könnte man das Buch harmlos nennen, wären da nicht immer wieder die wohlgesetzten Seitenhiebe auf das rigide Erziehungssystem nobler Internate etwa, in denen es verpönt war "Shakespeare zu lesen, wenn man es zum Vergnügen" tat oder der rollende Rundumschlag à la P.G. Wodehouse oder Nancy Mitford auf den "spießigen Snob-Appeal" der oberen Zehntausend. Wo James allzu verliebt ins Namedropping ist, helfen dem deutschen Leser die informativen Anmerkungen der Übersetzerin Ursula Wulfekamp sowie ein knappes Personenregister. Ein kundiges Nachwort von Hubertus Gassner, das den Blick auf James’ weitere Lebensstationen wirft, rundet dieses amüsant zu lesende Zeugnis einer vergangenen Epoche ab.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Edward James: Schwäne spiegeln Elefanten
Aus dem Englischen von Ursula Wulfekamp
Schirmer/Mosel Verlag, München 2012
378 Seiten, 22,80 Euro