Münchner Sicherheitskonferenz

"Der Kalte Krieg war geradezu heile Welt"

USA: Non Violence-Skulptur von Carl Fredrik Reuterswärd vor dem UNO-Hauptquartier in New York. Foto vom 28. November 2010. | Verwendung weltweit
Droht der Welt ein brutales Wettrüstens? - Die "Non Violence"-Skulptur in New York. © dpa
Micha Brumlik im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 16.02.2018
Der Syrienkrieg und wie die internationale Staatengemeinschaft damit umgeht, gehören zu jenen Themen, über die der Publizist Micha Brumlik sich aufregen kann: "Wir haben uns einfach daran gewöhnt" - das sei das Schlimmste, sagt Brumlik anlässlich der Sicherheitskonferenz.
Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, die derzeit stattfindet, macht sich keine Illusionen: "Wie haben noch nie seit dem Ende der Sowjetunion eine so hohe Gefahr auch einer militärischen Konfrontation zwischen Großmächten gehabt. Das Misstrauen beispielsweise zwischen der Militärführung in Washington und in Moskau ist abgrundtief. Es könnte gar nicht schlimmer sein", sagte der Ex-Diplomat.
Auch unser heutiger Gast, der Publizist und Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik, ist besorgt: Verglichen mit den derzeitigen Konfliktherden - wie USA-Nordkorea, Israel-Iran oder den beiden Nato-Partnern USA und Türkei, die sich plötzlich als Kriegsgegner mit unterschiedlichen Interessen in Syrien gegenüberstehen – sei die Zeit des Kalten Krieges geradezu "heile Welt" gewesen. Mit den Worten von Jürgen Habermas: Seit dem Ende des Kalten Krieges herrsche eine neue Unübersichtlichkeit.

Russland will sich Westeuropa einverleiben? Nicht realistisch

Drinnen in den Räumen der Sicherheitskonferenz tagen die Strategen, die nach Lösungen suchen, draußen stehen die Demonstranten, denen um den Weltfrieden bange ist: Auf wessen Seite würde Brumlik sich schlagen?
Mitglieder des syrischen Zivilschutzes "White Helmets" evakuieren ein Opfer der Kämpfe in Ost-Ghouta in Syrien
Der Krieg und das Grauen in Syrien: Ausbluten lassen und vergessen - wie einst den Dreißigjährigen Krieg? Für Micha Brumlik eine schlimme Vorstellung.© AFP / Abdulmonam Eassa
"Ich bin insoweit eher auf der Seite derer, die da draußen demonstrieren, weil ich bestimmte Probleme, die da drinnen disktutiert werden, nicht wirklich realistisch finde." Er sei zwar kein Experte in sicherheits- und außenpolitischen Fragen, "aber doch ein alter Friedensbewegter. Und ganz ehrlich: Mein Gefühl – und ich bin auch nur Zeitungsleser – ist nicht, dass es in irgendeiner Weise realistisch ist, anzunehmen, dass Russland mit militärischer Gewalt ein Interesse daran hat, Mitteleuropa bis hin zu Deutschland zu übernehmen." Das sei eine paranoide Fantasie.
"Ernst und beschämend" sei hingegen die Lage in Syrien: Dort tobe seit etlichen Jahren ein Bürgerkrieg mit Millionen von Flüchtlingen und Hunderttausenden von Toten – "und wir haben uns daran einfach gewöhnt. Es fällt niemandem etwas ein, was man da tun könnte. Da kann man allenfalls denken: Naja, irgendwann wird dieser Krieg, wie auch der Dreißigjährige Krieg, ausbluten. Das widerspricht allen moralischen Vorstellungen, die man hat."
(mkn)
Die Publizist und Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille Micha Brumlik folgt am 06.03.2016 in Hannover (Niedersachsen) dem Festakt zur Eröffnung der diesjährigen christlich-jüdischen Woche der Brüderlichkeit.
Micha Brumlik, Erziehungswissenschaftler im "Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg"© dpa / Hauke-Christian Dittrich

Micha Brumlik, Jahrgang 1947, war bis 2013 Professor für Erziehungswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt. Als Autor hat er zahlreiche Bücher zur Geschichte des Judentums veröffentlicht. Brumlik ist Mitherausgeber der "Blätter für deutsche und internationale Politik".

Die komplette Sendung mit Micha Brumlik hören Sie hier:
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