Münchner KO mit Uraufführung

13.12.2012
Neben dem Konzertstück für Bläserquintett und Streichorchester von Boris Blacher, dem Violinkonzert von György Ligeti mit Patricia Kopatchinskaja als Solistin und Franz Schuberts Vierter stand auch eine Uraufführung von Helena Winkelman auf dem Programm des Münchner Kammerochesters am 13. Dezember.
Die 1974 geborene Schweizer Komponistin, deren Werke international große Beachtung finden, hat im Auftrag der musica femina München das Werk "Bandes Dessinées" (Bildergeschichte) für das Münchner Kammerochester geschrieben, das bei diesem Konzert uraufgeführt wird. Helena Winkelman schreibt dazu:

"Bei der ersten Presseveröffentlichung, dass ich ein neues Werk für das Münchener Kammerorchester schreiben würde, wurde erwähnt, dass ich einmal Musik für eine Rockband mit neun Streichinstrumenten komponiert hatte. Das war allerdings während meiner wilden Jahre vor dem Studium und ich erwähne das heute sehr selten. Doch während der Konzeption des Werkes dachte ich plötzlich: warum soll ich diese Pressemitteilung - als eine Art aleatorisches Element in der Komposition - nicht ernst nehmen und meiner alten Neigung wieder einmal nachgehen? ... Im Grunde ist es ein Musiktheater mit handelnden Kreaturen – nur dass hier das Drama von der Natur selbst bestimmt wird. Ein Paradebeispiel für diese Herangehensweise an Musik ist Prokofjews 'Peter und der Wolf' - doch der hat neben all den animalischen doch noch drei menschliche Figuren als Protagonisten.

In 'Bandes Dessinées' geht es nur um drei hungrige Tiere und um Jagd, Tempo und Tod. Die drei Kontrahenten werden von klar voneinander getrennt sitzenden Instrumentalgruppen gespielt und sind: 1. Jäger (Katzentier – gespielt von Celli und Kontrabass), 2. Beute (Erdmännchen – gespielt von den Geigen) und 3. ein warnender Vogel (quasi Whistleblower - gespielt von Geigen und Bratschen) in der Doppelrolle als Geier am Ende des Stücks. Die der Komposition zugrunde liegende Bildergeschichte wird dabei zu einem Trickfilm der musikalisch illustriert wird. Ein Vorbild waren mir dafür die genialen Soundtracks zu Walt-Disney-Trickfilmen, die zum Teil so suggestiv sind, dass man die Vorgänge auch ohne Bild versteht – d.h. die Bildspur läuft nur in der Phantasie des Hörers ab. Deswegen nennt man musikalische Bewegungsillustration oft auch 'mickey mousing'...

Die ganzen Jagdszenen sind sehr virtuos. Wirklich gute Bewegungsillustration verlangt eine vollkommene Identifikation mit den Figuren. Und keine Bewegung ist unabhängig von Körper und Emotion. Alle drei Faktoren beeinflussen sich ständig. Ich erinnerte mich beim Schreiben daran, einmal einen Zeitungsartikel gelesen zu haben in dem ein Mann, der von einem Löwen schwer verletzt worden war, sagte, das sei einer der stärksten, großartigsten Momente seines Lebens gewesen. Das hört sich unglaublich an – doch es gibt offenbar Momente, die durch ihre Unausweichlichkeit absolut werden. Ich habe versucht das nachzuvollziehen – zuerst innerlich, dann musikalisch. So kam während der Arbeit zum ursprünglichen 'fressen und gefressen werden' noch eine tiefere, existentielle Ebene hinzu.

Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit dem Münchener Kammerorchester und Alexander Liebreich und danke musica femina münchen e.V. für die Möglichkeit, dieses Werk realisieren zu können."
(Helena Winkelman, Berlin, 27. September 2012) winkelman m-k-o


Live aus dem Prinzregententheater München
Boris Blacher
Konzertstück für Bläserquintett und Streichorchester

György Ligeti
Violinkonzert

ca. 21:00 Uhr Konzertpause mit Nachrichten
"Orte der Erinnerung" –
Uta Sailer im Gespräch mit Patricia Kopatchinskaja
"Geigerin und Komponistin gleichermaßen" –
Helena Winkelman im Porträt
Von Annekatrin Schnur

Helena Winkelman
"Bandes Dessinées" (Bildergeschichte)
Uraufführung, Auftragswerk der musica femina München

Franz Schubert
Sinfonie Nr. 4 c-Moll D 417 ("Tragische")


Patricia Kopatchinskaja, Violine
Hindemith Quintett
Münchner Kammerorchester
Leitung: Alexander Liebreich