Münchner "Baal"-Entscheidung

Ein "Bärendienst" an Brecht

Nicolas Stemann im Gespräch mit Andrea Gerk · 19.02.2015
Noch zweimal darf Brechts "Baal" in der Inszenierung von Frank Castorf aufgeführt werden, dann ist Schluss. Das sei kein Kompromiss, sondern eine Niederlage des Theaters, meint der Regisseur Nicolas Stemann.
Gestern einigten sich der Suhrkamp-Verlag und das Münchner Residenztheater hinsichtlich der umstrittenen Aufführung von Brechts "Baal" in der Inszenierung von Frank Castorf.
Der Regisseur Nicolas Stemann kritisiert diese Entscheidung: Dabei handele es sich nicht um einen Kompromiss, sondern um eine Niederlage des Residenztheaters. Für überraschend hält der Regisseur diesen Ausgang gleichwohl nicht: "Man weiß, dass die Brecht-Erben so drauf sind, und die nehmen sich auch gerne wichtig. Und die Rechtslage ist – da muss man in diesem Fall sagen: leider – auf ihrer Seite."
Kritisch sieht Stemann auch das Vorgehen Frank Castorfs: "Ich glaube, dass Castorf letztendlich an dieser harten Konfrontation Interesse hatte und nicht so sehr daran, eine Lösung zu finden."
Resultat des Streits: kein Brecht mehr auf der Bühne?
Eine restriktive Haltung gegenüber Veränderungen am Originaltext wie bei den Brecht-Erben berge die Gefahr, dass die Stücke des Dichters nicht mehr auf die Bühne gebracht werde, warnt Stemann. "Brecht erweisen sie damit einen Bärendienst." Dessen Texte brauchten diesen Schutz nicht. "Der kann sich durchaus selber wehren", betonte er. "Und das sind ja die Auseinandersetzungen, die mich dann als Regisseur interessieren, wenn ich mit einem Kampf vielleicht auch mit einem Text gehe. Dann möchte ich ja, dass der Text sich selber wehrt und dass nicht sein Anwalt bei mir anruft."
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