Movassat: Sanktionen sind der falsche Weg

Niema Movassat im Gespräch mit Ute Welty · 01.04.2010
Wirtschaftssanktionen träfen vor allem die iranische Bevölkerung und nicht das Regime, meint Niema Movassat (Die Linke), Mitglied in der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe.
Ute Welty: Wie lässt sich Iran wirklich dazu bringen, sein Atomprogramm kontrollieren zu lassen? Mit dieser Frage beschäftigt sich auch der linke Bundestagsabgeordnete Niema Movassat als Mitglied der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe, dessen Eltern aus Iran stammen. Guten Morgen, Herr Movassat!

Niema Movassat: Schönen guten Morgen!

Welty: Auf der einen Seite Stärke, auf der anderen Seite Zurückhaltung – müsste es nicht im Interesse aller sein, gegenüber Iran eine geschlossenere Haltung an den Tag zu legen?

Movassat: Also ich denke, worin wir gerade in der Region eine geschlossenere Haltung bräuchten, wäre in einer aktiven Friedens- und Abrüstungspolitik für die ganze Region, die die Sicherheitsinteressen aller Staaten ernst nimmt. Das wären richtige Schritte, weil es ist ja so, dass Indien, Pakistan, Israel Atomwaffen haben. Und so lange da die Atomwaffen sind, so lange wird immer das Sicherheitsinteresse der anderen Staaten in der Region betroffen sein.

Welty: Lassen Sie uns trotzdem noch mal konzentrieren auf Iran. Eine Schlüsselrolle in diesem Streit, in dieser aktuellen Verschärfung kommt auch den Chinesen zu: Die haben bisher Sanktionsverschärfungen abgelehnt, scheinen sich jetzt aber zu bewegen, wenn man amerikanischen Angaben glauben kann. Wie sehen Sie das, wohin wird das führen?

Movassat: Ja also es ist ja jetzt nicht so, dass derzeit Russland und China die beiden Staaten sind, die sich gegen eine härtere Gangart sperren und die eben aus meiner Sicht eben nicht einstimmen in das jetzige, ja Drohungs- und Kriegsdrohungspolitik. Natürlich haben beide Staaten da nicht die großen friedenspolitischen Erwägungen hinter, sondern die haben ganz bestimmte wirtschaftliche Interessen, und natürlich wird man jetzt seitens des Westens versuchen, beiden Staaten das schmackhaft zu machen, dass sie einer härteren Gangart zustimmen.

Welty: Wie könnte denn diese härtere Gangart, wie könnten wirksamere Sanktionen aussehen?

Movassat: Also ich weiß nicht, was wirksamere Sanktionen letztlich sind, denn die Frage ist immer, wen treffen Sanktionen? Also es gab ja Vorschläge der EU im Februar, dass man zum Beispiel Benzinlieferungen stoppt oder Iran aus dem internationalen Zahlungsverkehr nimmt. Natürlich, wenn man nach Wirksamkeit geht, dann sind das Sanktionen, die sehr hart die Wirtschaft des Landes treffen, aber sie treffen auch sehr hart die Bevölkerung. Wir hatten erst vor Kurzem eine sehr starke und immer noch im Fahren eine sehr starke Demokratiebewegung im Land. Wenn man da jetzt anfängt mit Wirtschaftssanktionen, die Daumenschrauben anzuziehen, dann wird das vor allem dazu führen, dass das Regime im Inland mit Repression agiert nach dem Motto, das ist ein Spion des Westens, und dann gegen die Leute dort vorgeht. Also insofern glaube ich sind Wirtschaftssanktionen letztlich der falsche Weg. So lange es um die Frage geht, machen wir irgendwelche Einreiseverbote für Revolutionswächter – das ist nicht mein Problem. Aber ich glaube Wirtschaftssanktionen haben in Irak auch gezeigt: Sie treffen die Bevölkerung und nicht das Regime.

Welty: Was wäre denn der richtige Weg?

Movassat: Der richtige Weg wäre aus meiner Sicht, man muss erst mal anerkennen, dass nach dem Atomwaffensperrvertrag alle Staaten das Recht auf die friedliche Nutzung der Atomenergie haben, das ist das Erste. Und dass der Iran angeboten hat grundsätzlich – und da gibt es natürlich Unterschiede in der Auffassung –, dass also die Atomanreicherung im Ausland stattfindet, ist erst mal ein Zugeständnis, zu dem es völkerrechtlich nicht verpflichtet ist. Und das muss man anerkennen und dann muss man sich glaube ich wirklich in der Region an einen Tisch setzen und darüber reden, wie kann man eine atomwaffenfreie Welt in der Region schaffen und die Sicherheitsinteressen aller Staaten ernst nehmen.

Welty: Der frühere amerikanische Präsidentenberater Gary Sick hat im Interview mit der "Tageszeitung" gesagt, dass man vor zehn Jahren noch hätte Einfluss nehmen können auf das iranische Atomprogramm, aber dieses Boot habe man komplett verpasst. Glauben Sie das auch?

Movassat: Also das kann ich nicht beurteilen, ob man das in zehn Jahren hätte besser machen können, also aus welcher Haltung heraus Gary Sick das sagt, kann ich nicht beurteilen.

Welty: Besonders bedroht durch eine mögliche iranische Atombombe fühlt sich ja Israel. Inwieweit steht da Deutschland besonders in der Pflicht?

Movassat: Ja, nun ist es ja so, dass Israel erst mal vor allem im Nahen Osten der einzige Staat ist, der die Atombombe besitzt. Also insofern fänd ich es sinnvoll, dass Deutschland hat dann aus meiner Sicht die besondere Pflicht, hier darauf hinzuwirken, dass die israelische Regierung erst mal erstens ihr Atomwaffenarsenal offenlegt, das wird ja bis heute geheim gehalten, und zweitens auf eine Abrüstung drängt. Ich glaube, das würde auch am ehesten den Sicherheitsinteressen Israels entgegenkommen, weil solange Israel da die Atomwaffen hat, wird es nun mal auch als übermächtig angesehen von den Nachbarstaaten und damit auch als Bedrohung wahrgenommen. Wenn man da weg möchte von, dann muss auch Israel bereit sein, Schritte in der Abrüstung zu tun.

Welty: Der Atomstreit mit Iran ist das eine, die nukleare Abrüstung, die sich Präsident Obama auf die Fahnen geschrieben hat, das andere. Wie, denken Sie, wird er diese beiden Punkte zusammenbringen?

Movassat: Tja, da bin ich gespannt drauf, wie er sie zusammenbringt. Also wenn er wirklich nukleare Abrüstung will, Präsident Obama, dann muss er eben eigentlich wirklich die Staaten auch in der Region, also Israel, Pakistan, Indien, auch bereit sein in die Pflicht zu nehmen. Und bisher sind da ja gar keine Schritte passiert. Also diese Staaten haben teilweise deutlich gegen Atomwaffensperrvertrag verstoßen, als sie ihre Atomwaffenarsenale angelegt haben.

Welty: Der linke Bundestagsabgeordnete Niema Movassat in Deutschlandradio Kultur über den Atomstreit mit Iran. Danke fürs Gespräch!

Movassat: Bitte schön!
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