"Mord mit kleinen Fehlern" auf DVD

Intelligentes und urkomisches Psycho-Kammerduell

Michael Caine und Laurence Oliver in einer Szene von "Mord mit kleinen Fehlern".
Michael Caine und Laurence Oliver in einer Szene von "Mord mit kleinen Fehlern". © imago / AGD
Von Laf Überland · 12.12.2015
Zwei Männer, ein Mord und jede Menge Irrungen und Wirrungen: Der Film "Mord mit kleinen Fehlern" aus dem Jahr 1972 gilt als Sternstunde des Kriminalfilms. Nun kommt der letzte Film des US-amerikanischen Regisseurs Joseph L. Mankiewicz als DVD auf den deutschen Markt.
Filmausschnitt: "St. John Lord Merridew, der große Detektiv, erhob sich majestätisch. Sein rotbäckiges Weihnachtsmanngesicht glühte vor boshaftem Vergnügen."
Der exzentrische Kriminalschriftsteller Andrew Wyke wohnt auf einem riesigen Tudor-Anwesen. Seine Frau hat ein Verhältnis mit dem Friseur Milo Tindle, und der Aristokrat hat zwar prinzipiell nichts gegen eine Trennung, zumal er sich selbst eine Geliebte hält. Allerdings fürchtet er, dass ihn eine Scheidung teuer zu stehen kommen würde. Deshalb lädt Andrew den Friseur auf sein Anwesen ein, um ihm vorzuschlagen, seine eigenen Juwelen zu stehlen – wegen der Versicherungssumme. Ein bekanntes Spiel, aber zwischen Laurence Olivier und Michael Caine beginnt so ein urkomisches, höchst intelligentes Psycho-Kammerduell, dessen Ausgang bis zum Ende offen bleibt.
Zwischen bösartiger Screwball-Mechanik und genüsslicher Gesellschaftskritik
"Mein Vater hieß Tindolini. Aber wenn man damals so einen Namen hatte, dann konnte man nur einer Eisdiele aufmachen." (lacht)
"Mord mit kleinen Fehlern" war die Verfilmung des höchst erfolgreichen Theaterkrimis "Sleuth" – und der letzte Film des Regiegroßmeisters Joseph Mankiewicz, eines der witzigsten und intelligentesten amerikanischen Regisseure überhaupt.
Und Tempo und Timing saugen einen unentrinnbar hinein in dieses wahnwitzige Schlingern zwischen bösartiger Screwball-Mechanik und genüsslicher Gesellschaftskritik.
"Die Sympathien der Polizei sind auf meiner Seite. Besitz wurde in England schon immer höher eingeschätzt als Menschenleben."
Beiläufig fliegen die Dialoge über ein komplettes Panorama des englischen Lebens, von einer kleinen Dialogschlacht zur nächsten, süffisant – und cremig wie Vanillesoße mit Stacheldrahtcrispies.
"Wenn es mir beliebt zu sagen, dass meine Frau den Verstand eines sechsjährigen Kindes hat und im Bett einem asthmatischen Schellfisch gleicht, dann tue ich es. Und ich brauche dazu nicht mal mir die Erlaubnis ihres Liebhabers einholen."
Olivier chargiert durch die verschiedenen Charakterrollen, die er allesamt in diesem Film vereint: wie ein Musterkatalog seines Könnens – ein völlig entfesselter Sir Larry. Denn das Ganze ist ein Spiel, das ein anderes Spiel verschleiern soll. Und unversehens brechen die Aggressionen des Klassenunterschieds hervor: in Vorurteilen und Verhaltensweisen. Olivier verkörpert förmlich die unfassbare Überheblichkeit der Oberschicht und aus Caine spuckt und kratzt die Arroganz der Unterschicht.
"Wir kommen aus verschiedenen Welten, wir beide, Andrew. In meiner war keine Zeit für gescheite Späße und prachtvolle Erfindungen. Nicht mal für ein Tässchen Tee."
Haus als Maschine für das Machtspiel
Zwei Schauspieler auf dem Set – der dritte, der klammheimlich mächtigste, ist aber das Haus, das James-Bond-Ausstatter-Star Ken Adam entworfen hat: im Garten das Labyrinth aus Hecken, auf einem Tischchen ein Puzzle aus lauter weißen Stücken, das einfach weggefegt wird; und vor allem in den Gewölben ein endloses Sammelsurium von sinnlosen automatischen Marionetten – zwar Symbole und Metaphern, doch gleichzeitig eine Maschine für das Machtspiel.
Und die Fotos, die an an den Wänden hängen – wie die Porträts von Agatha Christie – eröffnen die Metaebene, auf der dieser Film, durchaus für Kenner und Liebhaber der Krimitradition, die Gattung selbst reflektiert: Er überhöht den klassischen englischen Krimi, macht sich – vergnügt und respektvoll! – über ihn lustig, nimmt ihn auseinander: Und es würde nicht wundern, wenn plötzlich Lord Peter Wimsey aus dem Kamin stiege.
"Sagen Sie, meinen Sie nicht auch, dass der Kriminalroman die adäquate Erholung für überragende Geister ist?" – "Ich verstehe nicht all zu viel von überragenden Geistern. Sind Kriminalromane das?" - "Ah, ich habe nur Phillip Godella zitiert: ein Biograf der 30er-Jahre, das goldene Zeitalter. Als jeder Kabinettminister einen Thriller auf seinem Nachttisch liegen hatte und alle Detektive Adlige waren. Das war wohl vor Ihrer Zeit." - "Irgendwie...."
Versnobte Kultur trifft auf Fleischeslust, Übermut auf Menschenverachtung: Und ständig wechselt - mit verblüffender Leichtigkeit -, wer die Fäden zieht in diesem Plot, der sich windet wie ein Korkenzieher. Psychospielchen wechseln mit Slapstickeinlagen, sie lachen, sie weinen, sie schreien, leiden, kämpfen.
"Glauben Sie mir, der direkteste Weg zum Herzen eines Mannes führt durch die Demütigung. Dann wissen Sie sehr bald, was in ihm steckt."
Schwer zu sagen, was unterhaltsamer ist: die Schlagfertigkeit, der schwarze Humor oder die springteufelhaft überraschenden Wendungen: "Mord mit kleinen Fehlern" sind jedenfalls 138 Minuten ohne gefährliche Gewaltszenen, ohne Sex, ohne Action – aber großes Kino, das heute zwar kein Starregisseur mehr durchkriegen würde, das trotzdem auch heute noch bestens unterhält: allerbestens!
"Nun, und dies ist sozusagen die Stelle, wo sich das Drama zuspitzt." - "Welches Drama?"
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