Moni Nilsson: "So viel Liebe"

Wenn Mama sterben muss

Zu sehen ist das Cover des Buches "So viel Liebe" von Moni Nilsson.
Aus der Perspektive von Lea erzählt und damit ganz nah dran: "So viel Liebe" von Moni Nilsson. © Carlsen Verlag / Deutschlandradio
Von Kim Kindermann · 26.02.2020
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Mit Kindern übers Sterben reden: Ihre Trauer und ihre Wut zulassen - und ihnen Wege zeigen, wie ein Leben danach möglich ist. Genau das macht Moni Nilsson mit dieser wunderbar traurig-tröstenden Geschichte.
"Du tust mir so leid", eröffnet Noa ihrer besten Freundin Lea und schiebt hinterher: "Weil deine Mutter sterben wird." Wie ein Schwert bohrt sich dieser Satz ins Leas Herz, verwundet sie tief und zerstört (fast) die Freundschaft zwischen den Mädchen. Denn Lea beschließt: Solange sie Noa hasst, wird ihre Mutter nicht sterben.
Schon mit dem ersten Satz ist man mittendrin in diesem traurig-tröstlichen Roman, den man nicht aus der Hand legen kann, geschrieben aus der Ich-Perspektive dieser Grundschülerin Lea und in dem es um die Krebsdiagnose von ihrer Mutter geht. Die 38-Jährige kämpft schon länger gegen den Krebs, jetzt ist er zurück und kein Medikament kann mehr helfen. So beginnt ein langer Abschied, voller Leid, Wut und Trauer, aber auch voller Liebe und Glück.

Jeder Tag steckt voller Liebe

Denn Leas Mama macht alles, damit ihre Kinder sie gehen lassen können. Sie verreist ein letztes Mal mit ihrer Familie, nimmt Tonbänder auf, erstellt Geburtstagsgeschenkelisten für die nächsten zehn Jahre, sucht die richtigen Patentanten für ihre beiden Kinder aus und spricht fortlaufend mit ihnen.
Leicht ist das nicht. Es wird viel geweint und getrauert – auch als die Mutter noch lebt. Gerade sie, die stark sein will, ist oft schwach – von der Krankheit gezeichnet. Und doch getrieben von dem Wunsch, solange wie möglich bei Lea, Lukas und ihrem Mann zu sein. So steckt jeder Tag voller Liebe!
Auch wenn über all dem Leas Hass auf Noa schwebt. Die liebste Freundin opfern, wenn man sie eigentlich am meisten braucht. Doch ist dieses magische Denken, wenn ich das durchhalte, dann wird Mama gesund, alles was die Elfjährige aufbringen kann gegen dieses unerbittliche Schicksal, das man selbst beim Lesen kaum aushalten kann – und doch das Buch nie aus der Hand legt.

Jungen Leserinnen und Leser ernst nehmen

Moni Nilsson hat ein wunderbar sanftes Buch zu einem sehr ernsten Thema geschrieben. Wo Kleinigkeiten wichtig werden, wo jeder Tag zählt und nie, wirklich nie, etwas schön geschrieben wird. Alles, was Lea erlebt, erleben wir aus ihrer Perspektive mit, sind ganz nah dran. Das passt. Denn so wie die Autorin ihre Figuren ernst nimmt, nimmt sie auch ihre jungen Leserinnen und Leser ernst. Mutet ihnen etwas zu.
Zeigt ihnen aber auch kleine Fluchten aus der ausweglosen Situation. So nähern sich Lea und ihr großer Bruder Lukas an, geben sich Halt und Liebe. Plötzlich darf die kleine Schwester mitmachen, dabei sein, wenn der beste Freund kommt. Oder die Lehrerin, die nie schimpft, egal wie schlimm sich Lea benimmt – die einfach da ist und versteht, dass dieser kommende Tod so un-aushaltbar ist. Das ist große Kunst.

Der Tod gehört zum Leben

Und dass am Ende Noa wartet, auf das große Verzeihen. Weil sie weiß, dass Freundschaft alles ist und dass sie durch ihr Mitgefühl, das Unsagbare sichtbar gemacht – und damit Lea geschwächt hat. Denn manchmal ist Unwissenheit auch ein Geschenk.
Allerdings eins auf Zeit. Denn die Augen langfristig zu verschließen, das hilft nichts: Der Tod gehört zum Leben. Wie das Leben zum Tod. Genau davon erzählt dieses besondere Buch.

Moni Nilsson: "So viel Liebe"
Carlsen Verlag, Hamburg 2020
128 Seiten, 12 Euro

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