Mondroboter mit Kamelfüßen

Von Dirk Asendorpf · 13.11.2008
Die Entwicklung eines Roboters für den Einsatz auf dem Mond dauert normalerweise Jahre und kostet Millionen. Dass es auch schnell und billig geht, haben Studenten in einem Wettbewerb der europäischen Raumfahrtagentur ESA bewiesen. Das beste Ergebnis hat eine Gruppe aus Bremen abgeliefert.
Wie ein merkwürdiges Insekt wühlt sich der kleine Roboter durch lockeres Geröll den Kraterhang hinauf. Dahinter dehnt sich kahle Mondlandschaft. Dabei ist das Video auf Teneriffa entstanden, in 2200 Metern Höhe an der Ostflanke des Teide, dem Austragungsort des ersten Mondroboter-Wettbewerbs der europäischen Raumfahrtagentur ESA.

"Und zwar ist das ne vulkanische Formation, die ähnelt aber sehr stark Mondkratern, insbesondere auch aufgrund der Bodenbeschaffenheit. Das ist nämlich ein lockeres, granulares Material, das trotzdem sehr steile Hänge bildet, was die besondere Schwierigkeit in dem Projekt und beim Design des Roboters ergeben hat."

Thilo Kaupisch studiert im neunten Semester Systems Engineering an der Uni Bremen. Zum Wettbewerb waren nur Studentengruppen zugelassen, acht Teams aus sechs Ländern hatten sich für die Endausscheidung auf Teneriffa qualifiziert. Die Bremer schafften es als einzige, die gestellte Aufgabe komplett zu lösen: mit einem ferngesteuerten kleinen Roboter bei völliger Dunkelheit in einen 15 Meter tiefen Krater fahren, eine rot markierte Bodenprobe finden und nach oben bringen. Ihr merkwürdiges Insekt hatte alles, was man dafür braucht.

"Das Walzenrad auf der Rückseite, die Probenahmengondel mit der Schaufel, die man runterklappen kann, um Sandproben aufzunehmen und die beiden Hauptantriebe auf der Vorderseite. Zusätzlich kommt dazu: Beleuchtung, die Video-Hauptkamera mit LED-Ring, um alles in der Dunkelheit sehen zu können, und die Funkanlage hier oben."

Das größte Problem war die Suche nach dem richtigen Antrieb. Räder drehen am steilen Hang schnell durch, spinnenartige Beine versprechen zwar sicheres Klettern, sind aber sehr schwer zu konstruieren. Die Lösung fanden die Bremer in einem fünfzackigen Stern an dessen Spitzen sie speziell geformte Füße anbrachten. Das Vorbild dafür hatten sie im Tierreich gefunden.

"In den ersten Treffen haben wir eben darüber nachgedacht, welche Tiere, die sich eben in Sandumgebung, granularen Umgebung, so Vulkangegenden bewegen, wie die sich eben am besten fortbewegen. Kamele haben zwei große Zehen, die sich beim Eindringen in den Sand auseinander spreizen. Was wir jetzt gemacht haben, ist, dass wir dem Roboter solche Kamelfüße verpasst haben, die das lose Material da drunter komprimieren können und dadurch eine sehr gute Steigfähigkeit des Systems erlaubt haben. Generell kann man sagen, dass dieser Einfall uns quasi den Sieg gesichert hat, weil die Anwendung dieses Prinzips der Kamelfüße war das, was uns den Krater wieder rauf gebracht hat."

Ganze sechs Monate hatten die Studenten Zeit vom ersten Entwurf bis zum fertigen Roboter. Frank Kirchner ist Professor für Informatik und Leiter des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz in Bremen. Er hat das Projekt betreut und einen Laborraum dafür frei geräumt.

"Ich bin einfach schier beeindruckt von der Geschwindigkeit, mit der die Studenten das umgesetzt haben. Es gab ja vorher nichts, es gab Konzepte, Ideen, aber es gab keine Hardware. Die Motivation, das Herzblut, das von den Studenten da reingeflossen ist, es auch schaffen zu wollen – na klar, die haben zwischenzeitlich auch mal das halbe Institut hier aktiviert mit der Geschichte – aber ein klassisches Projekt, wenn man das aufsetzt, da sind die Dinge langsamer, da hat man einen Projektplan und man arbeitet sich daran ab und das dauert einfach sehr viel länger. Hier haben wir mal gezeigt: Es geht auch sehr viel schneller."

Und billiger. Gerade mal 48.000 Euro hat die Studentengruppe von der ESA für die Entwicklung ihres Roboters bekommen.

"Wenn wir 1,3 Milliarden Euro – das muss man sich mal vorstellen: 1,3 Milliarden Euro – für eine Mission zum Mars ausgeben, wo wir einen Roboter auf dem Mars aussetzen, das ist nicht zwangsläufig so, dass das gerechtfertigt ist. Man kann Dinge sehr, sehr, sehr viel billiger machen und sie kommen auch zum Erfolg. Ich glaub, dass durchaus bei den ESA-Officials das auch ein bisschen im Hintergrund war: Liebe Leute aus der Industrie, liebe Leute aus den großen Instituten, schaut mal, was die Studenten mit ganz wenig Geld, mit ganz wenig Zeit auf die Reihe gekriegt haben."

Keep it simple – macht es so einfach wie möglich, das war der Rat, den Frank Kirchner seinen Studenten mit auf den Weg gegeben hatte. Und daran haben sie sich gehalten. Schickes Design sucht man an ihrem merkwürdigen Insekt vergeblich. Antriebssystem und elektronische Steuerung sind auf das Nötigste reduziert, immer nach dem Prinzip: was nicht da ist, kann auch nicht kaputt gehen. Und im Team war die fächerübergreifende Zusammenarbeit am wichtigsten.

"Wir haben hier zwei Systems Engineers, Mehmet hat vorher auch noch Elektrotechnik studiert, Informatiker, Maschinenbauer, wirklich sehr bunt gemischt. Gerade die Vernetzung und genau diese Besetzung haben eigentlich auch dazu geführt, dass so ein Ergebnis auch rauskommen konnte. Und ich würde sagen, wir sind als viel bessere Teamplayer aus diesem Projekt heraus gegangen."

Einen materiellen Preis gibt es für die Gewinner des Roboter-Wettbewerbs nicht. Trotzdem freuen sich die Bremer Studenten auf die Siegerehrung im holländischen Nordwijk. Denn dort können sie ihr technisches Konzept vor erfahrenen Roboter-Experten der Raumfahrtindustrie präsentieren.

"Jedem war eigentlich sofort klar: Ein Wettbewerb bei der ESA, der zudem noch zum ersten Mal stattfindet, ist ne Erfahrung, die man nicht missen will. Das waren fünf harte Monate, sehr harte Monate Arbeit, aber es hat sich auf jeden Fall für jeden gelohnt. Gelernt haben wir sehr viel und wir sind auch zu der Astra-Konferenz, eine große Space-Robotics-Konferenz eingeladen, und solche Sachen gibt’s dann eben auch noch dazu. Das ist sehr nett."

Weitere Informationen unter: www.cesar.dfki-bremen.de