Mona Lisas "Zwillingsschwester"

Von Gregor Ziolkowski · 21.02.2012
Eine jüngst entdeckte "Zwillingsschwester" der Mona Lisa ist ist im Madrider Prado-Museum ausgestellt. Das Bild hing schon jahrelang in der Pinakothek, ohne dass sein Wert erkannt worden wäre.
Begonnen hat das alles dort, wo das Original hängt, im Louvre in Paris. Für eine Leonardo-da-Vinci-Ausstellung, die Ende März dieses Jahres eröffnet wird, wollte man gern jene Kopie der "Mona Lisa" aus dem Prado-Museum als Leihgabe, die dort seit dessen Eröffnung im Jahr 1819 praktisch immer hängt.

Offenkundig war sie Bestandteil der königlichen Sammlungen, die den Grundstock des Museums bildeten, vermutlich gelangte sie bereits im 17. Jahrhundert in den Besitz der spanischen Krone. Gabriele Finaldi, Vizedirektor des Museo del Prado, über das Bild, das man sich bei dieser Gelegenheit genauer angesehen hat:

"Die 'Mona Lisa' aus dem Prado wurde fast immer als eine Kopie jenes Exemplars angesehen, das im bekannten Pariser Museum hängt. Allerdings hat es im 19. Jahrhundert eine Episode gegeben, bei der es hieß, das Bild im Louvre sei eine Kopie des unsrigen - aber das hatte wohl mehr mit Vaterlandsliebe zu tun. Der Hauptunterschied bestand darin, dass das Gemälde aus dem Prado keinen Ausblick zeigte, sondern einen gänzlich schwarzen Hintergrund."

Insbesondere die Infrarot-Reflektografie, aber auch chemische Analysen der verwendeten Farbe und andere Verfahren brachten ein überraschendes Ergebnis zu Tage.

Finaldi: "”Auf der Grundlage dieser Untersuchung konnten wir sehen, dass es unter diesem schwarzen Hintergrund eine komplett gemalte Landschaft gab, die in gutem Zustand erhalten war. Und dass man diese schwarze Übermalung, die vermutlich aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammt, ohne Probleme und ohne Gefahr für das Bild entfernen konnte. Und so sind wir auch verfahren: die schwarze Übermalung wurde abgetragen, die Landschaft freigelegt. Es war eine wirkliche Offenbarung.""

Natürlich ist es an sich ein Grund zur Freude, wenn man den Originalzustand eines Gemäldes - Kopie hin oder her - wiederherstellt. Hier allerdings stieß man auf wirklich Überraschendes, Erkenntnisse, die sich insbesondere der Infrarot-Reflektografie verdanken. Denn das, was man für eine später – womöglich in den Niederlanden – angefertigte Kopie hielt, geriet plötzlich in einen völlig anderen Kontext: Allem Anschein nach handelt es sich um eine Kopie aus der Werkstatt Leonardos selbst, und offenbar wurde sie parallel zum Original des Meisters angefertigt, praktisch Seite an Seite, wie Ana González Mozo, die Leiterin der Untersuchung darlegt.

González Mozo: "”Jede der Korrekturen, die Leonardo an der unter der Farbe liegenden Zeichnung im Originalbild vorgenommen hat, findet sich auch im Werk aus dem Prado. Etwa die Veränderung der Konturen der Hüfte, die in beiden Bildern von Oberflächenfalten bedeckt ist, die Position der Finger, die Linie des Dekolletés, die Kontur des Schleiers. Man kann hier sehen, wie der Schleier im Originalbild weiter rechts gezeichnet war und später seine Stellung mit Farbe korrigiert wurde, und das ist genau das, was in der Version aus dem Prado geschehen ist.""

Die Folgerung liegt nahe: Wenn denn einer nicht einfach Leonardos fertiges Bild kopierte, sondern sich zeigen lässt, dass er auch die Veränderungen, die das Originalbild erfahren hat, schon beim Zeichnen mitvollzog, dann muss er zeitgleich und im Kontakt mit dem Künstler gemalt haben.

Dann hat er vermutlich auch die gleichen Materialien benutzt und viele andere Elemente zum Einsatz gebracht, die die Arbeit des Meisters kennzeichneten. Als Studienobjekt könnte die Madrider "Mona Lisa" der Kunstgeschichte einige Aufschlüsse bieten. Von wem freilich mag sie stammen? Das liegt weitgehend im Dunkeln, aber Miguel Falomir, Chef der Abteilung für italienische Malerei im Prado, nennt zwei mögliche Kandidaten.

Falomir: "”Die Art der Ausführung scheint auf zwei Mailänder Maler aus der Werkstatt Leonardos hinzudeuten, namentlich auf Salaï oder Francesco Melzi. Sich auf einen festzulegen, fällt schwer. Aber zugunsten von Salaï könnte man anführen, dass man nach seinem Tod 1524 in seinem Nachlass eine Kopie der ‚Gioconda’ gefunden hat.""

Auch das Rätsel um den Weg, den das Bild nach Madrid genommen hat, ist allenfalls ungefähr eingekreist. Dagegen steht fest, dass die Madrider "Mona Lisa" nun rund drei Wochen im Prado zu sehen sein wird, bevor sie auf die Reise zu ihrer Pariser Schwester in den Louvre geht. Dort wird man vermutlich ins Grübeln geraten. Gegenüber der frisch und strahlend restaurierten Madrider Kopie wirkt das Original denn doch deutlich eingetrübt.
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