Modeschöpfer wird 85 Jahre alt

Der politische Karl Lagerfeld

Der Modedesigner Karl Lagerfeld ist gestorben.
Karl Lagerfeld – bis heute ist er der Macher hinter milliarden- und millionenschweren Marken wie "Chanel" oder "Fendi". © dpa / picture alliance / Stefan Kiefer
Von Johannes Nichelmann · 10.09.2018
Ein Modedesigner, ein Geschäftsmann, eine Kunstfigur: Karl Lagerfeld. Heute wird er unglaubliche 85 Jahre alt. Ein Norddeutscher in Paris, der sich seit einiger Zeit auch immer wieder in die Politik einmischt – und gehört wird.
Karl Lagerfeld kokettiert gerne. Von sich selbst sagt er, er sei total unpolitisch. Total unpolitisch? Das stimmt natürlich nicht.
"Ich interessiere mich für alle Phänomene der Gesellschaft!"
Zur Debatte um Magermodels lässt er wissen, dass niemand "runde Frauen" sehen wolle. Außerdem gab er dem französischen Präsidenten Hollande Tipps zur Führung des Finanzhaushalts. Vor drei Jahren poltert er in einem britischen Magazin, auf die Frage, was er machen würde, wäre er König, Zitat: "Gut zurechtgemacht zu sein ist keine Sache der Mittelschicht. Sozialleistungen für Familien würden ersetzt werden durch Unterhaltszahlungen für die, die sich Mühe geben."

Die französische Perspektive

November 2017. Karl Lagerfeld ist in einer Talkshow des französischen Fernsehsenders Canal 8 zu Gast und gibt zu Protokoll: "Wir können nicht, selbst wenn Jahrzehnte zwischen den beiden Ereignissen liegen, Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen." Worte, die auch in Deutschland wahrgenommen werden. Ein Skandal.
Stern-Journalist David Baum: "Ich glaube, man darf auch das Nachkriegsdeutschland nicht unterschätzen, aus dem er ja bewusst auch abgehauen ist. Und dann gibt es natürlich noch diese besondere Sicht aus Frankreich heraus, wo man natürlich eine ganz andere Flucht der Juden hat. Die Zahl der jüdischen Bevölkerung Frankreichs hat sich ja in den letzten Jahren und Jahrzehnten so massiv verringert. Die können sich dann aussuchen, von wem sie irgendwie antisemitisch diskriminiert werden wollen. Ob das jetzt die Muslime oder die Front National-Leute sind – das sind sicher so Eindrücke, die er auch hat."
Lagerfeld zieht als 15-Jähriger von Bad Bramstedt nach Paris. Mit einer Mantelzeichnung siegt er damals bei einem Wettbewerb – das ist seine Eintrittskarte in die Modewelt.
"Ursprünglich, bevor ich überhaupt wusste, dass man aus Mode einen Beruf machen konnte, wollte ich Karikaturist werden."

Politische Karikaturen

Eine Leidenschaft, die Lagerfeld heute auslebt. Jeden Monat veröffentlicht er im Magazin der "FAZ". Hier arbeitet er sich allzu gern an der deutschen Regierungschefin ab, die er nach eigener Aussage hasst. Übersetzt in eine Karikatur sieht das so aus: Hinter einer Angela Merkel mit angsterfülltem Blick und beiden Händen vor dem Mund steht Adolf Hitler. Darüber die Worte: "Vielen Dank, dass Sie ungewollt meinen Nachfahren erlaubt haben, wieder im Parlament vertreten zu sein".
Die Botschaften des Modedesigners erreichen maximale Aufmerksamkeit. Auch Merkel selbst scheint sich damit zu beschäftigen.
"FAZ"-Redakteur Alfons Kaiser: "Zum Beispiel kam dann aus dem Bundeskanzleramt so ein bisschen eine seltsame Reaktion. Die waren so ein bisschen indigniert, als er mal gezeichnet hatte, Angela Merkel im Anzug und darunter stand: 'Der einzige Mann in Berlin.' Das fand, glaube ich, die Bundeskanzlerin, jedenfalls laut ihrem Sprecher, nicht so lustig, weil das eben sehr zugespitzt war, dass sie die Macht hatte. Dass sie die Macht offenbar auch auslebt, wie ein Mann."

Ein Universalgenie

Lagerfeld hat Narrenfreiheit. Nicht wenige Beobachterinnen und Beobachter sehen in dem heute 85-Jährigen so etwas wie ein Universalgenie. Etwas vorsichtiger ist Stern-Journalist David Baum:
"Wie in allem, in seinen ganzen Interviews, da sind sehr viele originelle Ideen dabei, aber ich habe nicht den Eindruck, dass da eine ganz große, ich weiß nicht, politische These oder Aussage oder Haltung dahinter steckt. Ich glaube, das wäre ihm auch schon wieder viel zu arriviert und viel zu ernst."
Also ist es auch ein Spiel?
David Baum: "Es ist auch ein Spiel, ja! Ich glaube, ein bisschen so, wenn es so die große Grundannahme dieser Persönlichkeit gibt, dann die, dass eigentlich ja eh nichts wirklich von Gültigkeit ist."
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