"Moderne Kunst"

Von Peter Richter · 08.03.2005
Susanna Partsch hat Bücher über Paul Klee, Franz Marc oder Gustav Klimt geschrieben. Angesichts des Hypes der modernen Kunst, der großen Sammlungspräsentationen ist ihr jetzt erschienenes kleines Nachschlagewerk "Moderne Kunst" das richtige Buch zur richtigen Zeit - passt in jede Jackentasche und endlich kann man überall mitreden.
Museen können einschüchternde Orte sein. Gerade für die Gutwilligen, die vor der Kunst stehen wie vor einem absolutistischen Herrscher und darauf hoffen, dass das Werk zu ihnen spricht. Deshalb sagen hinterher so viele: "Das sagt mir nichts" – und suchen die Schuld bei sich. Es ist also immer noch so, wie Schopenhauer das beschrieben hat, und für Museen mit moderner Kunst trifft das leider ganz besonders häufig zu. Vielleicht würde oft ja schon ein kleines Büchlein helfen, ein Nothelfer, den man aus der Tasche ziehen kann, um wenigsten die rätselhaften Begriffe noch einmal nachzuschlagen, die einem da ständig um die Ohren geschlagen werden von den Erklärtafeln, den Museumsleuten, den Kunstkritiken: Wo kommen die vielen Ismen her? Was bedeuten sie? Warum sind bei Beuys Fett und Filz Kunst? Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen "abstrakt", "gegenstandslos" und "konkret"?

So ein schmales Taschenbuch hat Susanna Partsch jetzt vorgelegt. Die promovierte Kunsthistorikerin ist spezialisiert darauf, das mitunter sektenhaft gehütete Wissen von Spezialisten allgemeinverständlich aufzubereiten, denn Leuchttürme – im Sinne des Wegweisens - sind ihr näher als Elfenbeintürme.

Ihr Buch "Haus der Kunst", ein "Gang durch die Kunstgeschichte von der Höhlenmalerei bis zum Graffiti" (bei dtv) bekam 1998 den Deutschen Jugendliteraturpreis. Man muss ihrer Prosa unbedingt zugute halten, dass sie ein Dilemma meistert, das typisch ist für die Kunst: Wer, besonders in Deutschland, über moderne Kunst schreibt, begreift sich meistens als ihr Verteidiger gegenüber einem vermeintlich ignoranten Publikum. Sogar die Berufskritiker sind sich mit ihrem Gegenstand oft verblüffend einig, passen ihre Sprache an und schreiben über expressionistische Kunst am liebsten irgendwie expressionistisch, über Pop-Art poppig und über Dada dadaistisch. Auf der anderen Seite besteht immer die Gefahr, die Dinge im Interesse eines ungeduldigen Publikums zu sehr zu simplifizieren, die so genannten Diskurse so stark "herunterzubrechen", dass sie der komplexen Materie nicht mehr gerecht werden.

Susanna Partsch entgeht beiden Versuchungen durch Sachlichkeit, durch eine manchmal fast buchhalterische Aufbereitung des gegenwärtigen Forschungsstandes, und durch den Verzicht auf die Ausbreitung der eigenen Meinungen; im Zweifel erzählt sie lieber eine erhellende Künstleranekdote.

Die 101 Fragen hat sie sich nicht alle selbst gestellt, sondern, wie sie schreibt, unter Schülern eines Kunstleistungskurses sowie unter Bekannten gesammelt, die ausdrücklich keine Kunsthistoriker sind. Es sollen also die Fragen genau der interessierten Laien sein, für die das Buch am Ende auch gedacht ist. Das reicht von grundlegenden Fragen wie "Was ist Moderne Kunst?" bis zu Details wie "Warum gibt es seit 1955 die Documenta in Kassel?" oder "Hatten bei der Entwicklung der Gegenstandslosigkeit auch Frauen einen Anteil?"

Das letzte Beispiel lässt vermuten, dass gelegentlich auch erst die Antwort da war, und dann die Frage. Interessant ist es trotzdem. Und manchmal ist es sogar richtig überraschend, wie Partsch in den kurzen Kapiteln ihres Büchleins Themen unterbringt, zu denen inzwischen ganze Bibliotheken existieren. Die umstrittene DDR-Kunst und deren vertracktes Verhältnis zur Kunstentwicklung im Westen zum Beispiel erklärt sie nonchalant an großen Namen wie Sitte, Mattheuer oder Tübke vorbei – mit einem Bild von Willy Wolff, in dem auf verblüffende Weise Pop Art und alteuropäisches Kunstbildungsbürgertum zusammenfinden.

Man muss dieses Buch nicht im Museum aus der Manteltasche ziehen, man kann es auch zu Hause von vorne bis hinten als große zusammenhängende Erzählung lesen, in der eine Antwort schon zur nächsten Frage führt. Und wenn man es im Museum aus der Tasche zieht, darf man auch nicht erwarten, einen Universalschlüssel zum Verständnis jedes Kunstwerks in den Händen zu halten. Diese Arbeit kann das Buch leider nicht abnehmen, aber es kann einem dabei immerhin ein bisschen unter die Arme greifen. Und manchmal wird man es auch bedauern, dass man Frau Partsch nicht am Ärmel zupfen kann wie einer Mitarbeiterin vom Museumspädagogischen Dienst, weil man zu diesem oder jenem noch mehr wissen will. Dafür bleiben einem dann wieder nur die dicken Fachbücher, aber die kann man eben nicht so schön einfach die Tasche stecken.

Susanna Partsch: Moderne Kunst. Die 101 wichtigsten Fragen.
beck’sche reihe. Verlag C.H.Beck München 2005, 160 S., 9,90 €