Moderne Kunst in barocker Pracht

Von Alexandra Gerlach · 18.06.2010
Für Kunstfreunde war das Dresdner Albertinum seit Jahrzehnten eine feste Adresse. Doch nach der Jahrhundertflut 2002 war klar, dass das Haus nicht länger so würde weitermachen können. Jetzt feiert Sachsen mitten in der Wirtschaftskrise die festliche Wiedereröffnung des umgebauten Albertinums.
Sechs Jahre Sanierungsarbeiten, 51 Millionen Euro Baukosten und eine Menge Arbeit liegen hinter den Verantwortlichen für den Umbau des Albertinums. Nun gibt es zufriedene Minen, auch bei Architekt Volker Staab:

"Denn es war nicht nur ein Spaziergang die letzten sechs Jahre, aber um so glücklicher sind wir natürlich, dass es jetzt fertig ist."
Mit einer kühnen Idee hat Staab dem ehemaligen Zeughaus an der Brühlschen Terrasse ein neues Dach aufgesetzt, das nun das neue, hochwassersichere Depot beherbergt ohne die Grundfläche des Gebäudes einzuschränken:

"Und daraus ist eigentlich die Idee entstanden, dieses Depot zwischen Traufe und First, sodass man es nicht aus der Stadt heraus sieht - im besten Sinne unser erstes unsichtbares Gebäude. Man muss sich vorstellen, hier oben drüber sind zwei Stockwerke vom Dach abgelöst, damit das Tageslicht hier einfällt und das ist eben das neue Haus."

Ein neues Haus, oder, wie die sächsische Kunstministerin von Schorlemer sagt, eine "Arche der Kunst" in 17 Metern Höhe und von unten nicht zu sehen. Über dem einst offenen Innenhof spannt sich nun eine 2700 Tonnen schwere Brückenkonstruktion. Sie trägt das Dach und zwei Etagen, auf denen nun Restaurierungswerkstätten und das Depot untergebracht sind. Ulrich Bischoff, Direktor der Galerie Neue Meister ist begeistert:

"Das Depot ist eine wunderbare große Etage, wo es also Hängewände gibt und es gibt sozusagen Raum für 6000 Gemälde, alte und neue Meister und die sind dann erreichbar sofort, das heißt, man kann dort permanent oder häufiger im Jahr Sachen neu einrichten und das ist ein ganz großer Zugewinn."

Beeindruckend in seiner Größe und Großzügigkeit präsentiert sich nun der überdachte Innenhof, der künftig nicht nur zum Verweilen einlädt, sondern einer vielfältigen kulturellen Nutzung entgegen sieht. Große, elegante Leuchtschriftzüge an den Wänden weisen den Weg zu den einzelnen Ausstellungsbereichen.

Direkt am Eingang wird der Besucher in Empfang genommen von einer Antikensammlung, die sich ihm hinter einer gewaltigen Glaswand neugierig zuzuwenden scheint. Diese Persönlichkeiten aus Stein von der Antike bis zum Barock werden später einmal im Zwinger ein neues Refugium erhalten. Bis dahin bleiben sie hier im Albertinum, wo sie bis zur Flut zuhause waren.

Noch sind die Seiten im ledergebundenen Gästebuch des Albertinums weitgehend unbeschriebene Blätter. Auf Seite 1 begrüßen die beiden Direktoren Ulrich Bischoff und Moritz Woelk handschriftlich die Gäste im "neuen Albertinum". Heute sind sie froh, dass ihre Arbeit nun Früchte tragen darf, sagt Moritz Woelk:

"Ja, wir haben zum ersten Mal die Möglichkeit, den großen Bestand von Skulpturen des 19. Jahrhunderts und des Beginns der Moderne mit Auguste Rodin und Degas wirklich umfassend zu präsentieren und dann auch in großen Schritten bis zur Kunst der Gegenwart in der Skulptur voranzukommen, Dinge zu zeigen, die wir vorher noch nicht zeigen konnten, noch nicht hatten und überhaupt jetzt auch die Sammlung in der Richtung weiter auszubauen."

Seit seinem Amtsantritt 2002 hat Woelk, als Direktor der Dresdner Skulpturen-Sammlung davon geträumt, seine Schätze eines Tages in voller Schönheit zeigen zu können. Jetzt ist seine Sammlung sowohl in der neuen Skulpturenhalle auf 1200 Quadratmetern zu erleben, als auch im ersten Obergeschoss.

Dort bilden Mosaik- und Zwingersaal sozusagen ein symmetrisches Geschwisterpaar. Der Mosaik-Saal widmet sich mit Skulpturen des Klassizismus dem Thema Moral, im Klingersaal erwartet den Besucher der "Salon des Symbolismus". Das ist ein von der Skulpturensammlung und der Sammlung Neue Meister gemeinsam konzipierter Epochenraum des Fin de Siècle.

Das neue Albertinum zeigt Bilder von der Romantik bis zur Gegenwart, von Caspar David Friedrich bis zu Gerhard Richter, Penck und Georg Baselitz. Künftig widmet die Galerie Neue Meister den Expressionisten der "Brücke" einen eigenen Raum, ebenso Baselitz und Richter. Beide Künstler haben sächsische Wurzeln. Sie hatten sich 2002 nach der Flut mit über 40 weiteren Kollegen spontan dazu entschlossen, Kunstwerke für eine Benefiz-Auktion zugunsten eines Depot-Neubaus zu stiften. Der Erlös wurde zum Grundstein für das, was heute zu bestaunen ist. Gerhard Richter hat nun Grund zur Freude:

"Hier das ist wunderbar, ich bin so richtig glücklich, nicht nur, dass ich den Anstoß geben konnte durch den Zufall des Bildspendens, sondern, dass es überhaupt so gut geworden ist, da kann man nur gratulieren, schön!"

Auch Georg Baselitz ist angetan vom neuen Albertinum, hegt aber dennoch Skepsis, ob dieses neue Haus der Moderne zu Dresden passt:

"Weil, ich weiß nicht, ob Dresden sich überhebt, oder das ganze Land sich überhebt, ich denke es gibt wenig Tourismus für zeitgenössische Kunst."

Sachsens Kunstministerin, Sabine von Schorlemer hingegen sieht im neuen Albertinum eine Chance. Damit werde Dresden künftig auch jenseits der barocken Pracht als moderne Kunststadt wahrgenommen.