Mladićs Tagebuchaufzeichnungen als Kunstobjekt in Belgrad

Erinnerung an den großen Schatten

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Einblick in die Ausstellung "The Notebook" von Vladimir Miladinovic in der Galerie Eugster II Belgrade in Belgrad. Der serbische Künstler Miladinovic hat ein 400seitiges Tagebuch des wegen Völkermordes verurteilten Serbenführers Ratko Mladic per Hand abgezeichnet, um den Opfern des Massakers von Srebrenica ein Denkmal zu setzen.
Denkmal für die Opfer von Srebrenica: "The Notebook" von Vladimir Miladinovic in der Galerie Eugster // Belgrade. © Ivan Zupanc - Eugster II Belgrade
Jan Eugster im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 28.06.2020
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2017 wurde Ratko Mladić wegen Völkermords zu lebenslanger Haft verurteilt. Durch seinen Befehl starben Tausende muslimische Männer und Jungen in Srebrenica. Der Künstler Vladimir Miladinovic hat nun ein besonderes Denkmal geschaffen.
Das Massaker von Srebrenica jährt sich im Juli zum 25. Mal. Im Sommer 1995 führte Ratko Mladić serbische Truppen gegen die bosnischen Muslime an - in Srebrenica wurden mehr als 8300 muslimische Männer und Jungen ermordet. 2017 hat der Internationale Strafgerichtshof Mladić wegen Völkermords zu lebenslanger Haft verurteilt.

400 Seiten Tagebuchaufzeichnungen

Nach der Festnahme Mladićs wurden in einer doppelten Wand in dessen Wohnung Tagebücher gefunden und sichergestellt. Der serbische Künstler Vladimir Miladinovic hat aus Tagebuchaufzeichnungen ein Kunstobjekt gefertigt, das der Galerist Jan Eugster nun in Belgrad ausstellt: "Das ist eine große monumentale Arbeit mit 400 Seiten, wo Miladinovic tatsächlich jede Seite abgezeichnet hat, Linien nachgefahren, Namen nachgeschrieben, Listen nachgeschrieben."
Einblick in die Ausstellung "The Notebook" von Vladimir Miladinovic in der Galerie Eugster II Belgrade in Belgrad. Der serbische Künstler Miladinovic hat ein 400seitiges Tagebuch des wegen Völkermordes verurteilten Serbenführers Ratko Mladic per Hand abgezeichnet, um den Opfern des Massakers von Srebrenica ein Denkmal zu setzen. 
In seinem Tagebuch hat Ratko Mladic unter anderem alltägliche Verabredungen notiert.© Ivan Zupanc - Eugster II Belgrade
Bei den ausgestellten Seiten handelt es sich um Aufzeichnungen Mladićs aus dem Jahr 1992. Mladić habe in dem Tagebuch alles "ganz neutral" aufgeschrieben, Verabredungen, Telefongespräche und andere Notizen: "wie viele Bäckereien gibt es wo, damit man unter Umständen Truppen ernähren kann". Die Kälte, mit der die Details notiert wurden, habe ihn erstaunt, sagt Eugster.
Das Massaker von Srebrenica werde in Serbien weder verdrängt noch verleugnet, meint der Galerist. Vielmehr wolle man es nicht täglich thematisieren, "weil es ein großer Schatten ist". Die serbischen Medien und auch die Besucher seien von der Ausstellung aber "sehr beeindruckt". Miladinovic habe mit seiner Arbeit ein "Denkmal" geschaffen.

Bis zum 5. September 2020 ist die Ausstellung "The Notebook" in der Galerie "Eugster // Belgrade" zu sehen.

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