Mitreißende Lyrik einer tragischen Dichterin

26.02.2009
Zu Lebzeiten war die amerikanische Dichterin Sylvia Plath nur mäßig bis gar nicht erfolgreich. Doch nach ihrem Selbstmord 1963 wurde ihre Gedichtsammlung "Ariel" weltberühmt. Allerdings hatte sich ihr Exmann Ted Hughes nicht an ihre Endfassung gehalten, sondern sortierte um und ließ Text weg. Erst 2004 erschien "Ariel" in der von Plath gewünschten Form und liegt nun in kongenialer Neuübersetzung von Alissa Walser vor.
Die 1932 geborene US-amerikanische Dichterin Sylvia Plath erhielt zu Lebzeiten kaum Bestätigung für ihre künstlerischen Arbeiten. 1960 publizierte sie in Großbritannien und ein Jahr später auch in den USA ihre Gedichtsammlung "The Colossus and other poems". Die Resonanz war mäßig.

Postum gab ihr Ehemann, der Brite Ted Hughes, ebenfalls Lyriker und poeta laureatus seiner Majestät, die späten Gedichte der Jahre 1962 und 1963 heraus, und als mit der Veröffentlichung des halbautobiographischen Romans "Die Glasglocke" in den USA 1971 der Ruhm einbrach, sahen das viele der Bewunderer von Plaths Kunst mit gemischten Gefühlen. Die manisch-depressive Erkrankung Syliva Plaths las sich in der Autorbiographie wie eine notwendige Bedingung der Kreativität. Der Literaturwissenschaftler Irving Howe sagte über das Sylvia Plath-Bild, das in der Öffentlichkeit entstand: "Eine Legende, die unsere Begierde zur Heroisierung von Krankheit anstachelt."

Und schwer krank war Sylvia Plath tatsächlich. Schon im Studium litt sie an schweren Depressionen, die damals mit Elektroschocktherapie behandelt wurden. Immer wieder pendelte sie zwischen manischem Zustand und Depression. Sie unternahm mehrere Selbstmordversuche, bevor sie sich 1963 tatsächlich umbrachte.

Sylvia Plath hatte den entstehenden Gedichtband in einer Endfassung hinterlegt. Dennoch sortierte Ehemann Hughes um, ließ einige Texte weg. So ist nur konsequent, dass 2004 im angelsächsischen Raum die Urfassung der "Ariel"-Sammlung wiedervorgelegt wurde. Der Suhrkamp Verlag nahm das zum Anlass, Alissa Walser mit einer Neuübertragung zu beauftragen. Die alte von Hughes redigierte Ausgabe hatte Erich Fried übersetzt, sehr eigenständig, eine typische Nachdichtung. Die in der ersten Ausgabe fehlenden Texte von jemand Dritten übersetzen zu lassen, war ja keine Option, weil Frieds Sprache dafür viel zu eigenwillig ist.

Alissa Walsers Übertragung liest sich gut, nicht übertreibend, aber konzentrierte Metaphern auch übersetzerisch prägnant hervorhebend:

A disturbance in mirrors,
The sea shattering it's grey one -

Love. Love my season.

Eine Störung in den Spiegeln, seinen grauen
Zerschmettert das Meer -

Lieb', Lieb' meine Jahreszeit.


Die Gedichte sind mitreißend, suggerieren sie doch tatsächlich, Aufschluss über eine Lebensgeschichte zu erhalten, eine Tatsache, die Plath prädestiniert, biographisch interpretiert zu werden.

Leider ist im gut ausgestatteten, zweisprachigen Suhrkamp-Band, mit einem lesenswerten Vorwort von Plaths Tochter Frieda Hughes, keine Liste der beiden Ariel-Fassungen enthalten. Dafür kann man das Titelgebende Gedicht "Ariel" in ganzen zwölf Versionen nach verfolgen - im Anhang sind Faksimiles der Manuskripte enthalten.

Die neue "Ariel"-Ausgabe ist ansonsten eine vorbildlich gestaltete Leseausgabe für den Plath-Neuling und sowieso interessant für die, die bisher die Erich-Fried-Ausgabe genossen haben.

Rezensiert von Marius Meller

Sylvia Plath: Ariel
Gedichte. Englisch und Deutsch. Übertragen von Alissa Walser. Mit einem Vorwort von Frieda Hughes
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008.
222 Seiten, 22,80 Euro