Mitbestimmung in der Kita

Demokratie lernen im Kindergarten

Abstimmung mit Murmeln: Ist die Mehrheit auf dem Smiley-Gesicht, gilt das als Zustimmung.
Abstimmung mit Murmeln: Ist die Mehrheit auf dem Smiley-Gesicht, gilt das als Zustimmung. © Claudia Baumann
Claudia Baumann im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 17.05.2017
Demokratie mit Kleinkindern? Klappt! In der Kita "Lotte Lemke" in Halstenbek bei Hamburg können die Kleinen mitbestimmen bei wichtigen Fragen wie Mittagessen oder neue Erzieher. Das ist lehrreich und lohnt sich, so das Fazit der Kita-Leiterin Claudia Baumann.
In der Kita "Lotte Lemke" in Halstenbek bei Hamburg haben schon Dreijährige die Macht der Mitbestimmung und des Mandats. So können sie zum Beispiel mitbestimmen, was es zum Mittagessen gibt, sagt Kitaleiterin Claudia Baumann:
"Die Kinder haben nach dem Mittagessen die Möglichkeit, abzustimmen, ob es ihnen geschmeckt hat. Unser Koch geht regelmäßig durch die Gruppen und fragt nach: Was wollt ihr? Was gibt es für Kinderwunschessen? Und es gibt nicht nur Nudeln mit Ketchup."
Aber wie findet man dann eine Mehrheit für ein Essen?
"Die Kinder können ein anderes Mittagessen dem Kinderrat vorschlagen. Der Vorschlag zum Essen wird im Kinderrat diskutiert, der fordert dann Vorschläge aus den Gruppen ein, die Gruppen halten Konferenzen ab und geben die Ergebnisse zurück an den Kinderrat. Dann kann man Punkte verteilen fürs Essen."
Was soll es zum Mittag geben? Kinder können in der Kita "Lotte Lemke" mitbestimmen, was gegessen wird.
Was soll es zum Mittag geben? Kinder können in der Kita "Lotte Lemke" mitbestimmen, was gegessen wird.© Claudia Baumann
Wie lernen die Kinder, mit anderen Mehrheiten umzugehen?
"Bei den Kindern ist da eine größere Akzeptanz, als es sich manch Erwachsener vorstellt, weil ihnen ist klar: Ich habe nur eine Stimme und mit meiner einen Stimme kann ich was machen. In der Regel sind sie nicht wirklich enttäuscht. In der Regel ist es so, dass sie sagen: Okay, wir bringen das zu einem anderen Zeitpunkt wieder aufs Tablett und dann gibt es ein anderes Essen."

"Ich lerne abzuwarten"

Auch wenn das Verfahren langwierig klingt, es hat durchaus positive Effekte, findet Claudia Baumann:
"Ich lerne zu warten, ich lerne abzuwarten, ich lerne Akzeptanz, dass nicht alles dann geht, wenn ich es möchte als Kind, und ich lerne Wertschätzung gegenüber der Meinung der anderen."
Natürlich können die Kinder nicht über alles bestimmen, sagt Claudia Baumann, aber Kitaleitung und Eltern hätten es eben in der Hand, festzulegen, worüber mitbestimmt werden darf und worüber nicht.
Durch diese Verfahren könnten die Kinder lernen, "dass sie Respekt und Wertschätzung anderen Menschen gegenüber zeigen können, sie können lernen, ihre eigene Meinung zu haben".
Abstimmung mit Murmeln: Die Karte mit den meisten Kugeln gewinnt.
Abstimmung mit Murmeln: Die Karte mit den meisten Kugeln gewinnt.© Claudia Baumann

Lernen, Entscheidungen zu hinterfragen und zu verstehen

Auch die Erzieher müssten akzeptieren, dass die Kinder Mitspracherechte haben, und die Kinder sagen es ihnen auch:
"Die Kinder reagieren nicht mehr so: Mach mal! Tu es! Sondern sie hinterfragen das, und das ist auch Ziel und Zweck der ganzen Geschichte: Das, was ich entscheide, zu hinterfragen und zu verstehen, warum ich mich dafür entscheide.
Und wenn ich als kleiner Mensch im Kindergarten das schon lerne, welche Wandfarbe wir haben oder welches Spielgerät wir neu kriegen, oder der Erzieher darf nicht allein bestimmen, ob die Gruppe umgestellt wird, das ist unser Lebensraum, wir Kinder haben da ein Mitspracherecht, und die Kinder dann schon zu den Kollegen sagen: Du darfst nicht einfach das Gummistiefel-Regal wegstellen, du hast uns nicht gefragt! Und dann geht das in die Gruppenkonferenz, das heißt, die Pädagogen werden dann angehalten, nicht einfach über den Kopf der Kinder hinweg zu entscheiden."
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