Mit Volldampf ins Ungewisse

Von Björn Schwentker · 07.12.2009
Der Klimawandel kommt. Für Politik und Wirtschaft in den Ländern heißt das: Sie müssen sich anpassen, Deiche erhöhen, Industrieanlagen umbauen, die Wälder neu pflanzen und den Ackerbau umstellen. Oder sich zur Not teuer versichern. Doch womit sollen sie anfangen und wie viel Geld dürfen solche Umstellungen kosten? Um das zu entscheiden, sind dringend Analysen der künftigen Klimaschäden nötig. Doch die gibt es nicht. Im Vakuum des Wissens schwanken die Länder zwischen Zurückhaltung und Entschlossenheit.
Benno Hein: "Wir wissen heute schon, wie das Klima sich verändern wird. 800 Milliarden Euro, die ein Schaden bis zum Jahre 2050 für Deutschland ausmachen kann."

Christian Lippert: "Also bei konkreten Zahlen: immer Vorsicht. Wir leben in einer zahlengläubigen Welt."

Jörg Stumpp: "Weil wir nicht genau wissen, was auf uns zukommt, haben wir einen Klimazuschlag eingeführt: 15 Prozent werden alle Maßnahmen größer geplant, als eigentlich das hundertjährige Hochwasser vorhersagen würde."

Ulrich Matthes: " ...aus heutiger Sicht gehen wir davon aus, dass Laubmischwälder mit einer großen Baumartenvielfalt eine gute Strategie sind, um im Klimawandel bestehen zu können."

Jörg Stumpp: "Klimawandel betrifft jeden Bürger, und wenn er nur durch einen Orkan sein Dach verliert. Wenn er nicht versichert ist, muss er es selber tragen. Man darf nicht den Fehler machen und sagen: Das ist jetzt ein Schaden, den der Staat zu bezahlen hat."

Benno Hein: " Heißt das Handeln, oder heißt das Nicht-Handeln?""

Lange hat es gedauert, doch jetzt hören selbst Regionalpolitiker die Alarmglocken läuten: Der Klimawandel ist real, auch bei ihnen vor der Haustür. Dass die Erde sich erwärmt, ist nicht mehr zu leugnen: In den letzten hundert Jahren ist die Temperatur in Deutschland um etwa 0,7 Grad gestiegen, in den Alpen sogar um das Doppelte. Wetterextreme, sagen die Klimastatistiker, treten immer häufiger auf. Noch in den Knochen sitzt vielen der Schrecken über den heißen und trockenen Sommer 2003, der 9.000 Menschenleben forderte, oder über das Jahrhunderthochwasser an der Elbe im Jahr zuvor.

Benno Hein: "Das sind Zeichen, die wir heute wahrnehmen, und die sich verstärken können. Und die Frage ist natürlich jetzt: Wenn ich Wahrscheinlichkeiten dafür identifiziert habe, dass solche Veränderungen stattfinden, solche Risiken auftreten können, heißt das Handeln, oder heißt das Nicht-Handeln?"

Benno Hein leitet im Umweltbundesamt das Fachgebiet Klimaschutz. Er kennt die Vorhersagen der Meteorologen für die deutschen Bundesländer: Die Temperatur soll steigen, besonders stark im Norden und Osten. Im Winter soll es mehr regnen, im Sommer weniger. Dürre, Stürme und Hagel könnten häufiger werden.

Politik und Wirtschaft sind alarmiert: Die Landwirte fürchten, dass wegen der Trockenheit ihre Ernteerträge einbrechen. Kraftwerksbetreiber und Industrieunternehmer bangen, dass die Flüsse nicht mehr genug Kühlwasser für ihre Anlagen führen. Dem Alpentourismus könnten die Skifahrer wegbleiben, weil kein Schnee mehr fällt.

Stattdessen aber Regen satt, zum Schrecken der Flussanrainer - Deiche und Wehre sind für solche Wassermassen nicht ausgelegt. Immer lauter wird der Ruf nach Anpassungsmaßnahmen. Die Deiche müssten erhöht, der Industrie genug Wasser für Trockenzeiten zurückgehalten werden. Die Bauern gelte es gegen Enteschäden zu sichern, den Urlaubsort Wald auch im neuen Klima überlebensfähig zu machen. Eine riesige Aufgabe, sagt Benno Hein.

"Für ganz Deutschland ist es derzeit noch überhaupt nicht schätzbar, in welcher Größenordnung Anpassungsbedarf vorhanden ist. Wir gehen davon aus, dass er sich in dem Bereich von dreistelligen Milliardenbeträgen bewegt."

Das ist das große Problem der Politiker vor allem in den Ländern: Vor Ort würden sie gerne dort am meisten Geld in die Schadensabwehr investieren, wo es sich am ehesten lohnt, sprich: wo der Klimawandel die größten Kosten verursacht.

Benno Hein: "Das finde ich eine sehr, sehr wichtige Frage, weil, die führt eigentlich zu der nächsten Frage: Was ist hinreichend? Was ist an Anpassungsmaßnahmen hinreichend, an Anpassungsaktivitäten hinreichend, um den Risiken zu begegnen, mit denen wir rechnen müssen?"

Doch die Risiken, die Kosten kennt keiner. Klar scheint zwar, dass jedes Bundesland, ja sogar jeder Landkreis etwas anders betroffen sein wird. Dass zeigen regionale Klimamodelle. Doch was bedeutet das in Euro und Cent für die dort ansässigen Wirtschaftszweige? Wer solche Zahlen sucht, findet nur Schulterzucken: in Wirtschaftsministerien ebenso wie bei Branchenverbänden und Umweltschutzorganisationen.

Umfassende Studien zu den regionalen Kosten des Klimawandels gibt es nicht. Mit einer Ausnahme: Im Frühjahr 2008 präsentierte die Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin erstaunlich konkrete Zahlen: In den nächsten 50 Jahren erwarteten Deutschland volkswirtschaftliche Belastungen von 800 Milliarden Euro. Am stärksten treffe es Baden-Württemberg mit fast 130 Milliarden Euro Kosten und Bayern mit gut 110 Milliarden Euro. Die Forscherin gab auch an, welche Länder prozentual, gemessen an ihrer Wirtschaftskraft, am stärksten zu leiden haben würden: Nun fanden sich die wohlhabenden Bayern und Baden-Württemberger auf den hinteren Plätzen. Ganz vorne in Sachen ökonomischer Belastung lagen jetzt Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz.

Die Medien stürzten sich auf die Berliner Zahlen. Endlich, so schien es, ließ sich mit dem Klimawandel rechnen. Doch die Fachwelt war empört.

Benno Hein: "Die Frage ist, da Frau Kemfert sich selbst als Wissenschaftlerin bezeichnet, welche wissenschaftlichen Methoden sie angewandt hat, und nach meiner Auffassung sind etliche ihrer Grundannahmen, ihrer Methoden nicht nachvollziehbar, auch in Publikationen nicht nachvollziehbar, und das ist für mich erst mal mit einem großen Fragezeichen versehen."

... und das ließ sich bisher nicht beseitigen. Gegenüber Deutschlandradio Kultur wollte Claudia Kemfert sich nicht äußern. So bleibt weiterhin unklar, wie die Forscherin beispielsweise errechnet hat, dass gerade die Landwirtschaft unter dem Klimawandel besonders stark leide. Denn möglicherweise leidet sie gar nicht, besagen neuste Forschungsergebnisse von der Universität Hohenheim. Dort haben Wissenschaftler berechnet, was mit den Einkommen der Bauern passiert, wenn sich Temperaturen und Niederschläge so ändern, wie von den gängigen regionalen Klimamodellen prognostiziert, sagt Agrar- und Umweltökonom Christian Lippert:

"Wenn man das für Deutschland macht, dann ergibt sich aus dieser Berechnung ein leichter Vorteil für die Landwirtschaft, ein Anstieg der Einkommen um fünf Prozent auf zwanzig Jahre bei einem moderaten Anstieg der Temperaturen um 1,5 Grad Celsius, die Klimaforscher sagen ja stärkere Anstiege, allerdings dann in längeren Zeiträumen voraus."

Als Versprechen an die Landwirte möchte Christian Lippert seine Studie lieber nicht verstanden wissen. Er betont, wie unzuverlässig die ökonomischen Prognosen sind, die die Forschung bei heutigem Wissensstand liefern kann. Wirklich sicher ist er nur, dass der Trend stimmt. Zu viele Faktoren lassen sich schlichtweg noch nicht in die ökonomischen Modelle einbauen, sie würden dann zu komplex. In der Hohenheimer Studie etwa musste die Zunahme von Dürren und Stürmen außen vor bleiben.

Christian Lippert: "Wie das aussehen wird, wie das im einzelnen Landkreis sich darstellen wird, dazu können wir im Moment nichts sagen. Das ist ja wie mit der Wettervorhersage. Je weiter die in die Zukunft geht, desto unsicherer wird das, dann wird es sehr wahrscheinlich regnen, und wir haben es schon sehr oft erlebt, dass es dann doch nicht geregnet hat, so ähnlich ist das eben bei den ökonomischen Modellen auch."

Schon die Grundlage der Simulationen sei wackelig, sagt Christian Lippert. Das sind die Prognosedaten für Temperatur- und Niederschlagsentwicklung, wie sie die regionalen Klimamodelle ausspucken. Diese basieren stets auf Annahmen, von denen keiner weiß, ob sie so auch eintreffen werden. Zum Beispiel, wie hoch der menschliche CO2-Ausstoß sein wird. Die Modelle liefern zwar schön bunte Deutschlandkarten, auf denen man glaubt, ablesen zu können, wie das Klima vor der eigenen Haustür in 50 Jahren sein wird. Doch der Detailgrad täuscht. Gerade mal vier Regionalmodelle gibt es für Deutschland. Alle rechnen mit anderen Methoden und alle bekommen auf lokaler Ebene andere Ergebnisse. Weiter ist die Wissenschaft noch nicht.

Christian Lippert: "Was den konkreten Wert angeht, ist das mit Vorsicht zu genießen. Und dann haben Sie eben noch die Unsicherheit, die in der Anpassung der Wirtschaft auf den Wandel enthalten ist. Also im Extremfall wird es in einer Region deutlich wärmer und jetzt kann man dort Obst, vielleicht sogar Wein anbauen, was man vorher nicht getan hat. Die Landwirte müssten das, wenn sie keine Winzer sind, im Extremfall lernen, sie müssten die entsprechenden Kulturen anbauen. Und das geht natürlich nicht von heute auf morgen und ist mit erheblichen Kosten verbunden."

Auch diese unvorhersehbaren Kosten gehen nicht in die Modelle der Ökonomen ein. Ob ein Unternehmer letztlich Schaden oder Nutzen vom Klimawandel haben wird, hängt zudem extrem von den Preisen auf dem Weltmarkt ab. Doch um die vorherzusagen, müsste beispielsweise eine Simulation für die Landwirtschaft ergänzt werden um die Entwicklung der Märkte in Australien und Brasilien ebenso wie in Nordamerika und Russland. Was dort geschieht, hängt – unter anderem – wiederum ab vom Klimawandel, diesmal weltweit. Das alles verlässlich zu berechnen, ist schlichtweg unmöglich. Die aussagefähigen Kostenprognosen, die sich die Politiker so dringend wünschen, gibt es nicht. Handlungsbedarf besteht gleichwohl. Was also tun?

Fragt man in Bayern nach, dem Bundesland, das vom Klimawandel wohl am meisten betroffen sein dürfte, ist die Antwort klar: Einfach loslegen. Die größten Schäden gilt es durch Hochwasserschutz zu verhindern, glaubt Jörg Stumpp, Leiter des Referates Klimaschutz im bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz.

"Weil wir nicht ganz genau wissen, was auf uns zukommt, haben wir einen Klimazuschlag eingeführt: 15 Prozent werden alle Maßnahmen größer geplant, als eigentlich das hundertjährige Hochwasser vorhersagen würde. Deiche höher, also alles, was neu gebaut wird, wird 15 Prozent größer gemacht, als man eigentlich aufgrund der Erwartungen bauen müsste."

15 Prozent Klimaaufschlag, die Zahl ist nicht willkürlich festgelegt. Wie hoch das Wasser künftig steigen wird, und wie oft die Fluten kommen werden, ist zwar ebenso wenig vorhersehbar wie die künftigen Schäden. Aber man kann errechnen, was um 15 Prozent erhöhte Deiche kosten würden. Und man weiß, wie hoch die Flutschäden in der Vergangenheit waren. Jörg Stumpp nutzt solche Zahlen ganz pragmatisch, um der Politik auf die Sprünge zu helfen:

"Die volkswirtschaftliche Seite ist für uns als Klimaschützer, auch hier im Umweltministerium eine Argumentsseite, Also wenn ich jemandem klar machen kann, mit Vorsorgemaßnahmen kann ich so und so viel Schäden verhindern, also beispielsweise im Hochwasserschutz, da sind wir dann gleich bei mehreren zig Milliarden, über die Jahre gerechnet, und dann gegenrechne, was bringen uns die 2,3 Milliarden Euro, die Bayern im Hochwasserschutz-Aktionsprogramm 2020 investieren will, und fast die Hälfte schon investiert hat, dann sehe ich das auf Heller und Pfennig, dass sich das lohnt."

Für den Staat, sagt Jörg Stumpp, reiche eine solche Kalkulation. Für die Betroffenen aber nicht. Sie tragen bei jedem Hochwasser weit höhere Kosten, als offiziell bekannt werden. Denn amtlich werden nur versicherte Risiken - das ist nur ein Bruchteil der Gesamtschäden.

Jörg Stumpp: "Wir müssen alles daran setzen, dass wir die Wirtschaft, den Tourismus, und die Betroffenen immer wieder darauf aufmerksam machen: Macht euch Gedanken, was könnte das kosten, dass sie sich von sich aus hinsetzen oder vielleicht auch mal eine Studie vergeben: Was kommt auf uns zu? Das ist unsere Aufgabe als Staat."

Kein Politiker und kein Forscher könne letztlich besser abschätzen, wo die individuellen Kosten und Risiken lägen, als jeder Unternehmer selbst. Dennoch werde immer wieder der Ruf nach dem Staat laut: Er solle das Risiko des Klimawandels möglichst genau abschätzen – und dann am besten beseitigen.

"Wir können nicht jedem hinlegen ein Papier und sagen: So, bei Euch kostet das jetzt so und so viel Milliarden Euro, jetzt macht Euch mal einen Plan, sondern unsere Gesellschaft ist so orientiert, dass die Selbstverantwortlichkeit immer in vorderster Reihe steht, und der Staat muss anschieben, wo es nötig ist, und wo es wichtig ist, da sind solche Zahlen gut, aber die Betroffenen müssen selber auch aktiv werden."

Das hieße auch, sagt Jörg Stumpp vom bayerischen Umweltministerium, dass sich Bürger und Unternehmen frühzeitig gegen steigende Klimaschäden selbst versichern müssen. Von der Versicherungswirtschaft fordert er dafür neue Programme. Seine eigenen Hausaufgaben hat der Freistaat schon so gut wie gemacht: Als bisher einziges Bundesland will Bayern Ende des Jahres ein Anpassungsprogramm vorlegen. Schon ohne dieses Programm gibt Bayern bis 2011 zusätzlich zum normalen Umweltschutz 350 Millionen Euro aus - für Klimaschutz, für Klimaforschung und für Anpassung. Geplant sind unter anderem ein Hochwasserschutz-Aktionsprogramm, stärkerer Gesundheitsschutz, ein Waldumbauprogramm und die gezielte Stabilisierung von Ökosystemen. Das bedeutet Ausgaben, die ein Land sich erst einmal leisten können muss. Auch auf die Gefahr hin, an der falschen Stelle zu investieren.

Jörg Stumpp: "Also, dass Bayern eine gute finanzielle Grundlage hat, ist bekannt, wir haben ja einen ausgeglichenen Haushalt, das kann sicher nicht jedes Land von sich sagen. Und es war für mich als Klimaschützer ein Segen, dass wir letztes Jahr zusätzlich zu den 400 Millionen für die nächsten vier Jahre tatsächlich richtig schöne Programme umsetzen können."

So gut wie das reiche Bayern haben es die meisten Bundesländer nicht. Sie müssen sich genau überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Und das braucht seine Zeit, sagt Ulrich Matthes von der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft in Rheinland-Pfalz:

Ulrich Matthes: "Je intensiver sich auch Politiker jetzt mit der Materie befassen, desto klarer wird ihnen auch, wie schwierig das Ganze ist, und mit welchen Unsicherheiten das Ganze behaftet ist, und wie schwierig es ist, jetzt zum heutigen Zeitpunkt schon Anpassungsoptionen auszusprechen. Da haben wir einfach Forschungsbedarf, um eine bessere Entscheidungsgrundlage für die Zukunft zu bekommen."

Darum hat Rheinland-Pfalz erst mal ein Forschungsprogramm aufgelegt. Im Rahmen von "KlimLandRP" sollen zunächst die regionalen Klimaprognosen besser aufgearbeitet und die künftigen ökonomischen Risiken, aber auch die Chancen bewertet werden – ohne sich zu früh festzulegen, sagt Ulrich Matthes, der das Forschungsprogramm leitet.

"Selbst wenn wir in 10, 20 Jahren feststellen, dass die Klimaänderung in eine bestimmte Richtung geht, bedeutet das noch lange nicht, dass es ein linearer Trend sein wird, das könnte auch wieder wechseln, es könnte stärker werden, es könnte sich abschwächen, und da müssen wir einfach flexibel darauf reagieren können."

In der Tat: Auch wenn Vieles dafür spricht, dass die Temperaturen steigen werden - wann sie das in welchem Maß tun, ist offen. Wenn sich wegen des Klimawandels etwa das Verhalten des Golfstromes ändert, könnte es zwischenzeitlich für mehrere Jahre plötzlich auch wieder kälter werden. Wer sich dann mit viel Aufwand ausschließlich auf eine heiße und trockene Zeit eingestellt hat, hat im Nachhinein in ein Verlustgeschäft investiert.

Ulrich Matthes: "Wir haben vor, in KlimLand Entscheidungskorridore zu entwickeln. Wir wollen also zunächst die gesamte Bandbreite des Klimawandels aufzeigen: Wohin könnte es im Extrem gehen? Und über eine Art Was-passiert-wenn-Analyse aufzeigen, wie man flexibel reagieren müsste, wenn eine bestimmte Klimaentwicklung eintritt. Also wir werden keine konkreten Strategien aussprechen können, das ist Aufgabe der Politik, ein wissenschaftliches Projekt muss dafür eben entscheidungsunterstützende Grundlagen liefern, und dafür ist KlimLandRP da."

Doch wie weit geht die Aufgabe der Wissenschaft wirklich? Für eventuell misslungene Anpassungen an den Klimawandel kann sie nicht einstehen. Und die Politiker scheuen sich, das Risiko zu übernehmen. Gerne zeigen sie auf die Forscher und ihre Prognosen. Wenn es hinterher anders kommt, waren eben die Vorhersagen falsch. Ein Dilemma. Verantwortung übernimmt so im ungünstigsten Fall keiner.

Vielleicht, meint Frank Wechsung, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, sollte die Wissenschaft sich nicht so sehr in die Rolle der Kassandra drücken lassen, die Horrorszenarien über die Kosten des Klimawandels entwirft.

"Wir wollen die Öffentlichkeit nicht erschrecken, sondern wir wollen sie aufmerksam machen auf eine kommende Veränderung, aber auch auf die Möglichkeiten, wie man mit solchen Veränderungen umgehen kann, das sind auf der einen Seite Maßnahmen, die Schäden abwenden, minimieren, auf der anderen Seite können es aber auch Maßnahmen sein, die völlig neue Märkte erschließen."

Auch Frank Wechsung hat eine Studie zu den Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft gemacht. Er untersuchte die künftigen Erträge in den ostdeutschen Bundesländern, die als besonders belastet gelten. Das Ergebnis: Die Entwicklung kann für die Bauern positiv sein, wenn sie es richtig anstellen. Die zunehmende Trockenheit schadet ihren Pflanzen zwar, doch wenn sie richtig düngen, profitieren sie dafür vom höheren CO2-Gehalt in der Luft – es fördert ihr Wachstum. Sollten manche Sorten, wie etwa Mais, in Zukunft nicht mehr gut gedeihen, könnten die Landwirte zum Beispiel Pappeln anbauen, als Rohstoff für Baumaterial oder Holz-Pellets.

Solche Alternativen hat Frank Wechsung in seiner Studie durchgerechnet. Im Ergebnis den zu erwartenden Gewinn oder Verlust der Bauern in Heller und Pfennig anzugeben, sei dabei allerdings gar nicht so wichtig, sagt der Agrarökonom.

"Das Entscheidende ist, mithilfe solcher Studien die empfindlichen Bereiche herauszufinden, und wir können hier einen Bereich wiederum ausscheiden, er gehört nicht zu den stark empfindlichen Bereichen. Und es geht auch darum, Sektoren, die eine gefühlte Empfindlichkeit haben, denen zu sagen: Ja, hier ist ein Problem, aber damit können wir umgehen."

Wenn beispielsweise Industriestandorten oder Kraftwerken künftig wegen der Hitze im Sommer das Wasser auszugehen drohe, so könnten die Unternehmer schnell zu drastischen Maßnahmen bereit sein. Etwa, einen Standort zu schließen - mit gravierenden Folgen für die Beschäftigten.

Frank Wechsung: "Wenn wir dann sagen können: Es gibt zwar mit dieser oder jener Häufigkeit bestimmte Sommer, die Euch vor Probleme stellen können, aber die Talsperrenkapazität im Umland reicht aus, um dies zu überbrücken, und dann noch Vorschläge unterbreiten können, welche Umstellungen notwendig sind in der Steuerung der Talsperren, dann ist das eine Argumentation, die solchen Akteuren dann auch hilft, deutlich zu machen, dass sie mit solchen Problemen umgehen können."

Die Wissenschaft könne hier durchaus Geburtshelfer für neue Ideen in der Wirtschaft sein, glaubt Frank Wechsung. Denn der Klimawandel bringe regional auch Chancen, die heute noch gar nicht sichtbar seien. Damit die Erderwärmung nicht zur ökonomischen Katastrophe wird, heißt es darum vor allem: Wach bleiben! Und: flexibel. Denn die Anpassung an den Klimawandel ist sicherlich keine einmalige Aktion, die der Staat den Bürgern und Unternehmern abnimmt. Sie bleibt für jeden Einzelnen eine Daueraufgabe.