Mit Schrittmacher in die Röhre

Von Michael Engel · 02.02.2012
Mehr als eine Million Menschen tragen hierzulande Geräte im Brustraum, die ihr Herz überwachen: Herzschrittmacher oder Defibrillatoren. Die Betroffenen durften bisher nicht in den Kernspintomografen. Dank einer neuen Gerätegeneration ändert sich das.
Wenn die Pumpe nicht mehr richtig will, häufig nach einem Infarkt, bringen Schrittmacher das Herz wieder auf Trab. Das Pendant dazu sind sogenannte Defibrillatoren. Gemeint sind nicht die Notfallboxen in Bahnhöfen und Kaufhäusern. Vielmehr handelt es sich um kleine Geräte, die - wie schon die Herzschrittmacher - ebenfalls implantiert werden können. Sie überwachen das Herz Tag und Nacht, sagt Prof. Johann Bauersachs von der Medizinischen Hochschule Hannover:

"Der Defibrillator passt praktisch auf den Herzrhythmus des Patienten auf und reagiert nur dann, wenn so eine bösartige Rhythmusstörung eintritt, und gibt dann so einen elektrischen Schock ab, wodurch dann diese Rhythmusstörung beendet wird."

Herzschrittmacher und Defibrillatoren sind ähnlich aufgebaut. In einem etwa Streichholzschachtel großen Gehäuse, das im Brustraum implantiert wird, steckt viel Elektronik. Und ein Akku, der das Ganze circa zehn Jahre lang mit Strom versorgt. Von dort aus führen sogenannten Sonden bis zum Herzen. In den Sonden stecken Kabel, die als metallische Elektroden im Herzgewebe enden. Sie leiten das EKG zur Elektronik, um das Herz zu überwachen. Kommt die Pumpe aus dem Takt, wird das Herz über dieselben Elektroden mit Stromimpulsen stimuliert. Eine feine Sache.

Nur leider dürfen die Betroffenen nicht mehr zur Untersuchung in den Kernspintomografen. Und das ist ein großer Nachteil:

"Beispielsweise bei einem Schlaganfall, der gar nicht selten auftritt bei Patienten mit Herzschwäche, kann man bestimmte Untersuchungen, die man nur im Kernspintomografen machen kann, nicht durchführen und kann so die Behandlung auch nicht so zielgerichtet ausüben, wie man das mit einer Kernspintomografie machen kann."

Viele Patienten, die solche Geräte in der Brust tragen, benötigen aber im Laufe ihres Lebens eine Kernspintomografie. Wegen Schlaganfall, Krebs oder Gelenkerkrankungen. Sie müssen dann auf die "Computertomografie" ausweichen, die aufgrund der Strahlenbelastung und auch wegen der schlechteren Bildauflösung vielfach nur als zweite Wahl gilt.

Entscheidender Fortschritt: Seit Neuestem gibt es implantierbare Geräte, sowohl Herzschrittmacher als auch Defis, die dem starken Magnetfeld im Kernspintomografen standhalten, so Stefan Belli von einer Herstellerfirma aus Berlin:

"Da ist der wichtige Aspekt, dass eine Überhitzung der Elektrodenspitze, die ja im Herzmuskel verankert ist, reduziert wird, sodass es keine Überhitzung gibt an dieser Stelle. Das Zweite ist, dass der Einfluss des magnetischen Feldes durch das MRT so gering wie möglich gehalten wird und das System nicht beschädigt."

Schon seit etwa zwei Jahren gibt es MRT-fähige Herzschrittmacher, mit denen die Patienten problemlos "in die Röhre" gehen können. Seit wenigen Tagen ist dies nun auch mit implantierbaren Defibrillatoren möglich.

Allerdings, so Prof. Brigitte Osswald, Kardiologin im Herzzentrum von Bad Oeynhausen, sind die implantierten Geräte bislang nur für Kernspintomografen mit niedrigen Feldstärken geeignet:

"Wir haben heute Geräte des MRT, die sehr große Feldstärken erzeugen. Es geht also um diese Tesla-Zahl – das ist ein Kriterium. Und alle diese MRT-fähigen Systeme sind ausgelegt auf 1,5 Tesla derzeit. Höhere Tesla-Zahlen werden eigentlich derzeit noch nicht sicher belegt. Und das ist eine ganz erhebliche Begrenzung, weil viele Geräte doch jetzt eben deutlich höhere Feldstärken erzeugen können."

Seit 2006 haben neue Kernspintomografen in der Regel drei Tesla. So gesehen, hinken die Hersteller der Herzschrittmacher und Defibrillatoren der Entwicklung etwas hinterher. Die nächste, drei Tesla taugliche, Gerätegeneration ist aber schon in der Entwicklung. Patienten, die seit vielen Jahren schon ein Herz unterstützendes System haben, profitieren leider nicht von dieser Entwicklung:

"Eine Vielzahl von Patienten hat ja schon Geräte. Und hier sind allerdings die Sonden das Limitierende. Es macht keinen Sinn, ein MRT-fähiges Gerät an nicht MRT-fähige, das heißt, alte Elektroden anzukoppeln. Weil damit ist keine MRT-Fähigkeit des gesamten Systems sichergestellt."

Alle acht bis zehn Jahre müssen die implantierten Geräte ausgetauscht werden, um den Akku zu wechseln. Bei dieser Gelegenheit können die Sonden bzw. Elektroden leider nicht gewechselt werden, weil sie über die vielen Jahre hinweg mit dem Herzgewebe fest verwachsen sind. Deshalb können Patienten, die schon vor Jahren ein System älterer Bauart bekommen haben, nicht mehr von den MRT-fähigen Systemen profitieren. Die Elektroden machen einen Strich durch die Rechnung, leider.

Dafür haben die neuesten Geräte telemedizinische Funktionen, unabhängig von den vorhandenen Elektroden. Das heißt, hier können alle Patienten profitieren. Moderne Systeme funken die Herzdaten an eine Station im Wohnzimmer des Patienten. Von dort aus gehen die Werte via Handy oder Internet an die nächste Klinik. Stimmt etwas nicht mit dem Herzen, werden die Ärzte alarmiert. Für Patienten, die an den telemedizinischen Pilotprojekten teilnehmen, ist das ein gutes Gefühl.
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