Mit Land gesegnet

Von Stefanie Müller-Frank · 25.03.2013
Die Evangelische Kirche Mitteldeutschlands ist der zweitgrößte Grundbesitzer in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Nordsachsen und verpachtet den größten Teil als Ackerland. Doch dabei geht es ihr ausschließlich um Gewinnmaximierung, klagen Ökobauern und fordern: Die Kirche muss auch sozial und ökologisch denken.
Ralf Demmerle hat einen Hof. Und er ist in der Kirche. Was durchaus eine Rolle spielen kann für einen Landwirt in Thüringen, wo die Kirche den zweitgrößten Grundbesitzer stellt. Insgesamt 60.000 Hektar Ackerland gehören der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Nordsachsen. Knapp 60 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche gehören zum Hof von Ralf Demmerle in Hausen. Zusammen mit seiner Familie hatte der gebürtige Schwabe vor zehn Jahren bundesweit nach einem Hof mit dazugehörigem Land gesucht – fündig wurden sie in Thüringen. Heute würde der Biolandwirt gerne weiteren Grund und Boden dazupachten. Der allerdings ist knapp geworden, erzählt Demmerle, während er über den gefrorenen Schlamm zum Schweinestall läuft.

Ralf Demmerle: "Die Nachfrage nach gutem Biofleisch ist hoch. Wir könnten ganz locker expandieren, wir könnten mehr schlachten, mehr verkaufen. Von daher würden wir auch gerne sehr viel mehr Land pachten. Oder kaufen. Wobei der Kauf fast unmöglich geworden ist. Gerade heute ist das auch zu verstehen, dass jeder lieber Land besitzt, als sein Geld auf dem Konto zu haben. Von daher suchen wir schon immer nach Möglichkeiten, Land dazuzupachten."

Vor vier Jahren bewarb sich Ralf Demmerle deshalb um 30 Hektar Kirchenland bei sich vor Ort. Bekommen hat er gerade mal sieben.

Demmerle: "Das waren dann die Flächen, wo ich doch genügend geboten hatte – oder wo andere Landwirte gesagt haben: Diese Stücke sind mir nicht so viel wert

Und die anderen Flächen, wer hat die bekommen?

Das sind die großen Agrargenossenschaften, die hier zwischen 2.000 und 5.000 Hektar bewirtschaften. Wenn man das vergleicht: Ich mit meinen 60 Hektar bin wirklich ein sehr kleiner Landwirt inmitten von sehr großflächigen Agrarstrukturen."

Auf Ralf Demmerles Biohof in Hausen leben insgesamt 15 Wasserbüffel und 15 Fleckvieh, außerdem Rinder, Schweine, Hühner, Pferde, Hunde und Kaninchen. Er baut auf seinem Acker vor allem Kleegras und Getreide an – ohne chemischen Dünger oder den Einsatz von Pestiziden. Für eine Pachtvergabe spielt das allerdings keine Rolle.

Demmerle: "Das ist für mich auch ein großes Ärgernis, weil ich der Meinung bin, dass ich als Ökolandwirt eine Arbeit mache, die von der Kirche im Grunde geschätzt werden müsste."

Schließlich predigt die evangelische Kirche die Bewahrung der Schöpfung und setzt sich politisch für soziale Gerechtigkeit ein. Daran müsste sie sich bei ihrer Landvergabepraxis auch messen lassen, meint Michael Grolm. Der 41-Jährige ist Bioimker, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Thüringen und hat zur letzten Synode einen medienwirksamen Thesenanschlag an der Erfurter Michaeliskirche inszeniert. Um die Kirche beim Wort – und in die Verantwortung zu nehmen, sagt Grolm.

"Kirche schneidet sich mit Vergabepraxis ins eigene Fleisch"

Michael Grolm: "Die Kirche müsste eigentlich als Vorbild – gerade hier in Ostdeutschland – mit gutem Beispiel vorangehen. Jungen Menschen Existenzen ermöglichen, dass hier wieder neue Betriebe gegründet werden, dass die Dörfer wiederbelebt werden. Die Jugend wandert ab, umso weniger Kirchenmitglieder wird es da geben letztendlich. Deswegen schneidet sich da die Kirche ins eigene Fleisch, denke ich."

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, in der vor allem Familienbetriebe und Biolandwirte organisiert sind, fordert von der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland, dass sie bei der Landvergabe auch soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt, also nicht rein auf Gewinnmaximierung setzt. Darauf hat die Synode auch reagiert, meint Mortimer von Rümker, selbst Landwirt und ehrenamtliches Mitglied im Kirchenausschuss für Klima, Umwelt und Landwirtschaft.

Mortimer von Rümker: "Die Kirche legt die Messlatte etwas höher als andere Verpächter. Also man macht sich in der EKM sehr intensive Gedanken über die Kriterien, nach denen man Land vergibt, weil natürlich auch ein harter Wettbewerb um jeden Hektar Land inzwischen herrscht. Und das gibt es bei anderen Verpächtern so eigentlich nicht."

Im vergangenen Jahr hat die EKM als erste Landeskirche ihre Kriterien für die Pächterauswahl offengelegt: Neben dem Pachtpreisangebot kann der Bewerber auch mit einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung, mit seiner regionalen Herkunft und Kirchenzugehörigkeit punkten. Bei sozialem Engagement – wie zum Beispiel einer besonders hohen Zahl an Ausbildungsplätzen – gibt es noch einen zusätzlichen Punkt, erklärt Judith Königsdörfer, studierte Agraringenieurin und Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses bei der EKM.

Judith Königsdörfer: "Die Folge davon ist, dass man dieses Verfahren jetzt im Internet abrufen kann. Vorher war nicht öffentlich, nach welchen Kriterien die Vergabe erfolgte. Das hat das Amt für sich entschieden, und das wurde auch nicht nach außen kommuniziert. Was natürlich die Kritik einbrachte, wo manche Bewerber gar nicht wussten: Nach welchen Kriterien wird ausgesucht, und worauf lassen wir uns denn eigentlich ein?"

Bei der Entscheidungsfindung selbst lassen sich die Kreiskirchenämter dann aber nicht in die Karten schauen. Die erfolgt weiterhin intern beziehungsweise in Rücksprache mit den Gemeinden vor Ort. Bleibt also die Frage, ob das Offenlegen der Auswahlkriterien auch bedeutet, dass die Kirche im Zweifelsfall auf Einnahmen verzichtet? Knapp 20 Millionen Euro sind es, die die EKM jedes Jahr mit ihren 80.000 Hektar Land erzielt. Mortimer von Rümker zögert. Schließlich ist die evangelische Kirche auf die Pachteinahmen angewiesen, um damit ihre Pfarrer zu bezahlen, Seelsorge und Verkündigungsarbeit leisten zu können. Gerade im Osten Deutschlands, wo es weniger Kirchenmitglieder gibt – und deshalb prozentual auch weniger Kirchensteuern zur Verfügung stehen.

Von Rümker: "Da will ich mich nicht zu sehr aufs Glatteis wagen. Ich glaube kaum, dass die Synode zugestimmt hätte, wenn die Pachteinnahmen, die ja in der EKM eine bedeutende Rolle spielen, wenn die gekürzt worden wären."

Denn seit Jahrhunderten bilden Grund und Boden einen wichtigen Kapitalstock der Kirche. Schon seit dem frühen Mittelalter nutzt sie Äcker und Wälder – häufig Spenden von feudalen Landesherren – zur Finanzierung ihrer Arbeit. Während der Grundbesitz der Klöster durch die Säkularisation von Kirchengut verloren ging, blieb das Kirchenland unangetastet. Zu DDR-Zeiten wurde es im wesentlichen wie Privateigentum behandelt. Deshalb gilt nach wie vor der Grundsatz: Land, das der Kirche gehört, wird nicht verkauft. Das ist bemerkenswert in Zeiten, in denen genau das für viele Städte und Kommunen zur gängigen Praxis gehört: Nämlich Grund und Boden meistbietend zu verscherbeln, um die Kassen zu sanieren.

Von Rümker: "Die Kommunen denken halt eher ans Schlachten der Kuh als ans Melken und kriegen natürlich kurzfristig mehr Geld, wenn sie das Land verkaufen."

Pfarrgehälter mit Grundbesitz finanziert

Historisch gesehen verfügt die evangelische Kirche in Deutschland über zwei unterschiedliche Arten von Grundbesitz: Pfarrland und Kirchenland. Früher stand das Pfarrland dem Pastor einer Gemeinde unmittelbar zur Verfügung, damit er dort Obst und Gemüse anbauen konnte. Das Kirchenland wurde im Gegensatz dazu schon immer verpachtet. Heute gelten beide Formen des Grundbesitzes als Wertanlage, mit der die Landeskirche zum einen die Pfarrbesoldung, zum anderen die Unterhaltung ihrer Gebäude bestreitet. Aber noch immer hat in Thüringen die Kirchgemeinde ein Mitspracherecht, an wen das Land vergeben werden soll. In anderen Gliedkirchen liegt das Entscheidungsrecht oft sogar alleine bei der Kirchengemeinde. Schließlich kennt man dort den Bedarf – und auch die Bewerber vor Ort. Ein großer Vorteil, meint Annett Denner, Pastorin im Landkreis Gotha.

Annett Denner: "Und da freue ich mich sehr, in unserem Kirchengemeindeverband Menschen zu haben, die nicht nur als erstes aufs Geld gucken, sondern auch ein Stück weiter blickend sich die Sache anschauen. Ich weiß, das ist nicht in allen Kirchgemeinden so. Und ich bin sehr dankbar, dass ich solche Menschen habe, die auch ein wenig ökologisches Bewusstsein umsetzen können. Wir haben das versucht, mit unseren Ländereien zu verwirklichen, den ökologischen Landbau zu unterstützen. Und da ist Cobstädt ein sehr schönes Beispiel."

Das Dorf Cobstädt wirkt wie aus der Zeit gefallen – und doch ziemlich lebendig: ein alter Pfarrhof mit Stallgebäuden, fünf angrenzenden Fachwerkhöfen und einer Backsteinkirche in der Mitte. Dazu Ziegen, Schafe, Hühner und eine Streuobstwiese. Hier hat sich 2004 der Verein Lebensgut angesiedelt – eine Gemeinschaft von jungen Familien, die in Cobstädt gemeinsam ökologisch wirtschaften. Dabei hatte das Kreiskirchenamt, das zentral für die Vergabe von Land zuständig ist, zunächst einen anderen Pächter im Auge, erzählt Thomas Penndorf.

Thomas Penndorf: "Also es war schon erst mal so, dass wirklich ein ganz großer Interessenskonflikt war zwischen dem großen Landwirtschaftsbetrieb, wo man weiß, was auch am Ende auf dem Land geschieht. Der auch ordentlich zahlt. Oder sich auf so ein Experiment einzulassen. Das weiß ich noch. Am Ende war es dann so, dass die Kirchgemeinde es durchgesetzt hat hier vor Ort. Da gab es einen Kirchgemeinderatsbeschluss – und der war dann eben richtungsweisend."

Thomas Penndorf gehört zur Gemeinschaft des Vereins Lebensgut Cobstädt, ist Mitglied in der evangelischen Kirche – und mittlerweile sogar Kirchenältester. In dieser Funktion kann er sich beim Kreiskirchenamt nun auch für einen bestimmten Bewerber vor Ort stark machen. Judith Königsdörfer von der EKM hält das für eine Gefahr. Schließlich tritt man bei einer solchen Entscheidung nicht gerne seinem Nachbarn auf die Füße.

Königsdörfer: "Das kann natürlich eine Riesenlast für so einen Gemeindekirchenrat sein. Letzten Endes sind das ja auch nur Menschen. Und es passiert viel zu selten, dass man jetzt nicht nur sagt: Okay, das ist jetzt der sachliche Hintergrund. Sondern das kann auch mein Nachbar sein. Und wo zieht man denn dann die Grenze? Und greift ihn dann nicht an außerhalb des Amtes."

Eingabe zum Artenschutz von Synode verworfen

Kürzlich hat Thomas Penndorf beim Landwirtschaftsausschuss der Synode eine Eingabe – also einen Vorschlag – gemacht, dem Punktekatalog in dem vor allem soziales, regionales und kirchliches Engagement eine Rolle spielt, noch ein weiteres Kriterium hinzuzufügen, nämlich mitzubewerten, ob der Betrieb konventionell wirtschaftet oder sich gezielt für Artenvielfalt, umweltbewussten Anbau und eine artgerechte Tierhaltung einsetzt. Anfang Februar wurde das von den Mitgliedern des Ausschusses diskutiert – und verworfen. Judith Königsdörfer:

Königsdörfer: "Also am Anfang stand schon die Frage im Raum, macht man eine ganz klare Fokussierung auf ökologische Wirtschaft. Was wir dann nicht getan haben. Zum einen, weil wir gar nicht so viele Ökobauern haben in der Landeskirche. Das ist im unteren einstelligen Bereich. Und zudem wäre es auch einfach nicht fair, den konventionell wirtschaftenden Landwirten gegenüber, wenn man ihnen indirekt damit vorwerfen würde: Ihr macht euren Job nicht richtig."

Thomas Penndorf füttert die Ziegen. Heute früh hat er von der Entscheidung des Ausschusses erfahren, der Ärger ist dem 35-Jährigen noch anzumerken.

Penndorf: "Ich dachte, das ist selbstverständlich. Das ist eher so ein peinlicher Fehler gewesen, dass man das nicht berücksichtigt hat in dem Umfang. Und musste feststellen, dass es starke Interessen in der Kirche gibt, wo es eben nur um Landwirtschaft im konventionellen Sinne geht. Deshalb bin ich sehr enttäuscht. Und ich bin auch nicht eingeladen worden."

Mortimer von Rümker, ehrenamtliches Mitglied im Ausschuss der Synode, erklärt, warum die Kirche nicht Partei ergreifen sollte für einen bestimmte Wirtschaftsweise oder Betriebsform.

Von Rümker: "Da ist man schnell mit Begriffen wie Massentierhaltung und industrieller Landwirtschaft dabei. Aber wir dürfen mit diesen Vergabekriterien und wollen als Kirche keine Agrarpolitik betreiben, sondern das Land den Betrieben geben, die es vermeintlich am besten bewirtschaften."

Penndorf: "Ich erwarte überhaupt nicht von der Kirche, dass sie Partei ergreifen soll für Groß oder Klein. Sondern sie soll Partei für ihre eigene Schöpfung ergreifen. Es geht nicht darum, öko gegen konventionell auszuspielen, sondern es geht einfach darum, biologische Vielfalt zu bewahren."

Der Ausschuss der EKM aber hat beschlossen, das Verfahren erst mal so zu belassen – also dem Punktekatalog kein Kriterium für ökologischen Anbau hinzuzufügen.

Eine demokratische Entscheidung? Der Bioimker Michael Grolm vermutet, dass durchaus auch eigene Interessen der Ausschussmitglieder eine Rolle gespielt haben könnten.

Grolm: "Jetzt muss man natürlich wissen, wie das läuft in der Kirche. Vermutlich so wie in der Politik. In der Politik sind die im Landwirtschaftsausschuss, die irgendwie was mit Landwirtschaft zu tun haben. Das sind dann die Großbetriebe. In der Kirche ist es so, dass zum Beispiel der Oberste von der Synode, ein von Marschall, einen Betrieb führt mit auch Tausend Hektar, Massentierställen von Hühnern – also ein Großagrarier. Und unsere Recherchen haben ergeben, dass es noch zwei gibt, die in der Größenordnung Betriebe haben. Das heißt, diese Menschen werden natürlich ein unmittelbares Interesse daran haben, dass sie auch weiter Kirchenland bekommen."

Tatsächlich sitzen im Ausschuss der Synode für Klima, Umwelt und Landwirtschaft neun Mitglieder, von denen ein Drittel Landwirtschaft betreibt. Judith Königsdörfer, die Vorsitzende des Ausschusses, rechnet vor:

Kein Ökobetrieb im Vergabeausschuss

Königsdörfer: "Also einer ist ein reiner Ackerbaubetrieb in der Nähe von Gotha. Und eine Landwirtin, die in der Nähe von Halle wirtschaftet. Und einen dritten Landwirt, der im Kreis Mühlhausen einen Ackerbaubetrieb mit Hähnchenmast und Schafhaltung betreibt.

Haben die ähnliche Auffassungen von Landwirtschaft?

Es sind alles konventionelle Betriebe, keine Ökobetriebe, aber durch die Arbeit im Ausschuss merkt man schon, es gibt einen Konsens. Auf jeden Fall."

Drei konventionell wirtschaftende Landwirte, die selbst auch Land von der Kirche gepachtet haben. Führt das nicht automatisch zu einem Interessenkonflikt? Mortimer von Rümker verneint das.

Von Rümker: "Nein, das hatten wir noch nicht, den Fall. Da ja nicht konkret die Fläche von meinem Betrieb behandelt wird, sondern allgemeinere Dinge, durften wir beide Landwirte bei den Diskussionen immer dabei bleiben."

Sonst nämlich gilt in der Kirche der Grundsatz: Wer von einer Entscheidung selbst betroffen ist, der nimmt nicht an der Abstimmung teil. Ansonsten ist das Ergebnis hinfällig.

Königsdörfer: "Ich denke, soviel Kompetenz darf man diesen Menschen schon zutrauen, dass sie mit einer gewissen Neutralität darüber diskutieren und auch abstimmen können. Also wir hätten, glaube ich, eine leere Synode, wenn wir alle Leute rausschicken würden, weil sie einen bestimmten fachlichen und beruflichen Hintergrund haben, und ihre eigenen Interessen verfolgen könnten. Dann wäre ja keiner mehr da."

Zumal die meisten Mitglieder im Ausschuss – wie auch Judith Königsdörfer – Ehrenamtliche sind. Und über die konkreten Fälle der Pachtvergabe, ergänzt Mortimer von Rümker, entscheidet ja auch das Kreiskirchenamt. Er selbst bewirtschaftet einen Ackerbaubetrieb mit knapp 1.100 Hektar zwischen Gotha und Eisenach. Ungefähr zwanzig Prozent des Landes hat er gekauft, den überwiegenden Teil gepachtet – ob von der Stadt, dem Land Thüringen oder von Privatbesitzern. Auch Kirchenland bewirtschaftet der Landwirt, mit 25 Hektar macht das jedoch nur einen kleinen Teil seiner Ackerflächen aus. Bei den Diskussionen im Landwirtschaftsausschuss vertritt er durchaus offensiv seine Position.

Von Rümker: "Ja, das ist auf jeden Fall so. Zum Beispiel bei der Frage, wird ökologischer Landbau bevorzugt bei der Pachtvergabe oder nicht. Und ich betreibe einen konventionellen Betrieb, genauso wie Herr von Marschall, der ja auch als Landwirt und als Präses hier mit im Ausschuss ist. Und ich denke mal, wir haben schon gekämpft, dass man nicht die einen verteufelt – die konventionellen Landwirte – und die anderen in den Himmel lobt. Das war zum Beispiel ein Punkt, wo wir hier konträr diskutiert haben – und wo vielleicht ohne unsere Anwesenheit das doch deutlicher pro ökologische Betriebe und gegen konventionelle Betriebe diese Pachtvergabekriterien ausgelegt worden wären."

Warum aber sitzt kein Ökolandwirt mit im Ausschuss? Oder jemand, der einen konventionellen Familienbetrieb führt? Und wie kommt es, dass bei Punktegleichstand im Pachtvergabeverfahren dann doch der ökologische Anbau bevorzugt wird? Für Michael Grolm von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ist die Antwort darauf eindeutig.

Grolm: "Wenn sie sagen, sie wollen das Fass nicht aufmachen, um zu bewerten, was besser ist, ökologische oder konventionelle Landwirtschaft – und dann aber in ihrem Punktesystem drin haben: Bei Punktegleichstand nehmen wir den Biobetrieb. Damit haben sie eine Wertung vorgenommen. Also weiß man eigentlich auch, wenn man zwischen den Zeilen liest, dass sie eigentlich wissen, dass sie im Unrecht sind."

Was man im Ausschuss für Klima, Umwelt und Landwirtschaft naturgemäß anders sieht. Schließlich wurde das neue Pachtvergabeverfahren der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands bereits von zwei weiteren Landeskirchen übernommen – eine dritte überlegt noch, den Punktekatalog ebenfalls einzuführen. Auch der Ökolandwirt Ralf Demmerle aus Hausen lobt das neue Verfahren.

Demmerle: "Also zuerst will ich sagen, dass es eine große Verbesserung darstellt, dass die Transparenz jetzt mal erhöht wurde. Dass ein Punktesystem eingeführt wurde, wo man tatsächlich auch am Schluss nachvollziehen kann, warum bin ich am Schluss jetzt hinten runtergefallen. Andererseits haben wir sehr dafür gekämpft, dass der Ökolandbau da noch Punkte bekommt. Oder auch Punkte bekommt, wenn man ein Familienbetrieb ist. Und nicht ein großer Investor mit viel Geld aus dem Westen oder sonst woher dahintersteht und die Landwirtschaft immer rationeller macht."

Kritiker: Vergabepraxis in anderen Ländern "komplett unter der Hand"

Schließlich spricht sich die Kirche in der Entwicklungspolitik für eine kleinbäuerliche Landwirtschaft aus, meint Ralf Demmerle. Warum dann nicht auch in Thüringen, vor der eigenen Haustür? Die Kirche könnte mit ihrer Pachtvergabepraxis doch aktiv steuern, dass neue Hofgründer Grund und Boden zur Pacht zugesprochen bekommen, junge Familien zurück aufs Land ziehen und die Dörfer in Thüringen nicht weiter aussterben.

Demmerle: "Wenn ich unseren Betrieb hier betrachte – wir sind jetzt ökologisch und ein Familienbetrieb –, und betrachte hier die Umgebung, das kleine Dorf Hausen: Wir haben sehr viele junge Familien, die hier täglich vorbeikommen, zu unseren Schweinen gehen, ihren verwertbaren Kompost, ihre Essensreste mitbringen, den Schweinen füttern. Die Kinder kriegen einen Bezug zu den Tieren, zum Land, zur Landwirtschaft, ich nehme die mit auf dem Traktor, die können mal eine Runde drehen mit mir bei der Heuernte. Und so haben wir eine ganz andere Aufgaben, als nur Lebensmittel zu produzieren. Sondern das ist tatsächlich ein sozialer Aspekt: Die Belebung von Dörfern. Wenn hier ein große Agrargenossenschaft sitzt, da sehe ich kein Tier, ich sehe kein Schwein, ich sehe kein Huhn, ich sehe nichts mehr in der heutigen Landwirtschaft. Und da fehlt was."

Im Ausschuss der Synode sollte mindestens auch ein Biolandwirt vertreten sein, findet Ralf Demmerle. Und noch einer von einem konventionellen Familienbetrieb. Er selbst würde sich auf jeden Fall zur Verfügung stellen und sich für eine Förderung von kleinbäuerlichen und ökologischen Strukturen stark machen – als Landwirt wie als gläubiger Christ.

Demmerle: "Ich habe mir sagen lassen, dass die anderen Kirchen nicht mal ein Vergabeverfahren haben. Die machen das alles komplett unter der Hand, da weiß keiner, wie das Land verpachtet wird. Und die Kirche hat bundesweit viel Land. Von daher sind wir in Thüringen ja schon viel weiter. Aber natürlich noch lange nicht am Ziel."