Mit aufklärerischem Impetus

Von Carsten Probst · 15.03.2011
Seit einigen Jahren ist es Tradition: Das Programm der Kunst-Biennale in Venedig wird vorab in diversen italienischen Botschaften vorgestellt, so auch in Berlin. Die künstlerische Leiterin Bice Curiger machte dabei klar, dass sie die Kunst in einer aufklärerischen Tradition sieht und vom postmodernen Einerlei abrücken will.
Bice Curigers Vortrag, mit dem sie sich in Berlin der Presse vorstellte, zählt zum Prägnantesten und Fundiertesten, was seit Jahren von einem künstlerischen Leiter der Biennale zu hören war. Curigers Konzept ist intellektuell, an manchen Punkten regelrecht gelehrt und wird dem Biennalepublikum einiges abverlangen. Das macht Curiger allein schon am schönen Titel der diesjährigen Ausstellung fest: Illuminationen.

"Mit 'Illuminationi' soll ein Kunstbegriff ins Zentrum gerückt werden, der die intuitive Erkenntnis, die Erhellung des Denkens betont, eine Begegnung mit Kunst, welche die Instrumente der Wahrnehmung schärft.""

Illumination ist ein Begriff mit langer Geistesgeschichte, beginnend mit den illuminierten Handschriften des Mittelalters über die ekstatische Lyrik Artur Rimbauds bis hin zur nüchternen Spiritualität eines Walter Benjamin. Zugleich verwendet ihn Curiger aber auch als Wortspiel, denn Illumination endet mit dem Wort "Nation" - Anspielung zum einen auf die Beteiligung nationaler Pavillons an der Biennale, andererseits auf den aufklärerischen Kontext, dem das Wort der geistigen Illumination, der Erkenntnis entstammt.

"Auch wenn in den vergangenen Jahren vielfach Kritik geübt worden ist an der Idealisierung aufklärerisch-rationaler Vernunft und an spezifisch europäisch-westlichen Wissenspraktiken, so galt und gilt es, diese nicht zuletzt auch im Spannungsfeld der Menschenrechtsdiskussion gleichzeitig auch zu verteidigen."

Kunst und Bilder sollen auf dieser Biennale also Menschen unterschiedlichster Herkunft und Kulturen zusammenführen. Und als wäre es damit noch nicht genug, möchte Curiger auch die Grenzen zwischen verschiedenen Kunstinteressierten überwinden. Erstmals soll mit dem venezianischen Manieristen Jacopo Tintoretto aus dem sechzehnten Jahrhundert ein Alter Meister auf der Biennale gezeigt werden.

"Alle Kunstbiennalen auf der ganzen Welt feiern die Gegenwart, feiern das 'Jetzt', das 'Now'. Doch die Biennale di Venezia findet gleichzeitig an einem Ort statt, wo die Geschichte in außerordentlicher Weise präsent ist, ja überpräsent ist. Das ist der Grund, warum etwas, was normalerweise außen vor bleibt, in die Biennale geholt werden soll."

Gleichwohl legt Curiger Wert auf die Feststellung, dass mehr als ein Drittel aller von ihr eingeladenen Künstler unter 35 Jahre alt sind und oft zum ersten Mal in diesem großen internationalen Rahmen ausstellen. Man darf also auf Entdeckungen gespannt sein. Eine weitere Neuerung besteht in der Einrichtung von vier sogenannten Parapavillons. Hier hat Curiger die vier Künstler Franz West, Oscar Tuazon, Song Dong und Monika Sosnowska gebeten, ihrerseits kleine Ausstellungen mit anderen Künstlern zu inszenieren, ein Modell, das vor allem von einigen Kunstmessen bekannt ist.

Stilistisch wird es keine Festlegungen geben, klassische Kunstmedien wie Skulptur, Zeichnung und Malerei sollen ebenso vertreten sein wie aktuelle, ephemere Kunstpraktiken. Curigers nicht ganz risikoloses Versprechen lautet: Unabhängig von den künstlerischen Medien solle die Biennale ein Kompass für Qualität sein, die vor der Kunstgeschichte Bestand haben kann. Und sie rechnet gleich mit der Postmoderne ab.

"Es gab eine Generation nach 1980, die mit der Popkultur, wenn man so will, aufgewachsen ist, und die haben den Diskurs eigentlich in die Kunst hineingebracht, dass es nicht mehr diese Polarisierung gibt zwischen Avantgarde und hier die Massenkultur, und heute muss man sich wieder fragen: Ist alles das Gleiche? Oder gibt es doch vielleicht Qualitäten, Werte, die untergehen könnten, wenn man von diesem Einheitsbrei ausgeht?"
Susanne Gaensheimer, Kommissarin des Deutschen Pavillons, nutzte die Gelegenheit, um ihr Vorhaben, eine Ausstellung zum Werk des im vergangenen August verstorbenen Theaterregisseurs und Performancekünstlers Christoph Schlingensief gegen die zum Teil heftige Kritik der letzten Monate zu verteidigen:

Susanne Gaensheimer: "Es ist vollkommen unmöglich, ohne Christoph Schlingensief einen Pavillon von Christoph Schlingensief zu realisieren."

Kritiker hatten Gaensheimer Konzeptionslosigkeit vorgeworfen und bemängelt, der Pavillon werde in ein Schliengensief-Mausoleum verwandelt, anstatt lebendige aktuelle Positionen zu zeigen. Gaensheimers Erwiderung, die vor allem von Sympathie für Schlingensiefs Arbeit zeugt, wird die Kritik vermutlich nicht verstummen lassen.

"So schwierig das ist, so wahnsinnig viel Unterstützung haben wir bekommen von allen möglichen Menschen, die ihm sehr nahe standen, und ich finde, dass gerade jetzt nach seinem Tod es um so wichtiger ist, Werke von Christoph Schlingensief auf einer internationalen Plattform für Gegenwartskunst nicht nur zu zeigen, sondern eben auch zu vermitteln."