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Gast: Michael Stegemann / Moderation: Olaf Wilhelmer · 27.11.2011
"Wenn eine Sinfonie die Ehre beanspruchen darf, diese Form erneuert zu haben, dann wäre das meine Sinfonie in c" – selbstbewusste Worte von Camille Saint-Saëns über seine "Orgelsinfonie". Die heißt so, weil sich zum farbenprächtigen Orchester immer wieder eine Orgel gesellt – musikalisch und aufnahmetechnisch eine große Herausforderung!
Der "Karneval der Tiere" und die sogenannte Orgelsinfonie – das sind heute die bekanntesten Werke von Camille Saint-Saëns (1835-1921). Das ist einerseits schade, denn das gewaltige Schaffen des französischen Komponisten birgt weit mehr Schätze als diese beiden Werke. Andererseits ist das Interesse an einem Stück wie der "Orgelsinfonie" nur allzu verständlich, bietet diese Musik doch nicht nur eine spektakuläre Besetzung, sondern auch – für die Entstehungszeit 1885/86 – außergewöhnliche Einfälle und Farben.

Eine Besonderheit dieses Werkes liegt darin, dass es überhaupt existiert: Im 19. Jahrhundert interessierten sich die meisten französischen Komponisten vor allem für die Oper, aber weder für Sinfonien noch für Solokonzerte – sie ignorierten also jene Gattungen, die rechts des Rheins als die wichtigsten galten. Zwar schrieb auch Saint-Saëns ein gutes Dutzend Opern, in die Geschichte eingegangen ist er aber als Komponist sinfonischer Musik, der in seiner Heimat zwischen allen Stühlen saß. Zugleich war er einer der bedeutendsten Klavier- und Orgelvirtuosen seiner Zeit, der 20 Jahre lang an der großen romantischen Cavaillé-Coll-Orgel in der Pariser Madeleine-Kirche seinen Dienst tat. In diesem Sinne ist auch Saint-Saëns' "Orgelsinfonie" zu verstehen – allerdings ergibt die Verbindung von sinfonischer Orgel und orgelhafter Sinfonik hier eine neue, unverwechselbar französische Klangfarbe.

Saint-Saëns' dritte, die "Orgel"-Sinfonie ist von Plattenproduzenten schon früh favorisiert worden – die Aufnahme-Geschichte dieses Werkes geht zurück nach Paris bis ins Jahr 1930. In den 1950er-Jahren waren es dann vor allem amerikanische Orchester, die diese Klangmassen in Bewegung setzten. In der neueren Zeit scheint dieses Werk in den Plattenstudios keine so große Rolle mehr zu spielen – höchste Zeit, für Saint-Saëns und seine "Orgelsinfonie" zu plädieren. Gast im Studio ist der Musikwissenschaftler und Publizist Michael Stegemann, dessen Forschungen maßgeblich zur Wiederentdeckung von Camille Saint-Saëns beigetragen haben.