Mircea Dinescu

Politik und Delikatessen

Mircea Dinescu im April 1990, damals Schriftsteller, Präsident des rumänischen Schriftstellerverbandes und Mitglied des Rates zur Nationalen Rettung
Mircea Dinescu im April 1990, damals Schriftsteller, Präsident des rumänischen Schriftstellerverbandes und Mitglied des Rates zur Nationalen Rettung © dpa / picture alliance / Elsner
Von Mirko Schwanitz · 11.03.2018
Rumänien ist in diesem Jahr Gastland der Leipziger Buchmesse. Anwesend sein wird auch jener Dichter, der Ceaucescus Sturz verkündete: Mircea Dinescu. Er wird aber weder lesen noch Gedichte vortragen, sondern das Catering des Gastlandes organisieren. Aus der Literaturszene hat er sich zurückgezogen - jetzt hat er eine Kochshow.
In Rumänien haben ihn viele so in Erinnerung: Mircea Dinescu, Dichter und Dissident verkündet in schlabbrigem Pullover und mit wirrem Blick die Flucht des Diktators Ceausescu. Es ist der 22. Dezember 1989:
"Wenn ich die Bilder heute sehe, empfinde ich Mitleid mit dem jungen Mann von damals. Ich wurde auf einem Panzer in das Studio gebracht und wirke ein wenig wirr. Eine alte Dame erkannte mich drei Monate später. Sie sagte: Sie wirken ja so normal. Als sie den Sturz des Diktators verkündeten, dachte ich: Mein Gott, ein Verrückter löst den anderen ab."
Acht Monate hatte Dinescu unter Ceausescu im Hausarrest verbracht. Das Volk kannte seinen Namen und seine kritischen Gedichte durch Radio Freies Europa. Die Aufständischen holten ihn aus seiner Wohnung. Nur wenn Dinescu den Sturz des Diktators verkündete, meinten sie, würden die Rumänen der Nachricht glauben.
"So war es dann auch. Als ich verkündete, der Diktator ist geflohen, gingen im ganzen Land die Menschen auf die Straße."

Von der Poesie zur Satire

Heute, 30 Jahre später, sitzt er in Bukarest und blickt zurück auf die Zeit von damals. Schnell hatte er erkannt, dass die zweite Riege aus der Kommunistischen Partei die Revolution gekapert hatte und alte Geheimdienstleute die Strippen zogen. Mit Poesie sei da nichts mehr zu machen gewesen, also habe er eine sehr erfolgreiche Satirezeitschrift gegründet.
"Ich habe dann sechs Jahre lang harte Satire-Gedichte gegen Ceausescus Nachfolger Iliescu geschrieben, dann gegen den nächsten Präsidenten Constantinescu, einen früheren Parteisekretär, dann gegen den korrupten Premier Adrian Nastase."
Später verkaufte er die Satirezeitschrift, machte damit ein Vermögen, kaufte sich im rumänischen Calafat einen Bauernhof an der Donau und zog sich aus dem Kulturleben weitgehend zurück.

Bauernhof und Szenerestaurant in der Hauptstadt

"Seit sieben Jahren gehöre ich schon nicht mehr zur literarischen Welt. Der Schriftstellerverband interessiert mich nicht die Bohne. Ich möchte nicht, wie so viele andere Autoren, die Hand beim Kulturministerium aufhalten müssen. So bin ich ein freier Mensch geworden."
Und als der machte er eine alte Leidenschaft zu seiner neuen Passion. Heute besitzt er nicht nur seinen Bauernhof, sondern auch ein gutgehendes Szenerestaurant im Herzen der Hauptstadt Bukarest und ist…
"Sommelier bin ich nicht, aber Weinproduzent. Obwohl ich wieder begonnen habe zu schreiben, denken viele, ich sei nur noch Koch, weil ich seit einiger Zeit auch eine Kochsendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen habe."
Doch schon der Titel der Kochshow "Politik und Delikatessen" zeigt, dass Dinescu auch beim Kochen das Sticheln nicht lassen kann.
"In Jeder Sendung habe ich einen Gast und wir besprechen verschiedene Sachen. Also da geht es nicht nur ums Kochen, sondern auch um die Politik. Während wir etwas brutzeln, diskutiere ich mit prominenten Schauspielern, Medizinern, Intellektuellen und Politikern - aber nur mit solchen, die mir sympathisch sind."

Kochshow als Quoten-Renner im Fernsehen

Noch immer hat Dinescu eine scharfe Zunge. Kein Wunder, dass "Politik und Delikatessen" nach der Hauptnachrichtensendung die höchsten Einschaltquoten im rumänischen Fernsehen hat. Nicht selten bringt er mit seinen politischen Beobachtungen die Meinung des Volkes auf den Punkt.
"Ich habe darauf verzichtet, irgendeinem rumänischen Politiker zu glauben, egal, ob rechts oder links. Die ganze Show der rumänischen Antikorruption ekelt mich an. Ihr größter Erfolg war, dass sie den ehemaligen Premier Adrian Nastase hinter Gittern brachte. Aber nicht etwa, wegen der Millionen, die er geklaut hat, sondern für ein paar Fenster, die er in seinem Haus schwarz einbauen ließ. Alle werden nur für kleine Geschäfte verurteilt, nicht für das korrupte System, das sie aufgebaut und die Millionen Euro, die sie gestohlen haben."
Da ist er lieber der scharfzüngige Koch, der den Politikern heftigst einschenkt. Von vielen seiner ehemaligen Schriftstellerkollegen wird Dinescu für seinen wirtschaftlichen Erfolg gleichermaßen beneidet wie verachtet. Doch dafür hat der Dichter der Revolution nur ein bedauernden Achselzucken übrig:
"Diese Leute leben nicht frei und pflegen ihre kleinen Obessionen. Sie leben alle wie in einer Pelikan-Kolonie. Ich aber bin da lieber ein einsamer Pelikan."
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