Ministeriums-Seite vs. Twitter-Account

Wie weit geht die Meinungsfreiheit?

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka
Mit ihrer "Roten Karte" für die AfD ging Bundesministerin Wanka zu weit, entschied das Bundesverfassungsgericht. © picture alliance / dpa / Ole Spata
Christoph Möllers im Gespräch mit Axel Rahmlow und Vladimir Balzer · 27.02.2018
Vor zwei Jahren rief Bundesbildungsministerin Johanna Wanka auf der Ministeriums-Homepage zum Boykott einer AfD-Demonstration auf. Das Bundesverfassungsgericht hat einer Klage der AfD dagegen stattgegeben: Für ihn keine Überraschung, sagt der Jurist Christoph Möllers.
Die AfD hatte im November 2015 unter dem Motto "Rote Karte für Merkel - Asyl braucht Grenzen" zur Demonstration aufgerufen. Auf der Webseite der Bundesbildungsministerin hieß es damals: "Die Rote Karte sollte der AfD und nicht der Bundeskanzlerin gezeigt werden. Björn Höcke und andere Sprecher der Partei leisten der Radikalisierung in der Gesellschaft Vorschub."

Das Bundesverfassungsgericht hat der Klage der AfD am Dienstag stattgegeben mit der Begründung: Die Bundesregierung wirke mit ihrer Autorität und ihrem Zugriff auf staatliche Ressourcen bei der Öffentlichkeitsarbeit "nachhaltig auf die Willensbildung des Volks ein". Sie sei deshalb zur Neutralität verpflichtet und dürfe ihre staatlichen Mittel nicht zu Gunsten oder Lasten einzelner Parteien einsetzen. Christoph Möllers, Professor für Verfassungsrecht an der Humboldt-Universität Berlin, unterstützt das Urteil und sagte im Deutschlandfunk Kultur:
"Im Ergebnis ist es, glaube ich, schon richtig. Es ist relativ klar, dass eine Ministerin, die Homepage ihres eigenen Ministeriums nicht dazu benutzen darf, um gegen eine Demonstration einer anderen Partei vorzugehen, oder davor zu warnen. Das war vorher eigentlich auch schon klar. Dazu gab es auch schon Rechtsprechungen. So richtig überraschend ist das im Ergebnis nicht."

Der Twitter-Account des Bundesjustizministers

Aber wie sind in diesem Zusammenhang die Äußerungen von Bundesjustizminister Heiko Maas auf seinem Twitter-Account zu bewerten?
"Ich persönlich habe auch mit der Figur der staatlichen Neutralität im Fall von Ministern ein Problem. Weil ich denke, Minister sind keine Beamten, sondern Minister sind politische Organe, die mit einer demokratischen Mehrheit gewählt wurden – gerade deswegen, weil sie nicht neutral sind, sondern weil sie einen politischen Auftrag haben – und zwar als Minister, nicht nur als Privatperson.
Ich denke, das Gericht hat in der Konsequenz, im Ergebnis immer schon Unterscheidung getroffen, und würde auch in dem Fall sagen, dass der Twitter-Account des Bundesjustizministers keine Ressource ist, die von Steuermitteln für die Regierung finanziert wird und ihm deshalb auch keinen Vorsprung gibt gegenüber der Opposition. Ich glaube, das eigentliche Anliegen des Gerichts ist es zu sagen, wir müssen irgendwie sicherstellen, dass es einen Wettbewerb gibt zwischen Regierung und Opposition.
Die Regierung hat sowieso schon immer viel Vorteile: Die ist viel sichtbarer, sie hat viele Ressourcen und wir müssen irgendwie dafür sorgen, dass diese Ressourcen nicht eingesetzt werden, um sagen wir, die Opposition noch mehr ins Hintertreffen zu bringen."

(jde)
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