Milo Rau über "Orestes in Mossul"

Ein kleines Gegengewicht der Kunst und der Solidarität

11:15 Minuten
Der Schweizer Theatermacher Milo Rau mit einem Megafon in der Hand, im Hintergrund das Reichstagsgebäude in Berlin.
Der Schweizer Theatermacher Milo Rau © picture alliance / Michael Kappeler / dpa
Moderation: Andé Mumot · 27.04.2019
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Mit "Orestes in Mossul" hat Milo Rau erneut ein zutiefst politisches Stück inszeniert. Ihm komme es generell darauf an, mit seiner Kunst eine Gegeninstitution zu schaffen zur Weltwirtschaft. Denn diese sei undemokratisch, die Menschen bräuchten eine Alternative.
Seine Stücke sprengen immer wieder den Rahmen klassischer Theateraufführungen, provozieren und werden stürmisch gefeiert. Der Schweizer Autor und Regisseur Milo Rau hat nun mit irakischen Künstlern "Orestes in Mossul" inszeniert, ein Stück, das vor Ostern am Nationaltheater Gent seine westeuropäische Erstaufführung hatte, in dem Haus, das er als Intendant seit 2018 leitet.
Gerade erschienen sind seine Saarbrücker Poetikvorlesungen. "Das geschichtliche Gefühl. Wege zu einem globalen Realismus" heißt das Buch, in dem er seine Arbeitsmethoden analysiert und erklärt.

Milo Rau ist sich priviligierter Position bewusst

Im Rang-1-Gespräch setzt er sich bewusst von den traditionellen, auf Skandal und Provokation abzielenden politischen Theatermethoden ab, etwa von den Aktionen des Zentrums für politische Schönheit, die er nur "als ersten Schritt" bezeichnet: "Was wir auch populistischen Politikern vorwerfen, wie viele Torten wir ihnen auch ins Gesicht schleudern, das wird die Weltwirtschaft nicht verändern. Was wir tun müssen, ist, wieder ins Handeln zu kommen, alternative Institutionen zu schaffen. Institutionen, die anrufbar sind und gewissermaßen dieses Gegengewicht der Gerechtigkeit und der Solidarität sein können zur Weltwirtschaft, die komplett undemokratisch funktioniert."
Es sei ihm durchaus bewusst, dass man ihn dafür kritisieren könne, als privilegierter weißer mitteleuropäischer Intellektueller in Krisengebiete wie den Irak zu reisen, um den Menschen dort vor Ort zu erklären, was Kunst leisten könne. Milo Rau betont jedoch: "Diese westlichen paternalistischen Kolonialisierer sind sowieso dort, diese ganze Region (Mossul im Nordirak) ist wirtschaftlich unterworfenes Gebiet. Und ein kleines Gegengewicht im Bereich der Kunst und der Solidarität zu schaffen, ein paar Geschichten rüberzubringen, ein paar reale Begegnungen, nicht nur Begegnungen auf dem Verkaufstresen, das ist doch ein Gegengewicht, das mir auch in seiner Machtlosigkeit sehr wichtig scheint."
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