Milliardenschäden durch "Harvey"

Aus Fehlern nichts gelernt?

Dieses von Beulah Johnson zur Verfügung gestellte Foto zeigt am 30.08.2017 eine Notunterkunft in Port Arthur (USA), die durch den Tropensturm Harvey komplett überschwemmt ist. Die Behörden suchen nach einer neuen Möglichkeit die Bedürftigen, die durch den Tropensturm ihre Häuser verlassen und teilweise verloren haben, unterzubringen.
Eine geflutete Notunterkunft nach Tropensturm "Harvey" - hätte das Ausmaß der Flutschäden verringert werden können? © Beulah Johnson/dpa
Von Marcus Pindur · 02.09.2017
Der Tropensturm Harvey hat eine Spur der Verwüstung hinterlassen, besonders betroffen war die texanische Stadt Houston. Die amerikanische Regierung hat schnelle Hilfe zugesagt, muss sich aber auch unangenehmen Fragen stellen. Hat die Politik aus vorangegangenen Katastrophen nichts gelernt? Hätte das Schlimmste durch eine vorausschauende Umwelt- und Bebauungspolitik vermieden werden können?
Zunächst einmal tut Trump, was Präsidenten tun müssen in solch einer Situation: den Menschen Mut machen und Hilfe versprechen. Er nutzt aber auch eine Gelegenheit, derer er bitter bedarf. Mitgefühl zu zeigen gehört sonst nicht zu seinen Stärken. Trump ist gebeutelt vom Urteil der öffentlichen Meinung. Nach seinen relativierenden Äußerungen über eine Rassisten-Demonstration in Charlottesville sind seine Umfragewerte weiter abgesackt. Selbst in einer Umfrage des stramm konservativen Senders Fox sagen 56 Prozent der Republikanerwähler, dass Trump das Land eher spaltet als eint. Das ist ein Alarmsignal, und das weiß Trump.

Trump präsentiert sich als Krisenmanager

Aus dem Weißen Haus verlautete, dass der Präsident persönlich den Vorschlag gemacht habe, möglichst schnell eine Reise ins Katastrophengebiet zu organisieren. Es war so eilig, dass dieser Besuch noch angekündigt wurde, bevor der Hurrikan überhaupt auf Land getroffen war. Trump präsentierte sich in Texas als Krisenmanager und hofft, dass das von den Skandalen der letzten Monate ablenkt.
Die historische Negativfolie dazu ist die Reaktion der Bush-Administration auf den Hurrikan Katrina und die Notlage in New Orleans im Jahr 2005. Bush war damals nicht sofort nach New Orleans gereist, die damals neu geschaffene Katastrophenschutzbehörde FEMA funktionierte unter einem offensichtlich überforderten Direktor überhaupt nicht. Das positive Beispiel ist der Umgang von Präsident Obama mit dem Tropensturm Sandy 2012. Da funktionierte alles und ein dankbarer und damals ziemlich prominenter republikanischer Gouverneur namens Chris Christie umarmte Obama sogar öffentlich – das war natürlich für Obama Wahlkampfhilfe vom Feinsten.

Trump hält Erderwärmung für Erfindung der Chinesen

Die Selbstinszenierung der Präsidenten ist das eine, die realen Probleme das andere. Nach und nach werden Fragen gestellt, Fragen nach den Ursachen. Einzelne Wetterereignisse direkt und kausal mit dem Klimawandel zu verbinden, ist wissenschaftlich unseriös. Aber die meisten Experten auch in den USA weisen darauf hin, dass die Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse zunimmt und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit der Erderwärmung zu tun hat.
US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszutreten.
US-Präsident Donald Trump kündigt an, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszutreten.© imago / ZUMA Press
Trump dagegen hält die Erderwärmung für eine Erfindung der Chinesen, um der amerikanischen Wirtschaft zu schaden und will aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen. Daran wird sich auch nicht mehr viel ändern.

Die Probleme waren bekannt

Für Houston unmittelbar interessant wäre jedoch etwas anderes: nämlich der bessere Schutz vor solchem Hochwasser. Bereits vor anderthalb Jahren hatten Journalisten der Texas Tribune und der gemeinnützigen Rechercheorganisation ProPublica darauf hingewiesen, dass das Kanal- und Röhrensystem von Houston dringend einer Ausweitung und Überholung bedurfte. Doch seitdem ist nichts geschehen.
Es gibt weder eine Risikoabschätzung für tiefliegende Gebiete noch darauf beruhende Bebauungspläne. Eine weiterhin unregulierte Bebauung, mit der großräumigen Versiegelung von Flächen, unzureichenden Rückhaltebecken und ohne ausreichende Abflußmöglichkeiten könnte das Problem jedoch beim nächsten Hurrikan noch verstärken.

Flutschäden bis zu 150 Milliarden Dollar

Daran schließt sich die Frage an, warum es kein Deichsystem um Houston gibt. Die Warnungen von Wissenschaftlern wurden in den vergangenen Jahren von den Politikern in Houston in den Wind geschlagen, obwohl bereits der Hurrikan Ike 2008 die Inseln vor Galveston verwüstet hatte und nur durch einen glücklichen Zufall an Houston vorbeizog. Der Preis für die Missachtung der warnenden Stimmen liegt jetzt offen zutage.
Ob der jetzige Präsident dazu geeignet ist, Abhilfe zu schaffen, darf bezweifelt werden. Vor wenigen Tagen noch hat Trump eine Verfügung von Obama zurückgezogen, derzufolge große Infrastrukturbauten in Flutgebieten einer eingehenden ökologischen Risikoabschätzung unterworfen werden müssen. Die wirtschaftlichen Kosten des Tropensturms "Harvey" liegen nach ersten Schätzungen bei 150 Milliarden Dollar aufwärts. Dass das ökonomisch nicht nachhaltig ist, sollte einem angeblich erfolgreichen Geschäftsmann eigentlich einleuchten.

Marcus Pindur, langjähriger Deutschlandradio-Korrespondent in Washington, arbeitet als Redakteur für Deutschlandfunk Kultur

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