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Vor 175 Jahren geboren
Der "Kältekönig" Carl von Linde

Ein Leben ohne Kühlschrank ist heute fast nicht vorstellbar. Es war einst Carl von Linde, der die Menschen vom Natur-Eis als Kühlmittel unabhängig machte. Er selber wurde darüber zum reichen Mann und ebnete auch noch den Weg zur praktischen Nutzung technischer Gase.

Von Irene Meichsner | 11.06.2017
    Ein Kühlschrank voll mit Lebensmitteln
    Carl von Linde war zwar nicht der erste, der eine künstliche Kälte erzeugte. Aber er brachte die Kältetechnik unter seine Kontrolle. (dpa/picture alliance/Karl-Josef Hildenbrand)
    "Linde hat, sehr strategisch, direkt nach Anwendungen für seine Maschine gesucht. Und schon in den 1870er-Jahren zum Beispiel in Kalkutta ein Hotel mit Kältemaschinen ausgestattet als Klimaanlage ..., hat also in unterschiedlichsten Fällen nach Anwendungen gesucht, und auch der Kühlschrank, so wie wir ihn heute kennen, war von Anfang an direkt bei ihm Programm."
    Carl von Linde war zwar nicht der erste, der eine künstliche Kälte erzeugte. Aber er brachte, so der Berliner Techniksoziologe Hans-Liudger Dienel, die Kältetechnik unter seine Kontrolle - weswegen wir ihm auch den Kühlschrank, die Klimaanlage, das tiefgefrorene Fischstäbchen und das zu jeder Jahreszeit gut gekühlte Bier verdanken. Bis dahin war man zum Kühlen noch auf Natur-Eis angewiesen gewesen, das im Winter aus den arktischen Meeren, aus Gletschern, zugefrorenen Seen und Flüssen herausgesägt und in Eis-Kellern eingelagert wurde. Häufig waren die Vorräte schon im Spätsommer oder Herbst buchstäblich dahingeschmolzen. Vor diesem Hintergrund bedeutete Lindes Entwicklung zuverlässig funktionierender Kühlgeräte eine Revolution. In einem öffentlichen Vortrag erinnerte sich der 70-Jährige:
    "Und nun wurde im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts die technische und wirtschaftliche Verwendung künstlicher Kälte in einer geradezu stürmischen Entwickelung und Ausbreitung aufgenommen. Die Führung war hierbei an Deutschland übergegangen."
    Kompressionsverfahren - ein flüssiges Kältemittel wird verdampft und entzieht Wärme
    Linde wurde am 11. Juni 1842 im oberfränkischen Berndorf als Sohn eines evangelischen Pfarrers geboren. Er studierte Maschinenbau in Zürich und bekam mit 26 Jahren eine außerplanmäßige Professur an der neuen technischen Hochschule in München, wo er durch ein Preisausschreiben für eine Kühlanlage zum Auskristallisieren von Paraffin auf das Problem der künstlichen Kälte aufmerksam wurde.
    "Kältemaschinen waren ein Modethema praktisch in der Zeit - es gab mehrere alternative Kälteerzeugungsverfahren, die miteinander konkurrierten".
    Linde kam aufgrund von theoretischen Überlegungen zu dem Schluss, dass das sogenannte Kompressionsverfahren am effizientesten sei. Es beruht im Kern darauf, dass ein flüssiges Kältemittel verdampft wird und dabei seiner Umgebung die Wärme entzieht. Der bei dem Verfahren eingesetzte Gas-Verdichter oder Kompressor hat nur einen Nachteil: Er arbeitet nicht geräuschlos.
    "Das heißt: Wir haben überall, wo wir einen Kühlschrank haben, dieses Sssssss-Summgeräusch."
    Die Entwicklungskosten für den Prototypen eines Kühlapparats übernahm Gabriel Sedlmayr, der Inhaber der Münchner "Spaten-Brauerei", der für sein "untergäriges" Bier eine konstante Temperatur von maximal vier Grad Celsius im Gärkeller benötigte. 1873 meldete Linde ein erstes Patent auf seine Kältemaschine an, dem verbesserte Modelle folgten. 1879 legte er sein Professorenamt nieder, um in Wiesbaden mit mehreren Partnern, darunter Sedlmayr, die "Gesellschaft für Linde's Eismaschinen AG" zu gründen. Neben in- und ausländischen Bier-Brauereien belieferte Linde die chemische Industrie, Molkereien, Fleisch- und Schokoladenfabrikanten mit seinen von Fremdfirmen in Lizenz hergestellten Kühlapparaturen. Am Ende seiner elfjährigen Tätigkeit als Firmenvorstand hatte er finanziell ausgesorgt. Linde kehrte als Hochschullehrer nach München zurück, um sich dem zweiten großen Thema seines Lebens zu widmen: der Verflüssigung von Gasen. Mit dem nach ihm benannten "Linde-Verfahren" konnte er Luft so weit herunterkühlen, dass sie tatsächlich in einen flüssigen Zustand überging.
    "Dann ließen wir, zwischen aufsteigenden Wolken, die schöne bläuliche Flüssigkeit in einen großen Blecheimer sich ergießen."
    Linde, dem "Kältekönig", der 1897 in den persönlichen Adelsstand erhoben wurde und 1934 in München starb, gelang es auch noch, die Luft in ihre Bestandteile – Sauerstoff, Stickstoff und Edelgase – zu zerlegen. Er ebnete damit den Weg zur praktischen Nutzung sogenannter technischer Gase, die aus der Metallverarbeitung, Lebensmittel- und Kunststoffindustrie, aus Medizin-, Umwelt-, Schweiß- und Messtechnik nicht mehr wegzudenken sind. Bis heute ist die mittlerweile in München ansässige Linde AG einer der weltweit führenden Anbieter auf diesem Gebiet.