Militärischer Nuklearabfall der Nazis im Atommülllager Asse "unwahrscheinlich"

Helmut Rechenberg im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler |
Der Physiker und Wissenschaftshistoriker Helmut Rechenberg glaubt nicht an eine Einlagerung von Nuklearabfällen aus einem Atombombenprogramm der Nationalsozialisten in dem maroden Atommülllager Asse.
Jan-Christoph Kitzler: Die Asse bei Salzgitter bietet viele Überraschungen. Erst musste man feststellen, dass das ehemalige Salzbergewerk nicht besonders gut geeignet ist als Atommüll-Lager, weil dort massenweise Wasser eintritt. Dann kam heraus, dass nicht nur weit über 100.000 Fässer schwach radioaktiver Müll dort liegen, sondern auch über 16.000 Fässer mit mittel radioaktivem Material, deutlich mehr als bisher angenommen.

Und nun berichtet die "Süddeutsche Zeitung", es könnten sogar auch noch Abfälle aus der Atomwaffenforschung der Nazis in der Asse lagern. Das sorgt für große Unruhe, nicht nur in Niedersachsen. Aber wie wahrscheinlich ist das überhaupt? Das will ich mit Helmut Rechenberg besprechen, er ist Physiker und Wissenschaftshistoriker und er ist der letzte Doktorand von Werner Heisenberg. Der Physik-Nobelpreisträger war in den letzten Kriegsjahren führend beteiligt am sogenannten Uranprojekt, der Atomwaffenforschung der Nazis. Schönen guten Morgen, Herr Rechenberg.

Helmut Rechenberg: Guten Morgen!

Kitzler: Für wie wahrscheinlich halten Sie es denn, dass in der Asse Abfälle aus dem Atomwaffenforschungsprogramm der Nazis liegen?

Rechenberg: Fairerweise muss ich sagen, für sehr unwahrscheinlich, denn zunächst wurde nicht an einer Atomwaffe gebaut. Das wurde beschlossen im Juli 1942, als Heisenberg in Berlin vortrug vor Minister Speer, der war Minister für Bewaffnung und Energieproduktion, möchte ich bemerken. Und er wurde da befragt. Zum Beispiel wurde er gefragt, wie groß ist eine Atombombe, und Heisenberg hat gesagt, na ja, so groß wie eine Ananas. Die Leute haben ihm unterstellt, er hätte einen Reaktor werfen wollen als Atombombe. Stimmt nicht, so groß wie eine Ananas.

Dann sagte der, ja fein, dann können sie doch die vielleicht bauen. Da sagte er, nein, das kann ich nicht ohne Weiteres, denn es wird mehrere Jahre dauern. Und es gibt ja noch einen Erlass von Hitler, der war Ende ’41: Wenn man ein Projekt, also ein militärisches Projekt, vorantreibt, welches in weniger als einem halben Jahr oder einem dreiviertel Jahr Ergebnisse liefert, dann muss man es abwürgen.

Kitzler: Es gibt ja ein offen gesagt ziemlich umstrittenes Buch vom Wissenschaftshistoriker Rainer Karlsch, das heißt "Hitlers Bombe", und er behauptet, dass die Deutschen noch 1945 eine Atombombe getestet haben. Wie weit waren denn die Nazis wirklich mit der Erforschung?
Rechenberg: Also erstens, sie waren ja nahe an einem funktionierenden Atommeiler, der ja dann in Haigerloch versucht wurde zu probieren. Es ist nicht ganz gelungen, es war nicht ganz so weit. Aber sie haben seitdem eben nicht mehr weitergearbeitet an der Bombe. Es hieß dann, Minister Speer, der ja da war, sagte, ja also, ist ja sehr schön, wenn sie da weiterbauen, ein Reaktor interessiert uns auch.

Kitzler: Das heißt also, auch heute spielen noch viele Gerüchte und Mythen über die angebliche Wunderwaffe eine Rolle in der Diskussion?

Rechenberg: Ja. Also als Wunderwaffe war es nicht zu verwenden, und Speer hat es eingesehen und hat gesagt, na ja, ist ja auch gut, Energie brauchen wir ja auch immer, dann machen sie lieber mal eine Energiequelle und tun das weiter. Und dann begab sich eben das Uranprojekt weitgehend auf diese Rolle.

Es bestand natürlich neben der Gruppe Heisenberg auch eine Gruppe von Diebner, und die arbeitete dann im Heereswaffenamt, und der versuchte natürlich immer noch irgendetwas zu machen. Und ich kann mich entsinnen, bei Karlsch gibt es eine Geschichte über ein Experiment, welches die Diebnersche Gruppe ausführte, in einem Feld, das war ungefähr so groß wie ein Fußballfeld, würde ich sagen, und dann haben sie also Zwangsarbeiter gehabt und so etwas und dann haben sie etwas explodieren lassen.

Was sie getan haben war: Es war eine normale Uransache und die haben sie mit einem chemischen Mantel umgeben und um es zur Reaktion zu bringen, haben sie es versucht, zusammenzudrücken, und das knallte dann los, und es soll auch ein paar Tote dabei gegeben haben. Aber wenn das eine richtige atomähnliche Waffe, bombenähnliche Waffe gewesen wäre, dann wäre das in die Luft gegangen, und zwar wären also nicht nur ein paar Leute umgekommen, sondern die ganze, die halbe Umgebung.

Kitzler: Bei diesen Forschungen der Nazis ist Müll entstanden, radioaktiver Müll. Davon können wir ausgehen. Könnte es nicht sein, dass der nach dem Krieg dann in die Asse gekommen ist?

Rechenberg: Völlig ausgeschlossen halte ich das nicht. Nur es war nicht irgendein Müll, der irgendwas mit der Bombe zu tun hatte.

Kitzler: Die Grünen in Niedersachsen verlangen jetzt ja vom Bundeskanzleramt die Herausgabe von Dokumenten. Wie gut ist denn das überhaupt dokumentiert? Stecken da noch Geheimnisse in den Akten?

Rechenberg: So weit ich weiß - ich habe Herrn Bagge nach dem Krieg sehr gut kennengelernt und auch einige andere Leute und auch mit Herrn Karlsch habe ich übrigens darüber geredet, als er sein Buch veröffentlicht hat. Da habe ich gesagt, also Momentchen, das stimmt nicht, das stimmt nicht, das kann ich nachweisen und so weiter. Dann hat Herr Karlsch gesagt, ja, aber das könnte doch irgendwie sein. Da habe ich gesagt, wissen Sie, ich bin ausgebildeter Physiker und auch Historiker, ich erkenne nur an, was quellenmäßig begründet ist, und wenn ich zu den Leuten gesprochen habe, die dabei gewesen sind. Und Leute, die dabei gewesen sein konnten, Bagge war nicht dabei, aber Diebner war dabei und Bagge war mit Diebner noch nach dem Kriege eng befreundet und hat mit ihm zusammen auch irgendeine Kompanie gegründet et cetera et cetera, also das habe ich von Bagge.

Kitzler: Was wurde denn im Dritten Reich überhaupt mit diesem Müll gemacht?

Rechenberg: Zum Teil hat man den Müll in Thüringen. Es gab also irgendeine Stelle in Thüringen auch, die war da und da kam auch vor einigen Jahren das Gerücht auf, ja, da in dem Bergwerk steckt irgendwelcher Atommüll. Aber es wurde keiner nachgewiesen.

Kitzler: In der Asse also ist es unwahrscheinlich Ihrer Meinung nach?

Rechenberg: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass etwas wirklich Relevantes für eine Bombe drin ist.

Kitzler: Zweifel am Atommüll der Nazis in der Asse, die hat der Physiker und Wissenschaftshistoriker Helmut Rechenberg. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

Rechenberg: Bitte!


Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.