Migration in Deutschland

"Deutschsein heißt nicht mehr nur deutscher Herkunft zu sein"

Fußball Länderspiel: Deutschland - USA
Fußball Länderspiel: Deutschland - USA am 10.06.2015 in Köln. Antonio Rüdiger (l), Shkodran Mustafi, Andre Schürrle, Patrick Herrmann und Sebastian Rudy. © picture alliance / dpa / Foto: Thomas Eisenhuth
Von Friedrich Heckmann · 24.08.2015
Nach Schätzungen werden in diesem Jahr 800.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Der Soziologe Friedrich Heckmann sieht diesbezüglich keine Überforderung der Ressourcen. Durch Migration bilde sich kulturell und sozial etwas Neues heraus. Bestes Beispiel sei die Nationalelf.
Bis zu 800.000 Flüchtlinge könnten dieses Jahr nach Deutschland kommen. Diese Zahlen hat das Bundesinnenministerium kürzlich veröffentlicht. Im Moment sei Deutschland aber nicht überfordert von dieser Zahl von Flüchtlingen, sagte Friedrich Heckmann, Leiter des Instituts "Europäisches Forum für Migrationsstudien" an der Universität Bamberg, im Deutschlandradio Kultur.
"Es ist natürlich alles eine Frage der Ressourcen." Wenn man nach einer "Überforderung" frage, müsse man auch fragen: Überforderung in Bezug auf was? Könne dadurch der soziale Frieden gefährdet sein, oder könnten die materiellen Ressourcen nicht ausreichen?
"Ich würde sagen: In Bezug auf die materiellen Ressourcen kann man feststellen, dass so ein reiches Land wie Deutschland keinesfalls überfordert ist. Aber es gibt natürlich auch die Frage der psychologischen Ressourcen", sagte Heckmann. Er meine damit die Bereitschaft und die Fähigkeit für die Begegnung mit Menschen aus fremden Kulturen: "Und im Bereich der psychologischen Ressourcen haben einige Bevölkerungsteile Probleme."
Rechte Einstellungen in der Bevölkerung
Es gebe in der Gesellschaft - das zeigten Studien über mehrere Jahrzehnte - einen bestimmten Prozentsatz von Menschen mit rechtsradikalen und rechtsextremen Einstellungen, zum Teil mit Gewaltbereitschaft. "Ich sage 'mal: In normalen Zeiten ist dieses Potential unter Kontrolle. Aber zu bestimmen Zeitpunkten fühlt sich dieses rechtsradikale Potential motiviert, aus diese Latenz herauszutreten und sich zu äußern. Oder sogar eben gewaltsam ihre Auffassungen bzw. ihre Einstellungen dann in bestimmen Aktionen zu zeigen." Man können aber nicht davon ausgehen, dass man diese Menschen mit sehr stark gefestigten rechtsradikalen Einstellungen ändern könne, sagte Heckmann. "Also gilt es, sozusagen durch soziale Kontrolle dieses Potential unter Kontrolle zu halten. Damit es ihnen nicht gelingt, andere, vor allem verunsicherte Bürger, mit auf ihre Seite zu ziehen."
Politik ist in der Verantwortung
"Entscheidend ist jetzt, wie sich die Politik positioniert." So gebe es einen grundlegenden Parteienstreit zu der Thematik. Äußere sich die Politik entschieden genug, stelle sie genug Ressourcen zu Verfügung, gibt es genug Ressourcen zur Integration? - Dazu stellte Heckmann fest: Es gebe zwar nie genug Ressourcen von Seiten der Politik, aber man könne feststellen, dass seit dem Zuwanderungsgesetz von 2005, das ja auch ein Integrationsgesetz ist, bedeutende Investitionen im Bereich der Integration erfolgt seien: "Und internationale Vergleiche zeigen auch, dass Deutschland relativ gut dasteht." Deutschland nehme mit Kanada in Bezug auf Integration einen Spitzenplatz ein.
Deutschland investiert in Integration
Integrations-Ressource seien Integrationsangebote wie Sprachkurse. Da habe die Bundesregierung mehr als eine Milliarde Euro bereits investiert und stelle jedes Jahr mehr als 100 Millionen Euro zur Verfügung, so Heckmann. Auch das Bundesamt für Migration sei in den letzten Jahren stark ausgebaut worden in seinen Funktionen für Integration. Auch auf der kommunalen Ebene sei viel geschehen: "Man hat in Integration investiert. Aber angesichts der neuen Situation müssen diese Investitionen auf jeden Fall verstärkt werden."
Deutschland werde durch die Migration eine andere Nation, sagte Heckmann. Es gebe Annäherungsprozesse zwischen Migranten und der bisherigen einheimischen Bevölkerung. Da bildet sich kulturell und sozial etwas Neues heraus. Auch die Zugehörigkeit werde neu definiert, das würden empirische Untersuchungen zeigen. Das plausibelste Beispiel sei die Fußballnationalmannschaft.
"Deutschsein heißt nicht mehr nur deutscher Herkunft zu sein."
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